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Amts- und Anzeigeblatt für den Erscheint „ . e e e Abonnement «LL-- Lmrk des LmtsgmGs TideMock KZ-W sertionspreis: die kleinsp. ten, sowie bei allen ReichS- Zeile 10 Pf und dessen Amgekung. P-stanst-lten SL Verantwortlicher Redacteur: E. Hannebohn in Eibenstock. — 3L. Aahrgang. Sonnabend, den 4. August 1888. 1789-1889. Frankreich schickt sich an, die Hundertjahrfeier seiner „großen Revolution" zu begehen, welche durch den Bastillensturm am 14. Juni 1789 eingeleitet wurde. Die Geschichtsschreiber des letzte» Jahr hunderts haben die — in Wirklichkeit immer noch nicht beendete — Revolution gebührend gewürdigt. Das Erwachen des Bolksbewußtseins, das allmähliche Ueberschreiten der Grenzen des göttlichen und mensch lichen Rechtes, das Aufbrausen der politischen Leiden schaft, die Schreckensherrschaft, die Reaktion und das bisher nicht wieder hergestellte Gleichmaß zwischen Autorität und Majorität — das alles hat den Ge schichtsschreibern immer noch nicht erschöpften Stoff zur Darstellung und Kritik geboten. Daß der unglückliche König Ludwig XVI. die Fehler seiner Vorgänger auf dem Schaffet büßen mußte, wohin ihm seine Gattin, die österreichische Kaiscrtochter Marie Antoinette, nachfolgte, prägt der französischen Revolution den blutigen Stempel auf. Dieser Umstand verhinderte auch in erster Linie die offizielle Theilnahme der alten monarchischen Staaten an der nächstjährigen Pariser Weltausstellung, welche die Revolutionsfeier gewissermaßen zu einer inter nationalen machen soll. Aber auch eine andere Rück sicht hat wesentlich zu dieser Zurückhaltung beigetragcn; nämlich die Erkenntniß, daß die innere Lage Frank reichs keineswegs derart gefestigt ist, um einigermaßen Aussicht auf Dauer zu bieten. Der Erdarbeiterstreik in Paris wirft auf die Un sicherheit der politischen und sozialen Zustände Frank reichs ein grelles Streiflicht. Die Parteien, vor allem die am Ruder befindliche radikale, spielen leichtsinnig mit dem Feuer und sie würden sich nicht wundern dürfen, wenn sic dabei die Finger verbrennen. Der Pariser Gemeinderath ist stark mit radikalen und sozialistischen Elementen durchsetzt und liebäugelt bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit den revolutionär gesinnten Gruppen der Arbeiter. So hat denn auch dieser Gemeinderath einen Lohntarif für städtische Arbeiten aufgestellt, der weit hinausgeht über dasjenige Maß, mit dem die Privatindustrie ihre Arbeiter entlohnen kann. Jetzt allerdings kommt cs an den Tag, daß der Gemeinderath einen so hohen Tarif nur bewilligt hat, um sich die Arbeiter geneigt zu machen und in der sicheren Hoffnung, die Regier ung werde den Tarif umstoßen. Die Pariser Stadt herren meinten es also gar nicht ernst mit ihrer weit gehenden Arbeiterfreundlichkeit. Ministerpräsident Flo- quet durchschaute aber das Spiel und fing die Herren in ihrer eigenen Schlinge, indem er an dem betreffen den Gemeindcbeschluß nichts anszusetzen fand. Der Streik der Erdarbeiter in Paris ist jetzt ein allgemeiner und die Befürchtung liegt nahe, daß sich ihm auch die übrigen Bauhandwerkcr anschließen werden. Das würde auf die ohnehin stark im Rück stände befindlichen Ausstcllungsarbeiten einen schlimmen Einfluß haben und zudem die Verbitterung der ar beitenden Bevölkerung der französischen Hauptstadt erhöhen. Ihre Führer haben es ausgesprochen, daß ihr Sieg in diesem Streik ein Sieg des Proletariats überhaupt sein würde und so bereitwillig man auch denen, welche im Schweiße ihres Angesichts ihr Brod verdienen, einen möglichst hohen Lohn gönnt, so sind doch die politischen Folgen dieses Streiks noch gar nicht abzusehen. Daß sich die Boulangerhorde mit wahrer Wollust in diese Bewegung stürzt und die Unzufriedenheit nach Kräften schürt, ist ja nur zu erklärlich. Siegt das „Proletariat", so werden naturgemäß seine An sprüche sied in das Ungemessene steigern, denn heut zutage macht der Pariser Arbeiter nicht wieder eine Juli-Revolution, um für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Unterliegen die Arbeiter aber, so wird in ihren Herzen ein Gift Zurückbleiben, das einen erneuten verderbenbringenden Ausweg sucht und sich unter Umständen die Gelegenheit des nächsten JahreS, für welches Paris auf Hunderttausende von Gästen rechnet, nicht entgehen lassen. Die Republik muß, wenn sie ihren Bestand sichern will, sich auf die Mehrheit des Pariser Volkes stützen und das sind natürlich die Arbeiter. Sehen diese aber ein, daß mit ihnen, wie bei dem Arbeits tarif, ein frivoles Spiel getrieben wird, dann ist es kein Wunder, wenn sie sich der Republik ab- und demjenigen Prätendenten zuwcnden, der ihnen bessere Aussichten zu bieten sckeint. Nächstens wird in der Somme eine 'Nachwahl stattfinden, bei welcher der wicderhergestellte Boulanger kandidirt und seine Kan didatur persönlich vertreten und empfehlen wird. Der Ausfall dieser Wahl entscheidet über das Schick sal des Boulangismus; sie wird zeigen, ob noch wie früher in Frankreich die Lächerlichkeit tödtet. Siegt Boulanger, dann dürften der Regierung ernstliche Schwierigkeiten erwachsen und Herr Carnöt aus seiner Sommerruhe in Schloß Fontainebleau arg aufge schreckt werden Das Jahr 1889 hat mit dem Jahr 1789 die un verkennbare Aehnlichkeit, daß es in Frankreich einen Umschwung der Geister einzuleiten scheint, — ein Umschwung, welcher den bestehenden Verhältnissen nicht günstig ist. Hagesgeschichle. — Deutschland. Das Befinden Kaiser Wilhelms nach der anstrengenden zwanzigtägigen Meerfahrt ist ein ausgezeichnetes. Diese zwanzig Tage, auf unruhigem Meere und unter den Festlich keiten dreier Fürstenhöfe zugebracht, bilden eine Kette von Strapazen der verschiedensten Art. Daß der Kaiser auf der Heimfahrt noch einen Tag beim Reichs kanzler in Friedrichsruh rastete, obwohl ihn das freudige Ereigniß im Marmorpalais nach Hause rief, ist wie derum ein Beweis der Pflichttreue. Es galt dem Monarchen offenbar, mit seinem ersten Rathgeber sogleich die moralischen Erfolge der 'Nordlandsreise zu besprechen. — Der „Köln. Ztg." zufolge befahl der Kaiser, daß vom 1. Oktober ab das Regiment der Garde du Corps und alle Kürassier-Regi menter mit Lanzen zu bewaffnen und auszu bilden seien. — Das 2. Bataillon des 1. wcstpreußischen Grenadierregiments Nr. 6 war das erste Bataillon in der preußischen Armee, welches nach dem neuen Exerzier-Reglement ausgebildet und nach fünf tägiger Ucbung dem kommandirendcn General und Vorsitzenden der betreffenden Commission Frhrn. v. Mecrschcidt-Hüllessem vorgcstellt wurde. Mit dem neuen Entwurf sind wesentliche Vereinfachungen ver bunden und cs ist praktischen Bedürfnissen hierbei nach Möglichkeit Rechnung getragen worden. Was zunächst die Gewehrgriffe anbclangt, so kommen nach dem neuen Entwurf die Commandos „Gewehr auf" und „Faßt das Gewehr an" überhaupt nicht mehr vor. Die Posten fassen nach dem neuen Exerzier- Reglement beim Vorbeipassircn von Offizieren bis zum Hauptmann aufwärts nicht mehr, wie bisher üblich, das Gewehr an, sondern stehen mit „Gewehr über" still; bei Offizieren vom Stabsoffizier aufwärts präsentircn die Pegren wie früher, aber direkt vom „Gewehr über". Geschlossene Truppentheile fassen beim Vorbeimarsch vor Offizieren innerhalb der Garnison nach dem neuen Entwurf nicht mehr das Gewehr an, sondern marschircn mit „Gewehr über" im festen Tritt vorüber. Die Fremdwörter bei den Conimandos sind seitens der Commission im neuen Entwurf nach Möglichkeit durch deutsche ersetzt wor den, so hat z. B. das Wort „Chargiren" dem deut schen „Feuern" weichen müssen. WaS die Exerzier übungen anbetrifft, so sind diese im Allgemeinen dieselben geblieben wie früher. Hervorzuheben ver dient die Abänderung, daß der Parademarsch in Compagniefront nach dem neuen Entwurf in zwei Gliedern stattfindet und nicht wie früher in drei Gliedern. Es ist dieses eine wesentliche Erleichterung für die exerzierenden Mannschaften, da die Beweg ungen der beiden Glieder durch das Fehlen des dritten Gliedes freiere und weniger abhängige sind. Ferner ist zu erwähnen, daß bei einzelnen Exerzier- und Gefechtsübungen nach dem neuen Entwurf mehr das Marschiren „ohne Tritt" zur Geltung kommt. — In Kiel fand die Verhaftung eines der Spionage verdächtigen Franzosen statt. Die am 29. Juli erfolgte Inhaftnahme erregt berechtigtes Aussehen. Der Verhaftete wohnte seit geraumer Zeit auf „Bellevue" als Badegast und zog schon dadurch die Aufmerksamkeit auf sich, daß ec entgegen den übrigen Badegästen früh morgens fortging und stets Abends spät erst heimkehrte, sowie daß er seine Briefe nie im Hotel empfing, sondern stets persönlich von der Post abhclte, und endlich, daß er sich bei dem Hotelpersonal genau nach der Stärke der Forts, deren Lage, Geschützzahl und deren Kaliber zu informiren suchte. Bei seiner Verhaftung hat man denn auch, wie wir von zuverlässiger Seite erfahren, verschiedene Zeichnungen hiesiger Forts bei ihm gesunden. Der Verhaftete nennt sich Ermen und will Baumeister in Lothringen sein, in Wirklichkeit soll derselbe jedoch die Charge eines französischen Marineoffiziers beklei den. Auf die seitens der hiesigen Polizeibehörde über den Verhafteten in Forbeck telegraphisch eingezogenen Erkundigungen ist bis zur Stunde noch keine Nach richt eingetroffen. — Dänemark. Die dänischen Blätter heben den außerordentlich günstigen Eindruck des Kaiser be s u ch e s hervor. Die stark dänisch gesinnte „Na- tionaltidende" theilt die Aeußerung einer sehr hohen deutschen Persönlichkeit mit, wonach der Besuch über Erwarten schön, die Haltung der Bevölkerung herzlich und würdig gefunden worden sei. „Nationaltidende" selbst stellt fest, daß zusehends unter dem Eindruck von des Kaisers liebenswürdiger Persönlichkeit die Sympathieen der Bevölkerung mit Wilhelm II. stünd lich gewachsen seien. Estrup äußerte sich über seine Audienz beim deutschen Kaiser sehr befriedigt. — In fast ganz England sind durch anhalten den starken Regen .verheerende Ueberschwemm- ungen eingctretc», welche stellenweise die Ernte gänzlich vernichtet haben. In London selbst stehen die östlichen Stadttheile unweit der Docks, welche größtentheils von der ärmeren Bevölkerung bewohnt sind, unter Wasser, wodurch großes Elend verursacht worden ist. Sächsische Nachrichten. — Leipzig. Die wiederholt verschobene Grund steinlegung zum Bau des deutschen Rcichs- gerichtsgcbäudes findet nunmehr bestimmt in die sem Herbst statt. Der Tag dafür hat bis jetzt indeß noch nicht festgesetzt werden können, da man hofft, daß auch Kaiser Wilhelm der denkwürdigen Feier, wenn irgend möglich, beiwohnen werde, in diesem Falle aber die Bestimmung des Tages für die Grund steinlegung von Sr. Majestät abhängen würde. - — Chemnitz. Ein recht bedauerlicher Unglücks fall ereignete sich heute, Donnerstag, früh in der 8. Stunde in einem Hause an der Wiescnstraße. Wäh rend daselbst in einer Wohnung im vierten Stockwerk die Frau in. der Wohnstube beschäftigt war, befanden sich zwei Kinder derselben im Alkoven. Hierbei mach ten sich die Kinder am Fenster zu schaffen, öffneten dasselbe, und das jüngste der Kinder, ein Knabe, stürzte aus dem Fenster in den Hof hinab. Das Kind war natürlich sofort todt. — Auf eine inPlauen i. V. cingcgangcne be zügliche telegraphische Anfrage des BundeSbevollmäch- tiglen für das zur Zeit in Halle stattfindende Mittel deutsche Bundesschießeu haben sicherem Vernehmen nach der Stadtrath und die Schützengesellschaft die Wahl der Stadt Plauen für das nächstjährige B u n- desschießen mit Freuden begrüßt und angenommen. — Schwarzenberg, 1.August. DerHerrAmtS- hauptmann Oberrcgierungsrath Frhr. v. Wirsing ist von heute bis zum 2. September d. I. beurlaubt und wird während dieser Zeit unter Oberleitung des Herrn Kreishauptmann Frhr. v. Hausen durch den bei der Königl. KrciShauptmannschaft zu Zwickau beschäftigten Herrn Referendar I>r. Dietz vertreten. — Sachsens erste Gasbeleuchtung. Der ersten öffentlichen Gasbeleuchtung in Sachsen darf sich Dresden rühmen. König Anton übertrug