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Nachmittag. Der verblichene Kaiser wurde bald nach seinem Hinscheiden aus einer eisernen, mit Messing beschlagenen Bettstelle aufgebahrt; er lag in einem weißen Gewände, aus der Brust einen Lorbeerkranz, den die Kaiserin einst für den heimkehrenden Sieger selbst gewunden. Auf der weißen Bettdecke lag ein Kavalleriesäbel, worauf die Hände ruhten. Von dort wurde die Leiche nach dem Muschelsaal des Schlosse» gebracht und dort kurze Zeit au-gestellt. Anton v. Werner hat eine Skizze vom Antlitz de- Entschlafenen ausgenommen. Da- Antlitz ist nicht entstellt, wie vielfach behauptet wird. Da- Haupt erscheint etwa» kleiner, Haar und Bart sind leicht ergraut. Die Bei setzung der Leiche hat Montag Vormittag in der Frie denskirche in Pot-dam stattgesunden. Kaiser Friedrich hat ein Alter von 56 Jahren 7 Monaten und 28 Tagen erreicht und 99 Tage al- Kaiser und König die Regierung geführt, trotz seine schweren Leidens mit rastlosem Eifer der Erfüllung seiner Herrscherpflichten obliegend. Fürst Bismarck hat den letzten Abschied von Kaiser Friedrich am Donnerstag genommen. Daß der Kaiser wußte, wie eS um ihn stand, zeugt nach der »Post" »die Thatsache, daß der Kaiser die Hand der Kaiserin ergriff, in die de- Fürsten Reichskanzler« legte und durch diesen stummen Akt die Zukunft seiner Ge mahlin der Fürsorge de» Reichskanzlers anheimgab." Der BundeSrath hat bereit« am Tage nach dem Ableben de» Kaiser» eine Plenarsitzung abgehaltcn, um die offizielle Mittheilung von dem Ableben Kaiser Friedrichs und der Thronbesteigung Kaiser Wilhelm» II. entgegenzunehmen. Den deutschen Missionen im Aus lande ist diese amtliche Anzeige bereit- am Freitage übermittelt worden. — Der Reichstag ist lt. Verordn, vom 16. d. behufs Entgegennahme der Kaiser-Botschaft zum 25. Juni zusammenberufen und einige Tage später wird vermuthlich der Kaiser vor dem preußischen Landtage da« feierliche Gelöbniß auf die Verfassung ablegen. E« soll nur eine Proklamation und zwar an da« preußische Volk erfolgen. — Die Mittheilung, daß durch eine letztwillige An ordnung des hochscligen Kaisers die Vornahme einer Seltion ausgeschlossen sei, hat sich als nicht begründet erwiesen. Die Obduktion der sterblichen Reste des Heimgegangenen Monarchen hat am Freitag in den späten NachmittagSstunden stattgcfunden. ES waren sämmtliche Aerzte, die an der Behandlung de» verklärten Kaiser» betheiligt ge wesen sind, zugegen, auch Prof. v. Bergmann, ferner die Professoren Virchow und Waldcyer. Auch der HauSminister Graf Stolberg war anwesend. Da« Ergebniß der Sektion lautet auf Krebs. Damit ist die vielerörterte Frage nach dem Charakter des Grundleidens de» kaiserlichen Dulder» in unum stößlicher Form beantwortet und jeder Zweifel ent schieden, wenn e» ander» noch einen solchen gab. E« handelt sich bei dem verklärten Fürsten vermuthlich um jene Art de» Krebse» die sich in der Form eine» blumenkohlähnlichen Gewächse» in der Fläche sowohl wie Höhe ausbreitet. Grade für diese Form ist die bedeutende Zerstörung der Gewebe charakteristisch, wie sie ja in diesem traurigen Falle zu Tage getreten ist. Zuerst trat ein chronischer Katarrh der Stimmbänder anscheinend unschuldiger Natur auf, sich darstellend in Heiserkeit, geringem AuSwurf, häufiger Stimm losigkeit. Dann begann die allmähliche Entwickelung eine» Auswuchses am Stimmband, der anfangs für eine unschuldige Warzengeschwulst (Papillom) gehalten und dementsprechend behandelt ward. Die Beschwer den nahmen zu, da» Aussehen der Geschwulst ver änderte sich in eigenthümlicher, beunruhigender Art. Bald durcheilte die SchreckenSkunde alle Lande, daß e» sich doch nun um ein »malignes" Gewächs handele. Doch Aussehen und Befinden dcS hohen Kranken wider sprachen anscheinend dieser verhängnißvollen und folgen schweren Diagnose (ein relatives Wohlbefinden ist in den Anfangsstadien aller bösartigen Geschwülste nicht» Ungewöhnliches). Man glaubte daher sich zu der An nahme berechtigt, daß nur eine Knorpelhautentzündung (PerichondritiS) vorliege. Eine sichere positive Be stätigung der Diagnose nach der einen oder der an deren Seile hin wurde auch au» den Resultaten der mikroskopischen Untersuchung nicht gewonnen. In ärztlichen Kreisen jedoch stand man der Annahme einer PerichondritiS vielfach skeptisch gegenüber, ohne aber natürlich, wie e» die Sachlage erheischte, in eine öffentliche polemische Behandlung dieser Frage einzu treten. Denn eS ist in Fachkreisen nur zu bekannt, daß eine PerichondritiS al» primäre», selbstständige» Leiden ein äußerst seltene» Vorkommnis ist, sich viel mehr gewöhnlich an andere Processe meist bösartiger Natur anschließt, wenn dieselben bei ihrem Tiefer dringen den Knorpel mitergreifen. Unterdessen nahm da» Leiden den bei Krebs gewöhnlichen Verlauf. ES folgten die durch da» schnelle Wach-thum der Ge schwulst bedingten Erstickungsanfälle, die den Luft röhrenschnitt nöthig machten. Die letzten Phasen sind noch in frischer Erinnerung. Durchbruch nach der Speiseröhre, Schluckpneumonie. Der Vorhang fällt über eine an wechselvollen Episoden reiche erschütternde Tragödie. — vr. Mackenzie und Hovell reisen Mitt woch Abend im Gefolge de« Prinzen von Wale« hier ad; Ersterer erwartet in Blissingcn seine Familie, mit der er auf einige Wochen nach Norwegen geht. Der Kaiser und Bismarck sprachen am Sonnabend mit Mackenzie. Derselbe wird einen medizinischen Bericht über die Krankheit de» Kaiser» erstatten. — Die Theilnahme bei dem Hinscheiden Kaiser Friedrichs ist, wie erwartet werden durfte, in allen I europäischen Staaten eine allgemeine. ES ist unmög- , lich die Worte der Trauer allseits wiederzugeben. Wir , wollen daher an dieser Stelle nur der Sympathie kundgebungen Rußland« Erwähnung thun. Da» »Journal de St. PeterSbourg" widmet dem verstor benen Kaiser Friedrich einen sehr sympathischen Ne krolog, in welchem gesagt wird, Rußland schließe sich mit aufrichtigster Sympathie der Trauer an, welche die Hohenzollern und die deutsche Nation betroffen hat und wünsche, daß die Vorsehung, welche die Dynastie in der letzten Zeit so hart geprüft habe, dieselbe fortan mit Wohlthaten überhäufe, dem Nachbarreiche und dem jungen Herrscher, der jetzt den Thron zu besteigen berufen sei, lange Jahre de« Frieden« und Glücke« zu theil werden lassen möge. Die gesammte Presse veröffentlicht sympathische Nachrufe. Der »Regier- ung«bote sagt: Die Aufrichtigkeit, Offenherzigkeit und Menschenliebe Ke« Verstorbenen brachten ihm nicht allein die Liebe und Anhänglichkeit seiner Unterthanen, sondern auch die Sympathie aller Friedensfreunde. Der Gedanke hieran werde gegenwärtig alle Nationen, in welchen Beziehungen sie auch zur auswärtigen Po litik Deutschland« stehen, in dem gemeinsamen Gefühle de« herzlichen Beileid« für da« betrübte deutsche Volk vereinen und in der Andacht für da« Gekächtniß de« Kaiser«. — Da« »Dresdner Journal" schreibt: So lange wir Deutschen auch schon warnend vorbereitet waren auf einen neuen Schicksalsschlag in unserm Kaiser hause, so beängstigend auch der nun vom Todespfeil getroffene Fürst und KriegShelb bereit« al» Kron prinz von der Mahnung an ein frühe« Ende bedroht wurde, so jäh und schmerzlich traf doch die Erfüllung diese« furchtbaren Mißgeschicks unser gemeinsame« Vaterland. Kaiser Friedrich, in gesunden Tagen wie wenig AuSerwählte ein Bild der ManneSkrast, der Ausdauer und Geistesfrische, sollte e« nicht beschieden sein, lange auf der Höhe de« vornehmsten und mächtig sten Throne« dieser Erde zu weilen. Gesegnet von den Wünschen Seine« großen Vater«, dessen Ruhme«- stern in den Erinnerungen unserer Geschichte nie untergehen wird; angefeuert von dem heißen Herzens wunsch, Sein eigene« Volk und die künftigen Tage Deutschlands glücklich und fruchtbringend machen zu helfen, — blieb dennock bei all dieser Gunst der Verhältnisse der hochgesinnte Monarch zu dem er schütternden Loose verurtheilt, den Rest seiner Kraft theilen zu müssen, zwischen Seinen Herrscherpflichten und dem unaufhörlichen Kampf mit dem Tode. Da« war ein furchtbare« Verhängniß, ein entsetzliche« Ringen, ein grauenvolles Nachtstück aus der Geschichte de« Menschenleide«, in dem der schmerzgequälte Kämpfer nicht klagen mag und nicht hoffen darf und selbst der Sonnenstrahl täuschender Besserung nur durch einen schwarzen Trauerschlcier auf de« Dulders Haupt herab fällt. — Wem die Vorsehung solche Prüfungen auf erlegt und wen sie dann rastlos treu und gottergeben in seiner Seele findet, der geht, wohl schwerer ge troffen al« die Gefallenen auf dem Schlachtfelde, al« ein gesegneter Sieger au« der Erlösung hervor. Er giebt allen Mitgenossen seiner Gegenwart, hoch und niedrig, ein schöne« erhebende« Beispiel, wie die ManneSehre, da« heilige Pflichtgefühl, da« sittliche Pathos dem wahren Christen die Zauberkunst lehrt, im Wirken auszudauern beim Fiebersturm brennender Leiden, zu fechten mit zerschmettertem Arme und wach zu bleiben, ob auch da« todeSmüde Auge sinken will. — So hat denn auch unser zweiter Schirmherr de« Deutschen Reiche», Kaiser Friedrich, in diesem Sinne zum leuchtenden Gcdächtniß für da« Vaterland ge litten und gestritten. Er hat die ererbte Fahne der Gottergebenheit, des Vertrauens und der Pflichttreue neu eingepflanzt in den heimischen Boden. Eine junge starke Hand wird sie ergreifen und hochhalten bis zu fernen Tagen! — DaS Organ der reichshauptstädtischen Sozialdemokraten, das »Bcrl. BolkSbl.", bringt einen Nekrolog, der selbst von dem extremen Stand punkte dieser Partei au» dem verstorbenen Kaiser Gerechtigkeit zollt, seine Humanität und seine besten Absichten für da» Wohl der Nation anerkennt. Da« Blatt spricht auch seine Theilnahme »der Frau au», die al» treue Gattin in unermüdlicher Sorge den Todtkranken gepflegt und ihm in seinen schweren Stunden eine nie versagende Stütze war. Da« bi« zum Tode getreue und hingebende Weib bleibt immer ein erhabener Anblick, ob e» un« im Palast oder in der Hülle begegnet. Ihm sei unsere Achtung und Huldigung gebracht." — Die »Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Von der I Bahre de« Heimgegangenen Dulder« auf dem Kaiser- I thron, der in der Blüthe der ManneSjahre einer I tückischen Krankheit leider viel zu schnell erlegen, wendet sich der Blick dem Erben der Krone in Reich und Staat zu, der nunmehr dazu berufen, die schwere Bürde der Regierung zu übernehmen und den Thron seiner Väter zu besteigen. Von frühester Jugend an hat der nunmehrige Kaiser Wilhelm II. dem Volke nahe gestanden, da« ihm al« dem ersten Sprossen, mit welchem die Ehe de« einstigen Prinzen Friedrich Wilhelm gesegnet, ein besondere« warme« Interesse zuwendete. War doch mit diesem Erstgeborenen dem Stamm de« Hohenzollernhause» eine neue Blüthe gewonnen und damit ein neue« Unterpfand stetigen Glücke« für'« Vaterland geboren. Von der Höhe der Schloßkuppel herab kündeten die Klänge de« frommen Liede« da« für Herrscherhaus und Nation bedeutsame Ereigniß und gaben die freudige Stimmung de« Volke« wieder, da« in dichten Reihen da« Palai» umschloffen hielt! Und diese Theilnahme und Zu neigung zu dem Erstlingssproß, sie nahmen zu und steigerten sich mit dem WachSthum desselben und im Hinblick auf den Geist, in welchem die Erziehung und Heranbildung de» dereinstigen Thronerben« ge leitet und gefördert wurde. Mit Sorgfalt und un ablässiger Aufmerksamkeit wachte die treue Liebe der Eltern namentlich darüber, daß in dem Sohne Be wußtsein und Verständniß der hohen Pflichten gegen da« Vaterland geweckt werde. Und da« edelste Be- sitzthum, da« im Hause der Hohenzollern durch so viele Generationen vom Vater auf den Sohn sich vererbt, da« ernste Gefühl der Pflicht und die Strenge im Dienste de« Berufe«, ist nicht allein ein leuchten de« Vorbild so vieler Glieder seine« Hause», sondern ist ihm in Allem, wa» ihn umgab, nahe getreten und hat ihm die Pfade durch da» Leben gewiesen. Mitten unter die Söhne de» Volke« hat Kaiser Wilhelm II. der Weg seiner Erziehung geführt. In strenger Ar beit hat er die Jahre ter Jugendbildung verlebt und sich auf die hohen und schweren Aufgaben de« fürst lichen Berufes vorbereitet. E« ist mehr al« eine glückliche Vorbedeutung, es ist eine Bürgschaft für den zukünftigen Lebensgang de« zu solcher Höhe Be rufenen, daß er bisher in angestrengtem Thun da» Ziel erreicht, welche» den Söhnen de« Vaterlandes al« Ab schluß ter Jugentbildung vorgesteckt wird. Und die so gestreute Saat ist in herrlichem Gedeihen aufgegangen und hat die köstliche Frucht de« Vertrauen» gezeitigt. In dem Vertrauen, welche« dem im Geist der Anschau ungen de« Großvater« und de» Vater« erzogenen und groß gewordenen kaiserlichen Herrn heute von allen Seiten entgegengebracht wird, ist ein sichere« Unter pfand gegeben für die innige Verknüpfung de« Bande», da« Dynastie und Nation vom Anbeginne ihrer Zu sammengehörigkeit umschlingt, und das zu einem Pal ladium unseres nationalen Leben« geworden ist. Und angesichts der Innigkeit und Wärme, welche diese» Band beseelt, und da« in guten und bösen Tagen der feste Hort gewesen, der die Geschicke unsere« Va terlandes gelenkt und geschützt und demselben zu Größe, Wohlfahrt und Ansehen verhelfen, darf sich der Blick, wie schwer und düster auch die Gegenwart auf un« ruht, doch vertrauensvoll der Zukunft zuwenden und zu der Zuversicht erheben, daß, welch schwere Zeiten auch über uns kommen könnten, welch ernste Prüf ungen un» bevorstehen mögen, die Liebe und da» Ver trauen, in welchem Fürst und Volk im Reiche und in Preußen einander begegnen, stet» der feste Schild und Schirm sein wird, ter sich schützend über dem theuren Vaterlande ausbreitet. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 18. Juni. Un« zugegangencr verbürgter Nachricht zufolge, ist gestern, Sonntag Vormittag der de« Morde« an der Anna Marie Nötzoldt verdächtige Handarbeiter Karl Heinrich Jugelt von hier in Obcrplanitz bei Zwickau verhaftet und an die Staatsanwaltschaft Zwickau abgeliefert worden. Die gestern vom »Chemn. Tagebl." gebrachte Nachricht über die in AntonSthal am Freitag statt gehabte Festnahme Jugelt« bestätigt sich somit nicht. — Schönheide. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend ist die Herrn Gottlob Tuchscheerer Hierselbst gehörige Tüllfabrik bis auf die Um fassungsmauern niedergebrannt. Da« Feuer ist gegen l Uhr ausgekommen, nachdem Abend« vorher noch spät gearbeitet worden war. Die Entstehungsursache ist noch unbekannt. — In Rautenkranz brannte am Freitag früh 9 Uhr da« dem Waldarbeiter Christian Döhler zugehörige Wohnhaus nieder. Da« Feuer ist von einem sechsjährigen Knaben verwahrlost worben. Da» Kind hatte leider Streichhölzer zu erlangen gewußt, diese angezündet und brennend in» Bettstroh geworfen. — Dresden. Se. Maj. der König erläßt folgenden Befehl: »Ich bestimme, daß die Trauer um den nach Gotte« unerforschlichem Rathschlusse am gestrigen Tage Hingeschiedenen Deutschen Kaiser Friedrich, König von Preußen, Kaiserliche und Königliche Majestät, in der sächsischen Armee vom heutigen Tage ab auf 4 Wochen stattzufinden hat und zwar während der ersten 7 Tage nach den Vor schriften für die erste Trauerperiode, während der folgenden 7 Tage nach den Vorschriften für die zweite Trauerperiode und während der letzten 14 Tage nach den Vorschriften für die dritte Trauerperiode. Da» 2. Husaren-Regiment Nr. 19 die außerhalb Sachsen« garnisonirenden sächsischen Truppentheile und sämmt liche in Preußen commandirte sächsische Offiziere und im Offizier«range stehende Militärbeamte legen die Trauer nach den für die Königlich preußische Armee