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wenn sie mich nicht sähe; so trat ich denn in den Schatten eine» Rosenbusche« und verhielt mich ruhig. Die Thür öffnete sich langsam und vorsichtig, und eine weibliche Person trat heran». Ich sah jedoch zugleich, daß e» weder Aurelie noch Mr». Godwill war und wurde deshalb neugierig. Sic verschloß die Thür und legte den Schlüssel unter den Stein, blickte um sich und eilte dann dem großen Hause zu. Ich folgte in gemessener Entfernung. Ziemlich sicher, daß ich die große, schlanke Gestalt erkannt Hütte, wollte ich mich jedoch vollkommen davon überzeugen und wirklich, al» die Dame unter da» Licht der beiden Kandelaber kam, welche an jeder Seite der Treppe stehen, konnte ich ihr Gesicht deutlich sehen; c» war — Miß Leonore Dont." Albert sprang auf, al» wollte er den Sprecher zu Boden schlagen, doch Aurelie stieß einen kurzen Schrei au». „Ich verstehe jetzt Alle«!" sagte sie. „Ich hatte mit Miß Dont von dem Testamente gesprochen in der Nacht, wo man Mr. Arkcr sterbend glaubte. Ich hörte, wie sic zu ihrer Mutter sagte, daß sic ihn nicht heirathen würde, wenn er nicht reich wäre, — daß sie zu ihm gehen wollte, ihn zu überreden, sich noch in dieser Nacht mit ihr trauen zu lassen, damit sie al» reiche Wittwe zurückbleibe. Ich war so aufge bracht über die glcichgiltige Art, mit der sie da» be sprachen, daß ich ihnen folgte und ihr sagte, ich könne beweisen, daß Mr. Arker nicht der wirkliche Erbe sei. Natürlich ging sie dann in die Parkhütte, um da» Testament zu suchen. Sie war c», die e» au» der Kiste nahm und — c» zerstörte! Zweifellos fühlte sic sich dann ganz sicher, Mr. Arker zu heirathen, nach dem sie da» Testament vernichtet hatte!" Ein Schweigen bemächtigte sich der kleinen Ge sellschaft, die Albert Arkcr von Herzen bedauerte. War c» nicht traurig, zu gleicher Zeit ein Vermögen und de» Glauben an die Weiblichkeit zu verlieren? Albert saß eine kurze Zeit ganz blaß und still, dann blickte er auf, und in seinen schönen, blauen Augen zeigte sich ein fester Entschluß. „Wenn e» wahr ist, daß Miß Dont die» gcthan hat — und mich nur um de« Vermögen» willen schätzt, da» ich nicht mehr besitze, so wird e» gut für sie sein, daß sie bei Zeiten meinen Verlust erfährt. Wenigsten« — will ich sie prüfen: Wenn sie mich liebt und mich noch heirathen will, werde ich ihr mein Versprechen halten; wenn sie wünscht, ihr Glück weiter zu versuchen, so will ich ihr kein Hinderniß bieten. Bi» sie selbst darüber entschieden hat, möchte ich jedoch.Niemanden schlecht von ihr sprechen hören." Al» er dies sagte, zuckte sein Augenlid nicht, selbst als er die sanften dunkeln, glühenden Auge« d:S Mädchen», das er liebte, auf sich gerichtet sah, mit einem Blicke voller Hoffnung und Furcht, Verzweif lung und Liebe, welcher das ganze thörichte, leiden schaftliche Herz des Mädchens, das ihn anbetete, kundgab. „Ich glaube doch, daß selbst Miß Dont sich mit der Hälfte dessen begnügen könnte, wa» Du für Dein Vermögen hieltest, mein Bruder," erwiderte Eduard zärtlich, „und so viel sichert Dir das Ver sprechen meiner Mutter. Ich habe, um im Winter hier die Zeit zu verbringen, die Urkunden und Schriften alle durchgesehen und finde, daß unsere Besitzungen ihren Werth mehr als verdoppelt, ja, in der That einen Stand erreicht haben, daß, selbst wenn man sich gar nicht darum kümmert, sie immer cn Werth steigen müssen. Weshalb un» daher Sorge machen?" „Wenigstens," entgegnete der Andere nach einer Pause, „will ich Leonore'S Liebe auf die Probe stellen. Ich habe an ihr gezweifelt — hier bietet sich mir Gelegenheit, zu sehen, ob ich Etwas an ihr verliere. Ich will ihr die wunderbare Geschichte erzählen, von der Rückkehr unserer Mutter, von ihrem Anrechte an jeden Dollar, doch, liebe Mutter, ich werde ihr Nicht« von Ihrem edelmüthigen Anerbieten sagen, wenigstens nicht gleich. Wenn sie mich liebt, so wie ein Mäd chen den lieben soll, den sie zu heirathen beabsichtigt, so wird sie hier Gelegenheit haben, ihre Uneigennützig keit in strahlendem Glanze leuchten zu lassen, ihre Verachtung de« ReichthumcS und ihre unbegrenzte Ergebenheit für ihren Geliebten zu beweisen! Wenn sie aber nur den Reichthum liebt, den ich ihr ver loren haben scheine, dann wird sie, selbst jetzt noch, leicht einen Weg finden, ihr Versprechen zurückzunehmen. Ach wie unglücklich!" ries er plötzlich von seinem Sitze aufspringend, „die Einladungen sollen heute verschickt werden! Die» wird, im Falle Leonore ihre Freiheit wünscht, die Sache sehr ungeschickt erschweren. Ich hätte gewünscht, daß diese merkwürdige Enthüllung etwa» früher gekommen wäre!" „Mache Dir deshalb keinen Kummer, Albert," flüsterte Mr». Arker, sich neben ihn setzend und seine Hand ergreifend, „Miß Dont kann sich al« vollkom men edel bewähren. Vielleicht sind die Karten auch heute noch nicht versandt worden. Doch Albert war unruhig und beängstigt, wie Leonore die sonderbaren Neuigkeiten aufnehmen würde, die er ihr mittheilcn mußte. Allein, trotz aller seiner Aufregung fühlte er eine beruhigende Genugthuung in dem Gedanken, daß Aurelie Bendlin in demselben Zimmer war, in welchem er sich befand; während sein Herz theilweise schneller schlug, wenn er daran dachte, daß Leonore'« Falschheit ihm seine Freiheit zurückgäbe, die Freiheit um eine Andere, Schönere, Sanftere, Unschuldigere werben zu können, welche nur ihn um seiner Selbst willen liebte. Siebenundzwanzigste» Kapitel. Gewonnen und doch verloren. . Miß Dont hatte e» doch nach diesem Besuche de« Sennor Toredo über sich vermocht, an dem Frühstücke Iheilzunehmen, zu dem ihre Mutter die Misse« Bran ding eingeladcn, und bereitete sich jetzt für eine kleine Ruhestunde vor, al» nach heftigem Klopfen Albert Arker eintrat, unerwartet, denn Leonore hatte geglaubt, daß er erst spät Abend» oder am nächsten Morgen zurückkommen werde. Er sah müde und kummervoll au« und seine Stimme zitterte, al« er seine Verlobte begrüßte. Der Kuß, den Leonore ihm gab, war inniger als sie beabsichtigt hatte, denn e« that ihr in jedem Falle leid, diese« sonnige, hübsche Gesicht bewölkt zu sehen und einige Augenblick bedauerte sie ihn. Dann fragte sie sich: „Warum bedauere ich ihn eigentlich? E« geht ihm ja noch viel besser, al« den meisten Anderen von meinen Bekannten. Da« halbe Arker'sche Ver mögen würde viele derselben zufriedcnstellen. Armer, lieber Albert! Noch niemals erschienst Du mir so bezaubernd, al« jetzt! — Ob der fabelhafte Reichthum de« gelben Westindier« wohl da« Opfer lohnen würde, Dich aufzugeben? — Nein, nein. Diese« unverschämte Mädchen hatte Recht, jetzt ist cS an der Zeit, Dir meine Ergebenheit zu beweisen." Sie zog ihn zu einem Stuhle, der neben ihrem Sopha stand. „Was ist geschehen, Albert? Du sichst krank au«." Ich bin nicht krank, Geliebte, aber ich habe Kummer. Richt um meinetwillen, aber ich fürchte die Wirkung, die er auf Dich auSübcn wird, Leonore; ich fürchte, Du wirst sehr enttäuscht sein, und ich möchte Dir jetzt vor allem Anderen sagen, daß, wenn meine Nachrichten den Wunsch in Dir erregen, Dein gegebene« Wort zurückzunchmen, ick Dich freigebe." „Nun, Deine Neuigkeiten müssen wirklich sehr trauriger Art sein," bemerkte Leonore lachend. Und al» er ihr in einem Ausbruch überwältigen den Gefühls Alle« erzählte, sah er mit Erstaunen, wie ruhig sie cS aufnahm. Hatte er sich in ihrem Charakter geirrt? Ihren Gefühlen Unrecht getban? Sie blickte auf zu ihm, und ihre schönen blauen Augen waren unumwölkt, ja fast heiter — und ver- riethen durch Nicht«, daß sie die« Alle« schon vorher gewußt hatte. „Sind die« Deine schrecklichen Nachrichten? Nun, Albert, wenn Mr«. Arker hält und zwischen ihrem Sohne und Dir gleichmäßig theilt, so sehe ich nicht, daß wir Noth zu leiden nöthig haben. Du weißt, daß immer Gerüchte wegen de« Testament« in Umlauf waren, so ist c« ja besser, endlich die Wahrheit zu kennen; ich meincStheil« bin zufrieden, daß der melancholische Eduard seinen Theil erhält. Ist das nicht wie ein Roman? Jetzt müßte Eduard noch die Gärtnerstochter heirathen, dann wäre c« ein guter Schluß." „Kümmern wir un« nicht darum," sagte Albert, leicht erröthend. „Wenn Du mich innig genug liebst, daß die» keinen Unterschied zwischen uns macht, so denke ich, daß unsere Aussichten auf Glück zufrieden stellend sind. Wirklich, Du hast mir eine schwere Last vom Herzen genommen, Geliebte, ich bin Dir innig dankbar für die Weise, in der Du diesen Schlag ertragen hast," und er fühlte fast Gewissensbisse, daß er eine entfernte Hoffnung gehegt hatte, Leonore würde die Ketten brechen, welche sie an einander banden und ihm die Freiheit gewähren, seiner anderen, thörichten Neigung zu folgen. Diese« Schuldbewußtsein machte ihn an dem Nach mittage zu einem sehr ergebenen Liebhaber. ES gab viele« zu besprechen, und da« Brautkleid mußte an gesehen werden; e« wurde bestimmt, daß die Karten am nächsten Morgen versandt werden sollten, und Albert beschloß, jeden Gedanken an Aurelie verbannend, ein guter und treuer Gatte zu sein, da diese« edle Mädchen sich ihm so treu bewährt hatte, während diese« „edle Mädchen" selbst sich mit dem edlen Sprich wort tröstete: „Ein Sperling in der Hand ist besser, al« eine Taube auf dem Dache." Der Sennor hatte nicht wirklich angehallen und so wäre c« doch Unbesonnenheit von ihr gewesen, für eine Ungewißheit Mr. Arkcr aufzugeben. Könnten wir in dem Herzen mancher Bräute lesen, wie oft würden wir da selbstsüchtige und eigennützige Beweggründe finden, während der verliebte Bräutigam glaubt, daß nur reine, hingebende Liebe in demselben Platz findet. Doch in dem leidenschaftlichen Herzen Aurelie'« war die Liebe nicht von der Klugheit geregelt. Dem armen Kinde war die Liebe Alle«. Al« sie mit den Anderen in dem Bibliothekzimmer auf Arkersitz ge wesen war und den Schatten auf Albert Arker« Ge sicht bemerkt hatte, al« dieser sich enterbt sah, war ihre Liebe zu einem höheren Grade gestiegen, al« der unvernünftigen, tollen Leidenschaft eine» romantischen Mädchen«; sie hatte sich bi« zur Selbstaufopferung erhoben. Sie verachtete sich selbst deshalb, daß sie froh gewesen war bei dem Gedanken, seine Enterbung könnte ihn ihr näher bringen. (Fortsetzung folgt.) Aus dem Volksleben Neapels. Der Neapolitaner kennt kein Wort, da« lieblicher an sein Ohr tönt al« da« Wort Maccaroni, und e« hat diese fast abgöttische Verehrung der National speise au« deren Verfertigung einen einträglichen Er- werb«zweig gemacht und große Maccaronifabriken ent stehen lassen, und wenn man von Neapel hinau«fährt nach Portici und Resina, kommt man an einer Menge solcher Maccaronifabriken vorüber. Dort hängt da« köstliche Fabrikat reihenweise auf langen Stangen zum trocknen au«. Man hat die Maccaroni von allen Sorten: dunkelbraun, fast schwarz, grauweiß und ei dottergelb, dünn, dick und breit, sodaß jedweder nach seinem Belieben die Sorte wählen kann, die seinem Geschmack am meisten zusagt. Die wohlfeilsten sind die dunkelbraunen; sie finden den größten Absatz, da sie die fast ausschließliche tägliche Speise der ärmsteu Volk«klaffen bilden. Getrocknet, haben sie die Form langer dünner Stäbe von der Szürke einer seinen Federspule, gekocht dehnen sie sich au«, schwellen auf und sehen dann genau au« wie dicke glänzende Wür mer von zwei Ellen Länge. Zu kunstgerechter Ver weisung derselben gehört kein geringer Grad von Geschicklichkeit und bedeutende Ucbung. Maccaroni dürfen von keinem Messer berührt werden; so lang wie sie au« dem Kessel kommen, muß sic der kunstge rechte Esser verschlingen oder einschlürfen. Reicht die Gabel dabei nicht vollkommen au«, so nimmt der Lazzarone ungenirt die Finger zu Hilfe und stopft die Götterspeise, unablässig schlingend, kauend und schlürfend, mit solchem Eifer ein, daß er in wenig Minuten eine anständig große Schüssel ganz allein leert. Welch ungeheuere Portion er verschlingen kann, ist wirklich erstaunlich. Am liebsten ißt der Lazzarone die Maccaroni mit brauner Sauce von Liebesäpfeln übergossen und mit grauem Parmesankäse reichlich bestreut. Zu den ergötzlichsten Schauspielen in Ne apel« menschenwimmelnden Straßen gehört der An blick von Maccaronicssern in Masse. Um Sonnen untergang kehren die Fischer heim vom Meere, müde und hungrig von der anstrengenden Arbeit, die Fac- chini, die Lastträger, flinke und thätige Burschen, halten die Geschäfte de« Tage» für beendigt und lechzen nach Speise, Trank und Lust. Die Herum streicher endlich, die sich den Tag über durch tausender lei Mittel einige Grani verdient haben — alle die strömen lärmend in breiten Schaaren den brodelnden Maccaronikesscln zu, um sich für die gehabten Mühen eine Güte zu thun. Man denke sich eine ziemlich breite Straße, lang und gegen da« Ende sich etwa« senkend. Auf den breiten Lavaquadern knistern zahllose Lorbeerfeuer unter hohen Kesseln, hinter denen Köche und Köch innen laut schreiend und gcstikulirend stehen, ununter brochen damit beschäftigt, gargekochte Maccaroni her- auSzulangen, auf irdene Teller zu häufen und sie den hungrigen Umstehenden zu reichen. Bei der Un masse von Begehrenden, die sich singend und lärmend in unentwirrbarem Knäuel die lange Straße herauf- und hinunterschieben, reichen die Näpfe nicht au«. Da« kümmert aber den Lazzarone nicht. Lachend reißt er seine dunkelrothe oder braune Sackmütze vom struppigen Haar, schlügt sie ein paarmal gegen seine Arme oder auch dem nächsten an den Kopf, um sie vom Staub zu reinigen und läßt sich für einen Grano delikate Maccaroni nebst Sauce hineinschütten. Schmunzelnd schlürft er den herrlichen Geruch ein, dann schreit er ein paar Mal vor Freude: „San Gennaro, hilf!" beugt den Kopf so weit al« möglich rückwärts, Ihut dann einen kräftigen Griff mit der Rechten in die nudelgefüllte Mütze und läßt die triefende Speise, die Hand leise schüttelnd, in den Mund gleiten. Böte man ihm in solchem Augenblicke Kronen an und alle Herrlichkeiten der Welt, er lachte dem Thoren in« Gesicht, schlüge stolz da« Anerbieten au« und riefe: „Maccaroni, nur mehr Maccaroni!" Ist er fertig, so wischt er sich mit dem zerrissenen Aermel seiner Jacke den Mund, schreit wieder au« Leibeskräften, schlenkert die Mütze an seinem eigenen Beine au«, um sie de« überflüssigen Safte« zu ent ledigen, und drückt sie wieder schief auf den Kopf. Nun geht er zum nächsten Limonadeverkäufer, zahlt seinen Grano und erhält dafür ein große« Gla» de« kühlenden Getränk», in da« der Verkäufer den goldenen Saft einer frisch ausgeschnittenen Apfelsine drückt. Darauf schlendert er zufriedener al« ein Edelmann nach der Polichinellbude, deren vor Lust wiehernde Zuschauermenge ihm schon von Weitem göttlichen Spaß und Genuß, wie er ihn liebt, verheißt. Druck und Verlag von S. tzannebohn in Libenkock.