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das Testament und die Juwelen herauSgeben solltest. Ich hörte jede« Wort, Deine Weigerung sowohl, wie seine Drohungen." „Herr, sei meiner armen Seele gnädig," murmelte die alle Dienerin. „Ich würde auch Wohl noch weiter in diesem Zu stande geblieben und am nächsten Tage, wie e« be stimmt war, lebendig begraben worden sein, hätte nicht die Vorsehung mich gerettet, Dina — nicht durch ein Wunder, wie Du glaubst, aber durch vollkommen na türliche Kräfte: Al« der fürchterliche Donncrschlag das Hau« erschütterte, that der elektrische Schlag, wa» mein Wille allein nicht zu thun im Stande war, er erlöste mich von dem Krampfe, der mich gefesselt hielt. Einen Augenblick später richtete ich mich in meinem Sarge auf — dann sprang ich hinab, und da ich das Zimmer in Flammen sah, rannte ich in mein An- kleidekabinet, ergriff einen dort hängenden Mantel, warf ihn um und eilte in den Corridor. ES waren da Leute genug, doch in der Aufregung blieb ich un bemerkt, da das Kleidungsstück, welches ich zufällig ergriffen hatte, ein großer Regenmantel war, in welchen ich mich vollständig cinhüllte. Ich floh die Treppen hinunter, hinan« in den Sturm — und dann — dachte ich an meinen kleinen Eduard, welcher neben dem brennenden Zimmer schlief. Ich wollte zurück — mich in das Fcuermeer stürzen, doch in dem Augen blicke sah ich aufblickend Dich, gute Dina, beide Kinder, meinen Eduard und den kleinen Albert vom Balkon herablassen! Ach! Dein Kleid stand in Flammen — ich rang die Hände, Du sprangest vom Balkon herab und fielst schwer, rafftest Dich jedoch auf und ranntest davon, während ich Dir nachlief und Dich einzuholen suchte, um Dir zu helfen!" Thränen erstickten hier die Stimme der Sprechen den — sie schwieg, um ihr Schluchzen zu verbergen. „So waren Sie cS, mein Kind, die mich au« dem Wasser zog und mein arme«, verbranntes Ge sicht küßte. — Ach, ich glaubte, eS sei Ihr Geist, und dieser Gedanke sowie die furchtbaren Schmerzen machten mich wahnsinnig. „ES war Deine arme Ethel, Dina. Ich führte Dich zu Deinen Verwandten, welche hier im Walde lebten — klopfte an deren Thür und rannte davon; denn einen verzweifelten Entschluß hatte ich gefaßt, nämlich niemals — niemals Andröe Arkcr wissen oder vermuthcn zu lassen, daß seine unglückliche Frau nicht todt sei, wie er glaubte. Ich hatte weder Geld noch Kleider — nur den Regenmantel, an« welchem ich mir ein Kleid machte — keine Freunde, an die ich mich hätte wenden können, ohne befürchten zu müssen, daß sie das Geheimniß verrathen würden — doch ich wollte nicht mehr zu Mr. Arker zurückkehrcn — nein, selbst nickt um den Preis des Glückes, bei meinem Kinde sein zu dürfen!" Al« sie diese zwei magischen Worte „meinem Kinde" äußerte, entrang sich ein Schrei den Lippen Eduard OSdorne'S: „Mutter!" Bei diesem Tone ließ MrS. Arker Dina'S Hand loS und sprang auf ; halb schüchtern wie ein liebendes Mädchen, das noch zweifelt, blickte sie Eduard an, und ihre Augen leuchteten wie die Sterne, doch sie eilte nicht zu ihm — sie stand nur und sah ihn zitternd und lächelnd an. „Kannst Du e« lernen, mich als Deine Mutter zu betrachten?" fragte sie zaghaft. Er umschlang sie innig und küßte zärtlich ihre weiße Stirn. „Wenn Du ahnen könntest, wie süß eS für mich ist, eine Mutter zu finden, so würdest Du nicht fragen. Wie war eS möglich, daß Du mir so nahe sein konntest, und daß doch weder Deine Augen, noch Deine Stimme da» Geheimniß Deine« Herzen» verriethen?" „Lange Jahre strengen Kummers haben mich große Selbstbeherrschung gelehrt, Eduard. O, wie habe ich mich gesehnt. Dich in meine Arme zu schließen. Dich meinen Sohn zu nennen!" „Ja, aber — Albert?" stotterte er. „Ich weiß e«, lieber Eduard, Du wirst mich für schwach und thöricht halten. Ich habe diese ganze Zeit dazu verwandt, mein eigene« Testament welche« von Dina im Garten vergraben worden war, zu finden." «Ja, ja," unterbrach sie die sterbende alte Dienerin, welche nach diesem lichten Zwischenräume wieder ihre Vernunft zu verliern begann, „ja, ja, sie weiß — Drei Mal hundert, drei Mal drei, Dom Thurm bis wo die Rose blüht. Das Räthsel erst gelöset sei. Wenn einst der Sohn die Todte steht. Nicht lobt — nicht todt. Die Lebende soll jetzt ihren Erben nennen." „Ich fürchtete, mein lieber Sohn, fuhr Mr«. Arker, immer noch an Dina'S Seite knieend und deren kalte Hände zu erwärmen suchend fort, „fürchtete, daß Albert und seine Rechtsvertreter meine Iden tität bestreiten, mich nicht anerkennen, al« Betrügerin der frechsten Art hinstellcn, und wa» noch schlimmer wäre, wohl gar Dich eine« verbrecherischen Einver ständnisse« beschuldigen könnten. Sie werden e» vielleicht jetzt thun; aber ich glaube nicht, ich denke, daß das Zeugniß dieser treuen Dienerin vor diesen Zeugen genügend sein wird, um meine Wiederein setzung zu sichern. Dina erkannte meine Stimme sogleich, al« ich zu ihr sprach. Liebe Freundin und treue Dienerin, hast Du einen Zweifel, wer ich bin?" fragte sie sanft die kalten Hände streichelnd. „Kein Zweifel. Ich fühlte Ihre Nähe, theuere, junge Herrin, ehe Sie zur Thür hereintraten. Ob- > gleich ich blind bin, erkannte ich meine Ethel. Unv haben Sie mir nicht erzählt, was sich zwischen Mr. Arker und mir zutrug, al» keine andere Seele gegen wärtig war?" Und mit zitternder Stimme, welche jedoch immer noch melodisch war, begann sie zu singen: „Richt nicht dkn Herrn mit schwachem Sinn', Vertraue seiner Gnade; Nach Ungewitter Sonnenschein Erleuchtet seine Pfade." Ihre Freunde stimmten ein in die Hymne, doch, ehe noch ein zweiter VerS gesungen war, rief die Sterbende, noch immer aufrecht in ihrem Stuhle sitzend, laut au«: „Ethel!" und mit den Händen herumsuchend, sank sie in ihren Sitz — eine Leiche. „O, Dina", schluchzte ihre Herrin, „edle«, hero ische«, treues Geschöpf! Wären alle Diener, wie Du." David Bendlin half Dina auf da« Bett tragen, wo MrS. Arker ihr die AugeN schloß und die Hände über der Brust faltete. Nachdem Eduard noch Anordnungen zu einem anständigen Begräbniß getroffen, bestiegen die drei ihre Pferde und ritten bei dem Lichte des aufsteigcn- den Monde« den Weg bi« zur Parkhütte zurück. Niemals vergaß Eduard diesen Ritt durch den winter lichen Wald mit den schwarzen Schalten der blätter losen Zweige, die sich quer über den Weg streckten. Er war betäubt, er glaubte fast zu träumen. Diese Dame, hinter der er ritt, war seine Mutter? Die sanfte, zurückhaltende MrS. Godwill, die ihn stet« so angezogen hatte, — die Bewohner der Waldhütte — die stolze Dame von OSdorne-Ruh und Arkcrsitz, deren kurze UnglückSgcschichte schon zur Legende ge worden war! Wirklich, das mußte ein Traum sein! Und er, Eduard ÖSdorne, der anerkannte Erbe aller dieser Länder, über die sie ritten! Er, der „arme Verwandte", an den de« jungen Arker Gäste kaum gedacht hatten — der Besitzer unermeßlicher Reichthümer! Und Albert — was würde er sagen und thun? Und Miß Dont — was würde sie thun? Und Aurelie — würde diese Umgestaltung bei ihr einen Unterschied machen? „ES ist keine Zeit zu verlieren," dachte er, „wenn das kein Traum ist, dann muß eS Albert erfahren und ebenso seine Braut — noch vor dem Hochzeitstage." (Fortsetzung folgt.) Die Kunst zu gefallen. Frei nach dem Englischen der Mrs. Hockett von Frau Baronin Th. v. R. Eine jede Frau, sofern sie nicht als Ausnahme von der allgemeinen Regel betrachtet werden muß, bringt al« Erbtheil ihres Geschlechts eine kleine un bewußte Schwäche mit in die Welt, und diese Schwäche wir dürfen sie unter uns wohl einmal gestehen, — heißt: „Der Wunsch, zu gefallen." Das Gefallen wollen ist demnach die natürliche Mitgift, das Ge fallen können aber der Probirstein, oder die eigent liche Waffe der Frauen. Fern sei eS von mir, mit diesen Zeilen der Eitel keit und Gefallsucht da« Wort reden zu wollen! Die Kunst in meinem Sinne soll auch nicht darin bestehen, Frauen begehrenSwerth zu machen, die anerkannter Maßen jung und hübsch sind, sondern im Gegenthcil ihnen zu zeigen, daß Jugend und ein hübsches Ge sicht — wenngleich beides Attribute der Anziehungs kraft, doch weder ihre einzigsten, noch ihre unentbehr lichsten sind. Zu diesem Zwecke aber bitte ich um die Erlaubniß, einige kurzgefaßte LebenSregcln auf stellen zu dürfen: * * * Eine Frau suche stet« natürlich zu bleiben und nicht die Vorzüge einer Andern an sich selbst nach ahmen zu wollen, da solche bei verschiedenartigem Naturell, den Eindruck eine« geborgten Kleidungs stücke« machen und niemals gut zu Gesichte stehen würden. Die Welt verzeiht der Häßlichen nicht, wa« sie der Schönen um ihrer Schönheit willen nachgc- sehen hatte — also Jeder bleibe in seinem Element! — Zurückhaltung und Bescheidenheit ist der Boden, auf welchem alle weiblichen Reize in ihrem besten Lichte erblühen. Im Benehmen sowohl, wie in der Kleidung, Unterhaltung rc. möge man nie vergessen, daß Bescheidenheit mit u.i« im steten Bunde leben muß; ich meine eine Bescheidenheit in ihrem ausge dehntesten Sinne. Heut zu Tage giebt e» eine Ge schmacksrichtung unter den Frauen, welche sich zum Aufruhr gegen die sogenannte „altväterische Beschei- I denhcit" erheben möchte. Bescheidenheit an der Frau I ist aber gleichbedeutend mit dem Muth am Manne und gilt darum keineswegs im Sinne von „Zimper lichkeit"; diese steht im Gegensatz zur Bescheidenheit, wie Aufgeblasenheit zum Muth. Zimperlichkeit schwimmt auf der Oberfläche, Bescheidenheit wohnt tief im Herzen. Kleide Dich immer Deinem Alter gemäß, oder eile demselben ein wenig Vorau«. Laß Deine Person da« Jüngste an Dir sein und nicht da» Netteste. Hüten wir un« vor einer Quelle de« Irrthum«, welche wir sehr leicht den Romanschreibern verdanken könnten: Wir, die Frauen, sind hauptsächlich da« Roman lesende Publikum und der Novellist sieht sich daher gezwun gen, seine Heldinnen nach unserm Geschmack zu schaffen. Er will un« nicht gern beleidigen, daher kommt e», daß sogar der männliche Schriftsteller schließlich nur Frauen, wie wir sie haben wollen, für un» erfindet, und ich glaube, eine große Anzahl der jungen Mäd chen von heut zu Tage wird au» diesem Grunde einer Täuschung anhcimfallen. Sie meinen herauSzube- kommen, was da» andere Geschlecht an ihnen bewun dert, während sie in Wirklichkeit doch nur ihre eige nen Ansichten lesen, die ihnen unter einer gefälligen MaSke entgcgengchalten werden.— * * * Neid und Mißgunst sind die gefährlichsten Feinde der Schönheit! Wenn eine Frau c« wüßte wie alt diese Regungen ein Gesicht erscheinen lassen, so würde sie schon au» Eitelkeit ein wenig sorglose HerzenSgüte und Menschenfreundlichkeit herbeirufen. * * * Frohsinn mit Ernst gepaart sind für die Gesell schaft die passendste Stimmung; ich meine damit, daß uns bei aller Lustigkeit doch innerer Halt nicht ver loren gehen dürfe, denn e» ist gewiß, daß lebhaftes Wesen und gute Laune den Vortheilhaftesten Rahmen durch eine Mischung von Ernsthaftigkeit erhalten. Ganz gewiß aber sollte eine Frau sich niemals zur Spöt terin machen! Unsere Art zu sprechen sei nicht geräuschvoll, denn eine „sanfte Stimme" ist eine vorzügliche Eigenschaft de« Weibe« und gut zuzuhören gilt noch al» eine seltenere Kunst, als gut zu sprechen! — * * * Eine häßliche Frau kann niemals hübsch sein. Aber sie kann immer anziehend erscheinen, wenn sie sich nur die Mühe nimmt. Ich erinnere mich eines Mannes, der, ein großer Bewunderer unseres Ge schlechts, mir eine» Tages erzählte, daß eine der be zauberndsten Frauen, die er jemals gekannt habe, nicht allein nicht hübsch, sondern in Bezug auf ihr Gesicht geradezu unschön gewesen sei. „Ihre Figur", berichtete er, „war ebenmäßig, ihr Anzug tadellos, jede ihrer Bewegungen anmulhig, ihre Unterhaltung klug und belebend und sie hegte stets den Wunsch zu gefallen — nicht mir allein erschien sie anziehend, sondern sie war in jeder Gesellschaft ein besonders gern gesehener Gast; sie machte eine vorzügliche Hei- rath und ihr Gatte, ein Staatsmann und Diplomat, betete sie an, als ob sie die Göttin aller Schönheit gewesen wäre!" Dies also hören wir von einer Frau, der die Natur außer einer leidlichen Gestalt, kein ein zige« ihrer sonstigen HülfSmittel verliehen hatte! Müssen wir un« denn nicht überhaupt cingestehen, daß die wenigsten von uns Frauen, die wir doch den Wunsch zu gcsallen in uns tragen, al« Schönheiten auf die Welt gekommen sind? Je weniger jung eine Frau ist, desto größeren Werth sollte sie auf ihre Kleidung legen. Der Anzug älterer Damen erfordert ein aufmerksameres Studium, als cS ihm bis jetzt zu Theil geworden ist. Wie oft hören wir nicht aus dem Munde einer Fünfzigjährigen den Ausspruch: „Die Toilettenfragen sind für mich vorüber," während sie doch recht eigentlich nun erst eine größere Beachtung beanspruchen müßten. Man berechne: von Vierzig zu Fünfundsechzig — da» macht ein Vierteljahrhundert au«! Der Drittheil eines ganzen langen Lebens, den die meisten älteren Leute zu durchwandern haben! und doch, wie selten halten sie es der Mühe werth, auch dann noch anziehend zu erscheinen! — Eine Frau frage vor allen Dingen: waS wird den verständigen und ernsten Männern gefallen, ehe sie sich um den Beifall der Lebemänner bekümmert. Ich meine nicht, daß sie die Ansichten der letzteren voll ständig unberücksichtigt lassen müsse, aber daß sie den selben nicht den Vorrang vor allen Anderen etnräumen soll. In ihrem Bestreben, den ernsten Männern zu gefallen, wird sie weit eher auch die Löwen der Ge sellschaft zu fesseln wissen, als daß eS ihr andererseits gelingen könnte, mit denselben Mitteln, die sie für die letzteren in Anwendung bringt, auch des ernsten Manne- Beachtung zu erlangen. Außerdem bewundert der Salonheld nur solche Dinge an einer Frau, welche mit der Jugend entschwinden; der siebenzigjährige Greis noch wird eine Frau in den Dreißigen für seinen Geschmack al« zu alt erachten. Trachtet eine Frau nach dem Beifall de« Lebemannes, so wird sie, vorausgesetzt, daß sie: piquänt, hübsch und was noch sonst Alle» ist, ihr Scepter zehn Jahre lang führen; aber wenn sie bedenkt, daß sie neben den Reizen der Gestalt, de« Gesicht« rc., auch Reize de« Charakter«, Gcmüth« und Geschmack« haben könne, so werden die echten Männer ihr ein halbe« Jahrhundert lang huld igen. Im Allgemeinen stehen die Beherrscher der Salon» unter dem Einfluß der Beherrscher de« Geiste». * * * Da« sind die zehn Lebensregeln, die bestimmt sind, da» Weib unwiderstehlich zu machen. Druck und Verlag von S. Hannebohn in Eibenstock.