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die Operation de» Luftröhrenschnitt» vor nunmehr zehn Jahren glücklich überstanden hat, seit dieser Zeit ununterbrochen eine Kanüle trägt auch ohne sonder liche Beschwerden den Obliegenheiten seine» Amte gerecht zu werden vermag und sich eine» guten körper lichen Wohlbefinden» erfreut. Möge auch dem Deut schen Kaiser noch ein lange» Leben beschieden und die jetzige Besserung in seinem Befinden von Dauer sein! — Riesa. In einem Hause zu Gröba haben am Sonnabend früh Ratten ein noch nicht 3 Tage alte» Kind angegriffen und in da» Köpfchen desselben 3 Löcher eingefreffen, derart, daß theilwei« da» Ge hirn bloSgelegt worden ist. Auch im Gesicht haben die Thiere dem kleinen bedauern-werthen Wesen, wel che« man glücklicher Weise noch am Leben zu erhalten hofft, und da» sich auf dem Wege zur Besserung befindet, mehrfache Verletzungen beigebracht. — Oschatz. Den denkbar günstigsten Verlauf nahm der erste Tag der 350jährigen Jubel feier unserer Schützengilde. Mit Zapfenstreich am 2. und Revcille und Böllerschüssen am 3. Juni wurde die Feier eingeleitet. Nach dem Vormittag»- gotteSdienst wurden die empfangenen fremden Schützen gesellschaften mit Musik nach der festlich geschmückten Stadt geleitet, wo auf dem Neumarkte nach erfolgter Begrüßung die Abgabe der Fahnen und die Anweis ung der Quartiere erfolgte. Nach kurzer Mittags pause fand die Aufstellung de» Festzuge» in der schattigen Promenade am SiegeSdenkmal statt. Von hier au» bewegte sich der Festzug nach dem Markt platz, wo die Gäste von dem Ehrenpräsidenten der Schützengilde, Bürgermeister Härtung, auf da» Herz lichste begrüßt wurden. Nach weiteren Ansprachen be wegte sich der Zug, welcher ein farbenreiche» Bild bet, durch eine größere Anzahl Straßen nach dem Festplatze. Im Festzuge waren 22 Orte durch 26 Vereine mit 24 Fahnen vertreten. Besondere An ziehungskraft übten die 6 Herolde, die Torgauer „Ge harnischten" und die 4 historischen Festwagcn au». Den Zug eröffneten die „Geharnischten", welche vor Allem an jene Zeit erinnern, zu welcher im Burg- fried de» Schlosse» Hartenfels die angesessenen Ein wohner jederzeit mit Wehr und Waffen bereit sein mußten. Da» Bild de» ersten Festwagens veran schaulichte eine Schützengruppe und bedeutete Otto den Reichen als Förderer de» Schützenwesens (Fürst mit Pagen, ein Vertreter der Gilde aus dem 16. Jahrhundert und 4 Lanzenknechte). Der zweite Wagen stellte die Saxonia mit 4 Rathsherrn der Stadt Oschatz und 4 Pagen, Ehrenslandarten der Stadt tragend, dar. Der dritte Wagen bot eine Jagdgruppe — Diana, die Göttin der Jagd, unter einer beutereichen Jagdgesellschaft nach Schluß der Jagd — und der vierte Wagen zeigte eine Schützen gruppe aus der Rokokozeit. In allen Theilen der Stadt wurden die Gäste von der harrenden Volks menge auf das Freudigste empfangen und überrascht. Nachmittags 4 Uhr begann das JubiläumSschicß-n, welches bis zum 4. Juni Nachmittags 5 Uhr fortgesetzt ward. In dem inmitten de« Schießplatzes errichteten Ga bentempel waren die werthvollen Ehrengaben zur Ansicht ausgestellt. Der 1. Tag des Fester wurde mit einem gro ßen FestkommerS im RathhauSsaale geschlossen. Bei Ge legenheit des Frühstücks im Schützenhause am 1. Juni überreichte Bürgermeister Härtung nach einer An sprache da» von der Stadt der Schützengesellschaft zur Jubelfeier gestiftete Ehrengeschenk, einen in Silber getriebenen schweren Pokal. Vorsteher Zeidler nahm denselben unter warmen Worten de» Dankes in Empfang und benutzte die Gelegenheit, Bürgermeister Härtwig von dem Beschlüsse der Schützengesellschaft, daß sie ihn zum Ehrenmitglied ernannt habe, in Kenntniß zu setzen, die Bitte anfügcnd, diese Er nennung freundlichst annchmen zu wollen. Bürger meister Härtwig trank, nachdem er seine Zustimmung ausgesprochen, auf da» weitere, bisher ja immer be- thätigte gute Einvernehmen der Schützengesellschaft mit der Stadtverwaltung und auf da» stetige Wachsen und Gedeihen der Stadt Oschatz. — Reichenbach. Am 22. April feierten der frühere Schneidermeister Schwabe und dessen Ehefrau ihre diamantene Hochzeit. Nachdem beide Eheleute 60 Jahre lang Freud und Leid getheilt hatten, starben sie auch an demselben Tage. Am vergangenen Sonn tag, Abend« gegen 9 Uhr, starb die 8öjährige Ehefrau, etwa eine Stunde später entschlummerte der 86jährige Ehemann. Ein gemeinschaftliche» Grab hat da» Paar ausgenommen. — Au» Reichenbach schreibt da» „R. W." u. A.: 2. Juni. Die Zigeunerbande, welche seit dem 1. Pfingstfeiertag hier und in einem Theile de« übrigen Bogtlande» ihr Wesen treibt, hat ihre Rundtour von hier über Lengenfeld - Auerbach - Falkenstein - Treuen- HerlaSgrün - Netzschkau beendet und war vorgestern wieder hier eingetroffen und hat im Walde bei dem „kalten Felde" campirt. Die Bewohnerschaft insbe sondere der Dorfgemeinden ist über diesen abermaligen Zuspruch der Nomaden nicht sonderlich erbaut; e» giebt sich im Gegentheil ein unverhohlener Unwille gegen die umherlungernden schmutzigen Gesellen kund, und wir werden von betheiligter Seite veranlaßt, nachstehenden Zwischenfall zu allgemeiner Kenntniß zu bringen. Einige am Donnerstag Abend in der 7. Stunde von hier nach Lengenfeld gehende Frauen hatten auf ihrem Wege die Stelle zu passiren, wo die Zigeuner lagen. Kaum waren dieselben der Frauen ansichtig geworden, so erhoben sich einige halb er wachsene Zigeuner von ihrem Lager, umschwärmten die Frauen, verlangten Geld und ließen nicht eher ab, al» bi» die geängstigten Frauen ihre Börsen ge- l zogen und ihren Tribut entrichtet hatten, den zu j zahlen sie sich angesichts der mit interessirten Blicken > zuschaucnden alten Zigeuner gezwungen sahen, weil sie befürchteten, andernfalls noch Schlimmere» zu er fahren. Dieselbe Belästigung ist, wie diese Frauen erzählen, auch nachfolgenden anderen Personen wider fahren. Gestern Mittag brach die Truppe — eS war dieselbe, welche in der Pfingstwoche im Bürger holze war — ihr Lager am „kalten Felde" ab, passirte unter schutzmannschaftlichem Geleit die Weichbilde unserer Stadt und zog in der Richtung nach Mylau weiter. — In den ersten Monaten d. I. herrschte in Mylau eine TyphuSepidemie mit etwa 90 Krankheitsfällen. Die Ursache derselben ward deut lich erkannt in dem unreinen Wasser eine» Brunnen» an der Gollestraße, da» die Erkrankten genossen hatten. Nach der durch Herrn vr. mell. Polster veranlaßten Schließung de» Brunnen» hörten sofort die Erkrank ungen auf. Jetzt, da man die Gollestraße kanalisirt und den Brunnen gereinigt hat, ist da» Wasser jene« Brunnens wieder rein und genießbar. Die Abfall wasser waren also der Verderber desselben. — In diesem Jahre begeht die vom Kurfürsten Friedrich August III. getroffene SlaatSeinrichtung der Verleihung von Lebensrettungsmedaillen ihr hundertjährige» Jubiläum. Die Veranlassung hierzu war folgender Vorfall: Im September 1788, als die kurfürstliche Armee in der Gegend von Pillnitz zur Feldlagerung und Manöver» zusammengezogen war, hatten zwei kurfürstliche Pagen einen Nachen bestiegen. Dieser schlug um und eS kostete dieser Unfall dem einen der Pagen da» Leben. Der andere, ein Silberpage Marquis Piatti, wurde den Fluthen durch einen Leutnant der Infanterie, welcher au» dem Glieds eine» vorbcimarschirenden Regiments sprang und sich kühn in die Elbe stürzte, mit eigener Lebens gefahr entrissen und gerettet. Für diese» Subordi- nationSvergehen wurde der junge Offizier zwar be straft, jedoch vom Kurfürsten schadlos gehalten und ihm für die Errettung seines Pagen eine Portrait- mün.ze mit der Aufschrift „für Lebensrettung" ver liehen, auch befohlen, zum Ehrengedächtniß diese Münze am Hofbande (gelb-schwarz oder gelb-blau?) zu tragen. Seit dieser Zeit sind, je nach der Qualität der LebenS- rettung und wohl auch des Retters Lebensrettungs medaillen in Kupferbronze (bi« in die 1830er Jahre) und in Silber zur Verausgabung gelangt. Die Verleihung erfolgte durch da» Landesdirektorium. Seit 1838, in welchem Jahre da» Ministerium des Innern als VerlcihungSbehörde genannt wird, scheinen nur- noch Medaillen in Silber geprägt und verausgabt worden zu sein. Unterm 12. November 1838 ver fügte da» Kgl. Finanzministerium zum ersten Male nur die Ausprägung silberner Medaillen an die Kgl. Münze zu Dresden. Diese Medaillen sind von Con- ventionSthalcrgröße, 1'/, kölnische Loth schwer, von feinem Silber und tragen da» Portrait de» jeweiligen Landesfürsten mit Namensumschrift. Auf der Rück seite im Eichenkranze befindet sich die Inschrift: „Für Lebens-Rettung". Die Medaille kann auf ertheilte besondere Erlaubniß am „weißen Bande" getragen werden. Ungefährer Durchschnittsberechnung nach dürften im Laufe der hundert Jahre von 1788 bis 1888 etwa 1800 LebenSrettungS-Medaillen verliehen worden sein. Die Brautfahrt. Humoreske von Bruno Köhler. (Schluß.) Mittlerweile tauchte Han», kräftig schwimmend, wieder auf die Oberfläche de» Wasser» auf, er sah sich nach Julie um, die offenbar ohne Besinnung neben ihm er schien. Box war, al» er sah, daß sein Herr seiner Hülfe nicht bedurfte, zu ihr geschwommen und hatte die au»- gebreitet auf dem Wasser schwimmenden Locken der Komtesse erfaßt, um sie auf diese Weise dem Laude nahe zu bringen. Han», der die bedenkliche Prozedur wahr nahm, kam ihm zu Hülfe, und da er im nächsten Augen- blicke wieder Boden unter seinen Füßen fühlte, währte e» nicht lange, so erschien er mit Julie am Ufer und legte die Besinnungslose auf den Rasen nieder. Die Gräfin war der Verzweiflung nahe, sie glaubte, ihre Nichte sei ertrunken. Han» und Franziska suchten sie zu beruhigen und machten ihr begreiflich, daß nur eine Ohnmacht sie umfangen halte. Gleich darauf schlug auch die Komtesse die Augen auf und strich sich mit der Hand die nassen Locken au» dem Gesicht, die sich aller ding» nicht mehr al» solche präsentirten. Ihr erster Blick ! fiel auf Box, der ebenfal» am Ufer angelangt war und etwa« Verdächtige» im Maule hielt, daß er durch hefti ge» Schütteln mit dem Kops von dem daran haftenden Wasser zu befreien suchte. Mit einem markdurchdring- enden Schrei der Empörung sprang Julie auf, griff nach ihrem Haupt, und da sie mit Entsetzen wahrnahm, daß Box ihren blonden Lockenchignon apportirt hatte, verhüllte sie mit beiden Händen ihren Kopf, wandte sich schnell ab und eilte in raschem Lauf dem Schlosse zu. Fran- zirka und die Gräfin folgten ihr ebenso erschrocken, nach dem letztere noch den vergeblichen Versuch gemacht hatte, Box den seltsamen Fund zu entreißen. Han», der nicht begriff, wa» die Komtesse so schleunig I in die Flucht getrieben hatte, wandte sich nach Box um, 1 der jetzt zu ihm kam und gewissenhaft seinem Herrn 1 da» gefundene Objekt zu Füßen legte. Mit laut schall endem Lachen nahm ihm dieser den wassertiiefenden Lockenchignon ab, erfaßte ihn behulsam mit zwei Fingern und verfügte sich ebenfall» in» Schloß. Eine Viertelstunde war vergangen, Han» war eben damit fertig geworden, sich umzukleiden, al» der alte Diener an seine Thür pochte und ihm von der Gräfin einen Brief überbrachte. Diese zeigte ihm darin an, daß Komtesse Julie von einem heftigen Fieber befallen worden sei und daher voraussichtlich auf längere Zeit nicht mehr ihr Zimmer verlassen könnte. Bedauernd fügte sie noch hinzu, daß auch sie dadurch nicht mehr in der Lage sei, sich ihren Gästen zu widmen. In küh le» Worten empfahl sie sich ihm und bat noch, daß er seiner Mutter einen verbindlichen Gruß von ihr überbrin gen möge. Mit immer vergnügter weidendem Gesicht hatte Han» den Brief zu Ende gelesen. Er sprang jetzt lebhaft auf, um im nächsten Augenblick seinen Koffer zur Hanv zu nehmen und die nassen Sachen hineinzupacken. „Hurrah, Box, wir heirathen die Komtesse nicht!" rief er fröhlich dem großen Bernhardiner entgegen. „Wir reisen auf der Stelle ab und Schloß Palzow sieht un» nie wieder!" „Da» habe ich Dir zu danken, Box, Dir und dem blonden Lockenchignon!' Unter herzlichem Lachen und in fieberhafter Aufregung war er mit seiner Arbeit'zu Ende gekommen, al» ihm einfiel, daß er sich ebenfalls schriftlich empfehlen müsse. Schnell waren einige zere monielle Zeilen an die Gräfin auf'» Papier geworfen, worin er bat, der Komtesse sein Bedauern über den Unfall anSzudrücken und ihr beifolgenden, im Wasser verlorenen und von Box herauSgefischten Gegenstand wieder zuzustellen. Darauf packte er die blonden Locken, die er zum Trocknen auf da» Balkongeländer gehängt hatte, in ein große» Couvert und händigte e» mit dem Briefe dem auf sein Klingeln erscheinenden Diener zur Besorgung ein. Einige Minuten darauf hielt auf der Rampe de» Schlosse» ein eleganter offener Wagen. Fräulein von Stetten hatte mit betrübtem, niedergeschlagenen Gesicht darin Platz genommen. Der Kutscher wollte gerade seine Pferde anziehen lassen, Franzirka hatte eben noch dem Mädchen, da» ihre Gepäckstücke heraufreichte, eine Em pfehlung an den Herrn Leutnant aufgetragen, al» sie rasche, sporenklirrende Schritte auf dem Hausflur deS Schlosser hörte. Schnell legte sie ihre Hand ans den Arm deS Kutscher-, ihn dadurch zum Halten zwingend. DaS Blut drang ihr siedend zu Kopf und Herzen, als im selben Moment HanS zur Thür herauStrat. „DaS nenne ich noch zur rechten Zeit kommen!' rief dieser fröhlich aus; dabei setzte er seinen Koffer zur Erde und ließ Box neben sich zur Thür hinankspringen. „Mein gnädige» Fräulein," sprach er weiter, „ich habe Sie in meinem Wagen mit hierhergebracht, wollen Sie mich nicht dafür in dem Ihrigen wieder fortnehmen?' Franziska schien im ersten Augenblick ganz verwirrt über die von ihm mit so drolligem und zugleich so bit tendem Ausdruck hervorgebrachle Frage. „Aber Herr von Prawitz,' antwortete sie mit unterdrückter Freude, doch im zögernden Tone, „mein Weg ist ja nicht der Ihrige, ich kehre nach Grubow zu meinen Eltern zurück!" „Dort führt auch meine Marschroute vorbei!" ent gegnete er bestimmt. „Zudem mache ich mit Vergnügen einen kleinen Abstecher, um dem alten Freund meiner Vaters einen Gruß zu überbringen und mich noch wegen deS durch Box verursachten Schaden» Ihre» Wagens zu entschuldigen, dann kann ich auch mit diesem Gefährt weiter zur nächsten Bahnstation gelangen. Hier brennt mir der Boden unter den Füßen," setzte er in gedämpf- tem Ton hinzu, „ich sehne mich nach dem Augenblick, die» Schloß im Rücken zu haben, denn, Gott sei Dank! ich habe hier nichts mehr zu suchen! Also bitte, mein Fräulein, lassen Sie mich nicht so allein zurück!" „Nun, wenn Sie so schön bitten, kann ich unmöglich Ihren Wunsch unerfüllt lassen," rief sie ihm heiter lach- end entgegen; dabei öffnete sie selbst den Wagenschlag. Mit einem FreudenauSruf reichte Han» dem Kutscher seinen Koffer auf den Bock — schwang sich in den Wagen und seinem Box freundlich entgegenschnalzend, rief er glückstrahlend dem Kutscher zu: „Alle» fertig, vor wärts!" Rasselnd fuhr der Wagen die Rampe hinunter. Unter dem Sandsteinportal angelangt, warf Han» noch einen Blick auf daS Schloß zurück, dabei war eS ihm, alt verschwänden plötzlich zwei Frauengestalten von einem der Fenster de» ersten Stocke». Die beiden glücklichen Menschen, die jetzt im Wagen, heiter plaudernd, auf der Landstraße dahinrollten, wollen wir nicht mehr in dem Gespräch stören, auch nicht die verdutzten Gesichter der Eltern de» Fräulein» von Stetten beschreiben, al» diese mit „bewaffneter Macht" so unver hofft wieder zu Hause anlangte. Nach gegenseitigem Austausch der Begebenheiten wurde HanS von dem jo- Violen, liebenswürdigen Herrn Baron von Stetten ein geladen, einige Tage bei ihm zu bleiben, wa» natürlicher weise von Han» mit großem Vergnügen accepjirt wurde. Au» den paar Tagen wurden zwei Wochen, da auch Franzitka» Mama, gleich dem Herrn Papa, von der