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sagt, eine spezielle Abschätzung derUeberschwemm- ungS-Schäden und der Staatsbeihilfe sei noch nicht möglich, aber mindesten» 100,000 Menschen seien für längere oder kürzere Zeit au« ihren Wohn stätten vertrieben, Tausende von Gebäuden zerstört oder doch schwer beschädigt, weite Strecken Landes versandet und verwüstet, die Wintersaat vernichtet und die Sommerdestellung unmöglich geworden. — Frankreich. Bei der am Sonntag im Norddepartement (Lille) vollzogenen Deputirten- wahl haben von 363,93b eingeschriebenen Wädlern 267,530 ihre Stimmen abgegeben. Davon erhielten Boulanger 172,528, Foucart (gemäß. Republ.) 75,901 und Moreau (demok.-soz.) 9647 Stimmen. Boulanger ist mithin gewählt. Derselbe wird sonach al» Erkorener von 172,000 Wählern seinen Einzug in die französische Deputtrtenkammer halten und den Sumpf de» französischen Parlamentarismus muth- maßlich in heftige Bewegung versetzen. Dabei mag denn allerlei zum Vorschein kommen, wa» bisher, den Augen der Welt verborgen, ein beschauliches Dasein fristete und den Boulangistcn neue» Material in ihrem Kampfe gegen die Republik liefern soll. ES kann aber auch sein, daß die aufgestörtcn Sumpfgase, an statt der Republik den Tod zu bringen, gerade zu einer Reinigung der republikanischen Atmosphäre füh ren und damit den boulangistischen FeldzugS-Plan wie ein Kartenkau» über den Haufen werfen. Aeußerlich stehen die Chancen de» Wahlsiegers vom Sonntag allerdings für den Augenblick verlockend genug. Man darf eben nicht vergessen, daß eS sich um französische Persönlichkeiten und französische Vorgänge handelt und daß in Frankreich seit dem Hereinbruche der soge nannten „großen" Revolution vor nun bald hundert Jahren die Regel politischer Entwickelung zur Aus nahme und die Ausnahme zur Regel geworden ist. ES mag nun den an der Spitze der Republik stehen den Persönlichkeiten noch so ernst sein mit dem Vor sätze, sich zu ermannen, jedenfalls scheint die derzeitige Lage Frankreichs nicht darnach angethan, unS Deutsche sorglos in die Zukunft blicken zu lassen. Das Auf steigen des BoulangiSmuS ist ein Symptom für die zunehmende Unberechenbarkeit der französischen Ver hältnisse, für den absoluten Mangel an Stabilität. Frankreich mag auf friedlichen Bahnen verharren, eS kann aber auch ganz unversehens auf den Pfad der KriegSabenteuer sich gedrängt finden. Die Entscheid- und dessen liegt nicht mehr in fester Hand, in festen Institutionen, sondern im Bereiche bloßer Zufällig keiten. Ein Zwischenfall an der Grenze, eine Tann häuser-Aufführung, ein Straßenkrawall, die Wahl eines Mannes wie Boulanger kann den Anstoß zu Konse quenzen geben, deren Tragweite sich aller Berechnung entzieht. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. Am Montag Abend entfernte sich von hier der beim hiesigen Postamt seit ca. einem halben Jahre angestellte 26 Jahre alte Postassistent Johannes Heisterborg, gebürtig au« AhauS in Westfalen, wegen begangener Veruntreuung von Postgeldern. Die Höhe der unterschlagenen Beträge ist zur Zeit noch nicht bekannt, da die Unter suchung noch schwebt. Ebenso ist der Aufenthalt de« rc. Hcisterborg bi» jetzt noch unermittclt. — Eibenstock. Da die Austragung der Ein kommensteuerzettel nunmehr erfolgt ist, wird nachkommende tabellarische Uebersicht zur Vergleichung willkommen sein. in Steuerklasse: 1 bei einem Einkommen von: Steuersatz über 300 bis 400 M. — M. 50 Pf. 2 „ 400 „ 500 „ 1 „ — „ 3 „ 500 „ 600 „ 2 „ — „ 4 „ 600 „ 700 „ 3 „ — „ 5 „ 700 „ 800 „ 4 8 „ 800 „ 850 „ 6 " — 7 „ 850 „ 1100 „ 3 „ — „ 8 „ 1100 „ 1250 „ 11 „ — „ 9 „ 1250 „ 1400 „ 14 „ — ,. Il> „ 1400 „ 1800 „ 11 „ II „ 1600 „ 1300 „ 22 „ — „ 12 „ 1900 „ 2200 „ 30 „ — „ 13 „ 2200 „ 2500 „ 38 „ — „ 14 „ 2500 „ 2800 „ 48 „ — „ 15 „ 2800 „ 3300 „ 59 „ — „ 16 „ 3300 „ 3800 „ 1« -- — „ 17 „ 3800 „ 4300 „ 94 ., — „ 18 „ 4300 „ 4800 „ „ 18 „ 4800 „ 5400 „ 136 „ — „ 20 ,. 5400 „ 6300 „ 162 „ — „ 21 „ 6300 „ 7200 „ 189 „ — „ 22 „ 7200 „ 8400 „ 216 „ — „ 23 „ 8400 „ 9600 „ 252 „ — „ 24 „ 9600 „ 10800 „ 288 „ — „ 25 „ 10 800 „ 12 000 „ 324 „ — „ 28 „ 12 000 „ 14 000 „ 360 „ — „ 27 „ 14000 „ 16000 „ 420 „ — „ 28 „ 16000 „ 18000 „ 480 „ — „ 28 „ 18000 „ 20 000 „ »so „ 30 „ 20000 „ 22 000 „ «00 „ — „ 31 „ 22 000 „ 24 000 „ 660 „ — „ 32 „ 24 000 „ 26 000 „ 720 „ — „ 33 „ 26 000 „ 28000 „ 780 „ — „ 34 „ 28 000 „ 30000 „ 840 „ - „ — Dresden. Einem bestimmt auftretenden Vernehmen zufolge soll Se. kaiserl. königl. Hoheit Kronprinz Wilhelm am 23. d. hier zu einem Besuche eintreffen, um bei der an diesem Tage, Ge ¬ burtstag Sr. Majestät de» König», stattfindenden Pa ¬ rade auf dem Alaunplatze sein ihm vor einigen Tagen erst verliehene» 2. Grenadier-Regiment „Kaiser Wil helm" persönlich vorzuführen. — Dresden. Wie bereit» mitgetheilt wurde, ist dem Projekt der Errichtung eine» stehenden CirkuSgebäude» auf dem Terrain zwischen der Grunaer- und Pirnaischenstraße feiten» der Königl. I Kreishauptmannschaft die Genehmigung versagt wor- j den. Nichtsdestoweniger tritt derselbe Gedanke bereit» i jetzt von Neuem hervor und zwar, wie man nicht wird leugnen können, in glücklicherer Form. Nach dem jetzt vorliegenden neuen Projekte soll ein größerer CirkuS au» massivem Material in Verbindung mit einem Panorama und den nothwendigen Restaura- tionSräumlichkeiten auf den vereinigten Terrain« der Grundstücke Ostraallee 24 (sogen. Maxpalai«) und Ostraallee 30 erbaut werden. Zur Erwerbung de» ersteren Grundstücks hat bereit« Se. Majestät der König, speziell auch zu dem erwähnten Zwecke, seine Einwilligung gegeben, und ebenso ist daS.zweiterwähnte Grundstück käuflich erworben. Der Bau soll nach den Plänen eine» gleichen Etablissement« in Stockholm zur Ausführung gelangen, nur mit den Abänderungen, welche da« hiesige Terrain erfordert. Da« Gebäude selbst würde auf da» ca. 13,000 Quadratmeter um fassende Terrain hinter dem Maxpalai« zu stehen kommen, während das letztere. selbst erhalten bleibt und als Wohnräume Verwendung finden soll. Die recht« und links daselbst befindlichen langgestreckten Seitengebäude sollen niedergerissen und dadurch eine Ein- und Ausfahrt, jede zu 10 Meter Breite nach dem Cirku« rcsp. Panorama führend, hergestellt werden. Der Garten de» PalaiSgrundstückeS stößt an seiner nordöstlichen Seite an da« kleine Ostragchege und soll in Verhandlung getreten werden über Zulassung eine« Ausweg« nach dem daselbst befindlichen Privat wege. Zu der Vereinigung von Capitalistcn, welche dieses Unternehmen in'S Leben rufen will, gehören u. A. CirkuSdirektor Herzog, welcher augenblicklich in Köln Vorstellungen giebt, und Architekt Planer, Be sitzer deS Panoramas deutscher Colonien in Berlin. Beim hiesigen Rathe sind bereit« die auf da« Projekt bezüglichen Vorlagen zur Genehmigung eingereicht. — Leipzig, 16. April. Am heutigen Morgen durcheilte die hiesige Stadt das Gerücht, daß in der Nähe de« hiesigen Berliner Bahnhofe» ein Mann ermordet aufgefunden worden sei. Diesem Ge rüchte liegt folgende« Thatsächliche zu Grunde. Als am heutigen Morgen einige auf einem am Viadukte des hiesigen Berliner Bahnhofes gelegenen Stein metzarbeiterplatz beschäftigte Arbeiter zur Arbeit kamen, fanden sie unter einer mehrere Centner schweren Platte einen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren stehenden Mann todt auf. Sofort wurden die Be hörden benachrichtigt, und sind noch zur Zeit die kriminalpolizeilichen und staatSanwaltschaftlichen Er örterungen im vollsten Gange. Nach der Lage und aem sonstigen vorläufigen Befunde de« Tobten, sowie allen bisher ermittelten Umständen läßt sich nämlich noch nicht« sagen, ob hier ein Unglücksfall, oder ein Verbrechen vorliegt. Für beiderlei Annahmen liegen einige Anhaltepunkte vor. Die Person de« Todlcn, welcher noch eine bedeutende Summe Gelbe« bei sich hatte, ist bisher noch nicht rekognoSzirt worden und scheint derselbe dem Professionistenstande angehört zu haben. Er trug braunen Sommerüberzieher und Hut und wurde bekleidet mit dunklem Rock, eben solcher Weste und schwarzem Beinkleide aufgefunden. Die Sektion dürfte zunächst weitere Anhaltepunkte an die Hand geben. — Unterm 17. d. wird hierüber weiter gemeldet: Im Anschlüsse an unsere gestrige Mittheilung, den hierorts ausgesundcncn Leichnam betreffend, können wir heute mittheilen, daß die Per sönlichkeit de« Tobten als die eine« au« Nossen stam menden, zuletzt in Dessau gewesenen Schriftsetzers fcstgestellt worden ist und allem Vermuthen nach ein Selbstmord, jedoch kein Verbrechen, vorliegt. Räthsel- hast bleibt immer noch die Art de» gewählten Tode« und hat vermuthlich der Tobte die einige Centner schwere Steinplatte, unter welcher er gesunden, auf sich geworfen. — Reichenbach i. V. Ein hoffnungsvoller 17 Jahre alter Jünger Merkur», mit Namen Max Dietzel von hier, Sohn achtbarer Eltern, war am 12. April beauftragt worden, einen Brief, in welchem außer anderen Werthpapieren auch 10,000 Mark in Baarem sich befanden, nach Mylau zu tragen. An statt aber den ihm gewordenen Auftrag pflichtgemäß zu erfüllen, mißbrauchte er da» in ihn gesetzte Ver trauen, ging nach Hause, zog bessere Kleider an, ver ließ darauf die elterliche Wohnung wieder, wechselte auf einem hiesigen Bankgeschäft einen Tausendmark schein gegen kleinere Münzen um und ist seitdem spurlos verschwunden. Obschon die Polizeiorgane sofort von dem Vorfall in Kenntniß gesetzt worden, ist e» noch nicht gelungen, dem jugendlichen Uebel- thäler auf die Spur zu kommen. Al« Dietzel am > Sonnabend im Geschäftslokal der ReichSbankneben- I stelle Hierselbst erschien, um, wie er fälschlich aussagte, I „im Auftrage seine» Chef«" einen Tausendmarkschein gegen kleinere Kasse cinzutauschen, erhielt derselbe auSgehändigt: 300 Mk. in Doppelkronen, 200 Mk. in Kronen, und an völlig neuen, noch nicht im Ver kehr gewesenen 20-Markscheinen lüt. 6. von Nr. 443,886 bi« mit 443,910. Er schob da» Geld ohne weitere» in die rechte äußere Ueberziehertasche. Die vorstehend ersichtliche genaue Kennzeichnung der in den Besitz de» Betrüger» gelangten Reichskassenscheine kann, fall« derselbe solche ausgegeben, dazu beitragen, der Anfangsrichtung de» Wege«, welchen der Flücht ling genommen und bezüglich dessen man bi« jetzt noch keinerlei bestimmten Anhalt hat, auf die Spur zu kommen. Außer den vorgenannten tausend Mk. hatte der Verfolgte, al« er die Flucht antrat, noch folgende Werthe bei sich: einen Tausendmarkschein, 8000 Mark in Hundertmarkscheinen und ungefähr 13,000 Mk. in Wechseln, darunter 1 Point zu 4000 Mk., 1 Point zu 3000 Mk. und 2 PointS zu 1000 Mk. Der Rest bestand au» kleineren Beträgen. — Reichenbach, 16. April. Anher gelangter telegraphischer Meldung zufolge ist der der Unter schlagung ihm anvertrauter Gelder bezichtigte, seit Donnerstag voriger Woche auf der Flucht befindliche HandlungSlchring Max Dietzel von hier in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag in Riesa aufgegriffen und sofort verhaftet worden. Bon den mitgenomme nen Geldern hat rc. Dietzel in dem Zeitraum von 2 Tagen, welcher zwischen dem Antritt seiner Flucht und seiner Verhaftung gelegen ist, 200 Mark ver braucht. Der übrige Betrag der mitgenommenen Baarschaft, (9800 Mk.), ingleichen auch die Wechsel sind in seinem Besitz vorgefunden worden. Der Arrestat wird demnächst hier durch lranSportirt und an die Königl. StaatSanwaltschasi Plauen abgeliefert werden. Dietzel hat sich fälschlicherweise den Namen „Max Müller" beigelegt. Das Geständniß. Novelle»« von Gustav Hölter. Herrn Hardtfelder'S Nachtessen, welche« stet« Schlag sieben Uhr bereit stehen mußte, dampfte schon längst auf dem Tische und noch war der Prinzipal nicht au« seinem Comptoir heraufgekommen. Die Haushälterin, die dem alten Junggesellen die Wirtschaft führte, begab sich da her die Treppe hinab, um ihn zu rufe». Sie öffnete schüchtern die Comptoirtbüre und da fand sie den Prin zipal und dessen ersten Buchhalter Prachwitz in heftigem Wortwechsel. Sie hörte eben, wie Herr Hardtfelder dem Buchhalter mit Entlassung drohete, und zog sich unbeach tet wieder zurück, da ihr der Augenblick zu einer Mahn ung an die Cssen«zeit nicht geeignet erschien. Al« sie nach einer halben Stunde wieder herab kam, fand sie zu ihrem größten Entsetzen Herrn Hardtfelder vor dem ge öffneten Geldschranke leblos am Boden liegen und dicht neben ihm ein eiserne« Lineal. Mit dem Rufe: „Mör der! Hilfe!" stürzte die Frau auf die Straße hinan« und bald entstand vor dem Hause ein solche« Menschen gedränge, daß sich die Polizei nur mit Mühe Bahn zu brechen vermochte. Die Haushälterin berichtete dem Kom missär ausführlich, wa« sie gesehen und gehört hatte. Durch den Lärm war auch au« einem nahen Wirth-Hause der Bureau- und Kassendiener de« Geschäft« herbeigelockt worden. Er erklärte dem Polizeibeamten, daß da« neben dem Ermordeten Vorgefundene eiserne Lineal dem Buch halter gehöre. Da man den Geldschrank offen gefunden hatte, so ward sogleich der Baarbestand desselben ausge nommen, der sich auf wenig über hundert Thaler bezifferte. Nach Angabe de« Bureaudiener« fehlten elftausend Gul den, die er heute selbst bei einem Bankier eingewechselt haben wollte. Der Kommissär begab sich nun sofort nach der Wohnung de« Buchhalter« Prachwitz. Dort fand er dessen kranke Frau in wilden Fieberphantasien im Belt liegen; eine Krankenpflegerin suchte einen etwa vierjähr igen Knaben zu beschwichtigen, der sich vor der Mutter fürchtete. Prachwitz war, nach Autsage der Krankenwär terin, vor etwa dreiviertel Stunden sehr aufgeregt nach Hause gekommen, hatte ihr mitgetheilt, daß er plötzlich verreisen müsse, aber bi« gegen Morgen zurück zu sein hoffe, und war dann wieder gegangen. Bald trug der Telegraph da« Signalement de« Buchhalter« und den Befehl zu seiner Verhaftung über alle von der Residenz auslaufenden Eisenbahnlinien. Auf der letzten Station vor der nahen österreichischen Grenze wurde Prachwitz in dem nur schwach besetzten Zuge ergriffen. Sein Fahrbillet lautete auf Wien und in seiner Brieftasche fanden sich die elftausend Gulden, welche in Hardtfelder'« Kaffen schranke fehlten. Die gericht-ärztliche Untersuchung ergab, daß Hardt felder mit dem eisernen Lineale einen Schlag auf den Kops erhalten hatte, der seinen sofortigen Tod nach sich ziehen mußte. Prachwitz wurde de« Verbrechen« ange klagt: seinen Chef ermordet und die elftausend Guidon au« dem Kassenschranke entwendet zu haben, um sich mit der geraubten Summe zu flüchten. Der Angeklagte, welcher bisher eine« unbescholtenen Ruse« genoffen und Hardtfelder'« ganze« Vertrauen besessen hatte, betheuerte seine Unschuld. Seine Darstellung de« Sachverhalte« war folgende: Ein Berliner Getreidespekulant hatte in Ungarn große Einkäufe an Getreide gemacht, welche- in Extrazügen nach Berlin verladen wurde. Hardtfelder halte in seiner Eigenschaft al- Spediteur die Frachtgelder an der letzten Grenzstation in österreichischem Beide an den Station-chef zu bezahlen. Damit der letzte, telegraphisch avifirte Extra zug auf der stark fequentirten Trenzstation nicht wieder über Gebühr lange zurückgehalten werde, wie die- bei den vorhergehenden Zügen der Fall gewesen war, sollte einer der Hardtfelder'schen Commi«, Namen- Marquardt, hin-