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Local« und sächsische Nachrichten. — Eibenstock, 27. Februar. Am vergangenen Sonnabend fand im „Englischen Hof" Hierselbst die vierjährige Generalversammlung de« hiesigen Erz- gebirg«-Zweigverein« statt. Der Jahresbericht ergab, daß im verflossenen Geschäftsjahre von der Au«- führung größerer Unternehmungen abgesehen werden mußte, da die Mittel de« Verein» für die nächste Zeit zur Deckung der für den Bielhau«-Bau entstandenen Kosten besonder« in Anspruch zu nehmen sind. Diese Kosten vergrößerten sich bekanntlich noch im letzten Berein-jahre, weil sich zur nothwendigen Bewirth- schaftung der Bielhalle ein kleiner An- und Ausbau für Küche, Keller rc. nothwendig gemacht halte. Da der Verein noch im Besitz einer größeren Anzahl von Aktien ist, so wurde beschlossen, dieselben in geeigneter Weise unterzubringen, und haben diejenigen Mit glieder und Freunde des Erzgebirgsverein«, welche die Bestrebungen desselben besonder« fördern wollen, durch Abnahme solcher Gelegenheit, dieselben auf da» wirk samste zu unterstützen. Die Zahl der Mitglieder de« Verein« betrug im vergangenen Jahre 122. Ein Ankauf von Anteilscheinen für den Fichtel- hauSbau konnte für den Verein im Hinblick auf die eigenen finanziellen Verpflichtungen nicht beschlossen werden, jedoch bleibt e« jedem Mitglied« unbenom men, bei einer später erfolgenden Aufforderung sich an diesem vaterländischen Unternehmen zu betheil igen. Eine Petition de» Bruderverein» Chemnitz wegen besserer ZugSverbinkungen auf der Aue- Chemnitzer Linie fand die allgemeinste Zustimmung der Versammlung. In den Vorstand wurden wiever- resp. neugewählt die Herren: Kaufmann L. Gläß al« Vorsteher, Buchdruckereibesitzer Hannebohn al« Stellvertreter, Gerichtsschreiber Gruhle als Schrift führer und Rendant Böhme al» Kassirer. Der Ausschuß besteht au« den Herren: Kaufm. A. Seyfert, Kaufm. L. Kühn, Kaufm. G. Schlegel, Lehrer Kempf, Kausm. G. Emil Tittel und Stadlkassircr B e g e r. — Leipzig. Mit einem seltenen Leichtsinn setzte am 19. September v. I. der Bäcker Gustav Emil Hengst au« Grüna bei Chemnitz sein Leben und die Sicherheit eine« ganzen Eisenbahnzuge« aus'« Spiel. Er war beauftragt worden, ein Fuhr werk von Reichenbrand nach Grüna zu fahren und kam gerade bei dem Uebergange der Chemnitz-Reichen- bacher Bahn gegen 7 Uhr Abend« an, al« der von Chemnitz kommende Kourierzug sich näherte. Eigen mächtig öffnete er, trotzdem der Bahnwärter abwinkte, den schon herabgelassenen Schlagbaum und trieb sein Roß mit Ungestüm über die Schienen. Nur dem Umstande, daß eine Privatperson den auf der anderen Seite befindlichen Schlagbaum schnell öffnete, ist e« zu danken, daß kein Zusammenstoß erfolgte. Die solcher Weise bewiesene Frivolität glaubte da« Land gericht Chemnitz etwa« nachdrücklich ahnden zu müssen, denn c« verurtheilte den Bäcker Hengst zu zwei Mo naten Gesängniß. Die von dem Angeklagten einge legte Revision, in welcher behauptet wurde, e« liege nur ein strafloser Versuch vor, wurde, wie da« „Leip ziger Tageblatt" berichtet, vom 3. Strafsenat de« Reichsgericht« verworfen, da da» Gesetz nur eine Ge fährdung, nicht aber eine Beschädigung eine« Eisen bahntransporte« verlangt. — Chemnitz. Der ärztliche BezirkSver- ein hiersclbst veröffentlicht eine „zur Aufklärung" überschriebene Bekanntmachung, welche sich über die gegenwärtig in Chemnitz herrschende ThphuSepi- demie ausspricht und zur Beruhigung de« Publikum« mittheilt, daß der Unterleibstyphus keine ansteckende Krankheit sei, sofern von Denen, welche mit TyphuS- kranken zu thun haben, die nöthige Reinlichkeit be obachtet werde. Ferner wird noch die in der Stadt verbreitete Annahme, daß da» Wasser unserer städt ischen Wasserleitung die Ursache der gehäuften Er krankungen sei, als durchaus unberechtigt zurückge wiesen und schließlich betont, daß die bisherigen ärzt lichen Erfahrungen die gegenwärtige Epidemie al« eine auffallend leichte erkennen lassen. Die Sterblichkeit sei daher auch eine so niedrige, wie man sie sonst beim Thphu» in Chemnitz nicht beobachtet hat. Der Hoffnung, welche in den Schlußworten der Bekannt machung ausgesprochen wird: „So werden wir, wenn sonst die Bevölkerung den Kopf oben behält, ohne besondere Schädigung au» dieser Kalamität hervor gehen", schließen auch wir un« von ganzem Herzen an. — Die Adler-Apotheke in Chemnitz, welche sich seit 14 Jahren im Besitze der Stadt befand und die auf Beschluß der städtischen Collegien zum Ber kaus gestellt worden ist, gelangte am 22. d. M. zur Versteigerung. Da« Höchstgebot im Betrage von 415,200 Mk. hat Herr Apotheker Max Leuchter au« Berlin gethan, doch ist der Zuschlag noch nicht erfolgt, da e« den städtischen Collegien Vorbehalten ist, sich bei Aufstellung der Kaufsbedingungen über die Person de« Käufer« schlüssig zu machen. Diese Apotheke gehörte früher dem Ende 1873 verstorbenen Apotheker Eduard Bruhm, welcher sie testamentarisch der Stadt gemeinde vermacht hat unter der Bedingung, daß die selbe 40,300 Thaler --- 120,900 Mk. zu dem Nach lasse zahlt und da« Apothekergcwerbe auf eigene Rech nung oder durch einen Pächter mindesten« noch 12 Jahre fortbetreiben lasse, ferner auch die errichtete Bruhm'sche Familienstiftung im Betrage von 5000 Thaler — 15,000 Mk. zur Verwaltung übernehme. Alle« die« ist geschehen und zwar nicht zum Schaven der Stadt. — Treuen. Kürzlich verbarg ein hiesiger Weber I sein Vermögen, bestehend in harten Thalerstücken, in s dem Feuerherde de« Ofen«. Seine Frau, welche f etwa» eher nach Hause zurückgekehrt war, fand die Temperatur daselbst zu niedrig und beschloß, ein Feuer im Ofen zu machen, wa« sie that, ohne den im Feuer herde verborgenen Schatz zu bemerken. Al« nun kurz darauf der Mann in die Stube trat und da» hell auflodernde Feuer im Ofen bemerkte, riß er erschrocken die Ofenthüre aus und riß die Feuerung mit beiden Händen au« dem Herde in die Stube. Die erschreckte Frau war höchlichst besorgt um ihren Mann über dessen seltsame Handlungsweise, doch wurde ihr die Lage bald klar, al« die harten Thalerstücke in die Stube fielen. — Dem KreiSturnrath vom vierzehnten Turn kreise, Sachsen, ist cS bi« zur Stunde noch nicht gelungen, eine Stadt zu finden, welche da» zweite Kreisturnfest zu übernehmen geneigt wäre. ES ist dafür die Veranstaltung einer KreiSturnfahrt beschlossen worden, die, wegen der Schwierigkeit, einen geeigneten Ort zur Aufnahme aller der nach Tausen den zählenden KreiSturnfahrer zu finden, und in Rücksicht auf die möglichste Einfachheit und Billig keit derselben in vier Gruppen stattfinden soll. Der Geist der Einheit und Zusammengehörigkeit, der üb rigens auch in der Turnordnung für die Turnfahrt seinen äußeren Ausdruck findet, wird auch dann die Turner umschlingen, wenn sie getrennt marschiren. Indem der KreiSturnrath die Gaue und Vereine de« XIV. TurnkreiseS zu recht zahlreicher Theilnahme dazu einladct, erläßt er in der .Turnzeitung" folg ende Bestimmungen, nach welchen die erste KreiSturn fahrt einzurichten ist: 1) Die KreiSturnfahrt findet am HimmelfahrtStage, Donnerstag den 10. Mai, statt und ist auf diesen einen Tag zu beschränken. 2) Sie soll Gelegenheit zu einer mehrstündigen rüst igen Fußwanderung bieten und in ihrer ganzen An lage einen einfachen und turnerisch-volkSthümlichen Charakter tragen. 3) Die Eintheilung der vier Grup pen geschieht in der Hauptsache nach den vier Kreis hauptmannschaften. 4) Da« Ziel jeder einzelnen Gruppe, ein Berg, Thal oder Wald, soll elwa in der Mitte der Kreishauptmannschaft und, wenn mög lich, zur leichten Verpflegung und Unterkunft bei ein tretendem Regen in der Nähe eines größeren Ortes liegen und von allen Punkten unschwer zu erreichen sein. 5) DaS Turnen wird in folgender Ordnung abgehalten: u. allgemeine Freiübungen, an denen alle Turnfahrer theilnehmen sollen, b Wettturnen nach der deutschen Wettturnordnung im Hochspringen, Weit springen, Steinstoßen und Ringen, c. Turnspiele, und zwcr „Dritten abschlagcn", „Grenzball", „Wander ball", „Katze und Maus" und „Barrlauf". 6) Mit der besonderen und selbstständigen Einrichtung der Turnfahrt der Gruppe, Kreishauptmannschaft Zwickau, ist da» KreiSturnrathS-Mitglied, Herr Oberlehrer Schettler-Auerbach, der Turnrath de« Turnvereins Chemnitz und der Gauturnrath de« TurngaueS Chem nitzer Umgebung beauftragt. 7) Zur Deckung der nothwendigsten Kosten hat jeder Theilnehmer der Turn fahrt einen Beitrag von 25 Pf. zu leisten. — Nach einer kürzlich ergangenen Verordnung de« königl. Ministerium des Innern ist auch in neuerer Zeit wieder zu bemerken gewesen, daß eine nicht geringe Zahl von Schadenfeuern durch Kinder verursacht worden ist und aus den statist ischen Zusammenstellungen der BrandversicherungS- kammer hat sich sogar ergeben, daß diese Fälle sich in den Jahren 1885/86 gegen die Vorjahre vermehrt haben. ES läßt sich annchmen, daß in vielen dieser Fälle ein unvorsichtige« Gebühren mit Zündhölzchen stattgefunden hat, welchem hätte vorgebeugt werden können, wenn bei Aufbewahrung der Zündhölzchen größere Sorgfalt beobachtet und mehr darauf Bedacht genommen worden wäre, dieselben den Kindern weniger leicht zugänglich zu machen. Aus Anordnung de« königl. Ministerium de« Innern wird daher von den Regierungsbehörden anderweit aus die mit einer un vorsichtigen Aufbewahrung und Beaufsichtigung der Zündhölzchen verbundene Gefahr und aus die daraus erwachsende Verantwortlichkeit, sowie aus die in der Dorf-Feuerordnung vom 18. Februar 1775 enthaltene diesbezügliche Strafandrohung aufmerksam gemacht, zugleich aber auch daraus hingewiesen, daß eine Außer achtlassung der dieSsallsigen, insbesondere den Haus haltungsvorständen obliegenden Verpflichtung unter Umständen auch zu crimineller Bestrafung führen könne. In einem schwachen Augenblick. z Bon Aithui Zapp. I <7. Fortsetzung.) „Deine Geschichte ist etwa« lang," warf vr. Werner ungeduldig werdend ein. „Aber für mich ei» wahrer Genuß, sie zu erzählen,' lachte der Maler. „Und glaube mir, sie wird auch bald Dein Interesse erregen. Ich folgte dem jungen Mädchen, dabei mich soviel al« e« angiug an der entzückenden Erscheinung labend. Ich fürchte, meine Bewunderung erregt ihre Aufmerksamkeit und nicht minder ihr Mißfallen. Un- glücklicherweise entstand in einer Straße, welche meine Schönheit pasfirte, ein Auflauf bei einer umgestürzten Droschke und bei dieser Gelegenheit wußte sich die junge Dame meinen bewundernden Blicken zu entziehen. Ich suchte die Promenade ab, durchkreuzte alle Straßen, blickte in alle Läden — vergeben«, von der schönen Un bekannten keine Spur. Aergerlich kehrte ich »ach Manen walde zurück und beschäftigte mich zunächst damit, ihre lieblichen Züge nach der Erinnerung auf dem Papier zu fixiren. Dabei war ich fest entschlossen, nicht früher diese Gegend zu verlassen, bi« ich die Unbekannte wieder gefunden haben würde. Du kannst Dir denken, welchen Eindruck ihr hübsche» Gesicht auf mich gemacht haben muß, einen alten Junggesellen wie mich derartig zu entflammen. Ich durchstreifte die ganze Umgegend von Marienwalde und Liebenbad, aber immer ohne Resultat, bi« ich vor ungefähr einer Stunde, al» ich zufällig ein gewisse« Hau« pasffite, mein Ideal an einem Fenster stehen sah. Ich trat in die nächste Restauration ein. nm mich zu eikundigen, wer in dem Hause wohne. Dann ging ich zurück und —" .Hagen," rief der Doktor voll Unruhe au«, .wa« hat da« alle« zu bedeuten?" „Da« bedeutet nicht« andere«, al« daß da« gewisse Hau« diese« Hau« ist und daß ich in dem Bewohner desselben zu meiner nicht geringen Freude meine» alten Freund Eberhard Waltersdorf wiedererkannte und schließ lich, daß ich mm die Absicht habe, die Bekanntschaft Deine« reizenden Töchterlein« zu machen, die mich so sehr entzückte.' „Die Bekanntschaft meiner Tochter — meine Alma," schrie der Doktor in zorniger Entrüstung. „Mensch, bist Du von Sinnen!" .Von Sinnen! Wieso, mein Freund? Warum sollte ich die Bekanntschaft Deiner Tochter, Deiner Alma, nicht machen?" Die Stimme de« Maler» halte plötzlich eine» anderen Klang angenommen, e« war etwa« darin, da« den Doktor wie die Spitze eine« scharfgeschliffenen Dolche« berührte. „Hältst Du — Du mich vielleicht nicht für würdig genug dazu?' fragte er mit spöttischem Lachen. vr. Werner antwortete nicht sogleich. Sein Gesicht wurde glühend roth und gleich darauf von tiefer Bläffe überzogen. Jeder Nerv iu seinem Körper zuckte und ohnmächtiger Grimm schüttelte seine Glieder. .Mensch,' rief er au«, von seinem Sitz aufspringend und sich an den Rücken de« Stuhle« anlehnend, .Mensch, sage mir die Wahrheit: Warum bist Du hier?" .Einfach, um Deine Bekanntschaft zu erneuern,' antwortete Kurt Hagen, indem er ruhig lächelnd zu dem andern hinübersah. .Für die Gegenwart ist da« alle«. Hoffentlich wirst Du mir ein Willkommen unter Deinem Dache nicht versagen." Der Doktor maß da« kleine Zimmer mit hastigen Schritten, während die bittersten Gedanken auf ihn ein stürmten. Noch wenige Stunden vorher halte er an die Prophezeiung seine« Kinde« geglaubt, daß nun glücklichere Zeiten für ihn kommen würden. In einer Hinsicht hatte e« sich ja auch erfüllt, nun aber kehrten die dunklen Schatten au« seiner Vergangenheit, die er für immer begraben gewähnt hatte, plötzlich wieder und drohten, seine ganze Zukunft zu vernichte». Er dachte an die Worte, die er vor einer Stunde gesagt hatte: „Heute wollen wir un« einen vergnügten Abend machen, Alma!' Da« Bild seiner Alma trat vor sein geistige« Auge, die in diesem Moment im andern Zimmer ungeduldig auf ihn wartete, während ihre Gedanken sich mit den rosigen Bildern einer glücklichen Zukunft beschäftigten. Wenn sie geahnt hätte, welchen Seelenkampf ihr Vater indeß durchzukämpfcn hatte! Der Doktor blickte nach seinem Gast hinüber, unter dessen glattem, aber nicht ungefälligem Aeuhern sich ein Abgrund von Gemeinheit und Egoi-mu« barg. .Dich in meinem Hause willkommen zu heißen, ist mir unmöglich — das weißt Du so gut, wie ich. Ebenso wenig, wie der Delinquent seinen Henker willkommen heißen kann, ebenso wenig kann ich Dich hier freudig begrüßen. Dein Anblick, magst Du e« nun beabsichtigen oder nicht, macht mich in meiner ohnehin elenden Lage noch hoffnungsloser." .Elend — Deine Lage?' erwiderte der Maler spöttisch, indem er seine Blicke im Zimmer umherschweifen ließ. „So elend kommt mir Deine Lage nun gerade noch nicht vor, viel eher behaglich und komfortabel." „Komfortabel!' rief vr. Werner mit einem traurigen Lächeln au«. Al« Mann von Welt solltest Du wissen, daß man oft nur mit der mühseligsten Anstrengung und unter den bittersten Entbehrungen der Welt gegen über den Schein von Wohlhabenheit aufrecht erhalten kann." .Ich kenne dergleichen Lagen, wo man dazu ge zwungen ist, sehr wohl, mein lieber Werner — ü propc» wunderst Du Dich nicht, wie gut ich mir bereit« Deinen neuen Namen angeeignet habe — aber, so viel ich weiß, ist da« nicht Dein Fall.' „Nicht mein Fall?' fiel der Doktor ein. „Ich schwöre Dir, daß mein letzte« Leben«jahr eine ununter brochene Kette von bitteren und mühevollen Kämpfen war, denen ich wohl unterlegen wäre, wenn nicht der Gedanke an meine Tochter mich aufrecht erhalten hätte.'