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Großherz. Hoh., zweiter Sohn de» regierenden Groß herzog» Friedrich und seiner hohen Gemahlin, der einzigen Tochter de« greisen Kaiser» Wilhelm, ist der Lungenentzündung, von welcher er befallen war, erlegen. Prinz Ludwig Wilhelm war geboren am 12. Juni 1865 und stand somit im dreiundzwanzigsten Jahre seine« Leben«. Derselbe studirte gegenwärtig auf der Hochschule zu Freiburg i. Br. Er bekleidete Len Rang eine« Sekondelieutenant« im 1. Garde-Ula- nen-Regiment und wurde außerdem ü la suitu de» 1. badischen Leib-Grenadier-Regiment« Nr. 109 ge- sührt. Bor wenigen Tagen meldete der Telegraph, daß der jugendkräftige Prinz von. einer Lungenent zündung befallen worden. Seine hohe Mutier, die einzige Tochter Kaiser Wilhelm», beeilte sich, von dem Schmerzenslager de« Kronprinzen, ihre» Bruder«, zu dem kranken Sobne zu eilen; indessen bevor die er lauchte Frau noch Freiburg erreichte, starb der Prinz. In unser Kaiserhaus wird der Heimgang de» Enkel« einen neuen, tiefen Schatten tragen, die unerforschliche Fügung de» Schicksals trifft da« Hohenzollerngeschlecht in unseren Tagen mit schmerzlicher Wucht. — Nach allem, wa« sowohl au« Petersburg wie auS London und Wien über da» Ziel der jetzt bevor stehenden diplomatischen Aktion zur aus wärtigen Lage verlautet, verlangt Rußland zunächst einen Akt internationaler Justiz von den Mächten, der in einem gemeinsamen UrtheilSspruch über den Prinzen Ferdinand und den Zustand Bulgarien» im Allgemeinen bestehen soll. Von einer etwa nöthig werdenden Vollstreckung diese» Spruche» ist zur Zeit noch nicht die Rede. — Wa» ist nun von den im Gange begriffenen Verhandlungen über die russischen Wünsche in Bulgarien zu hoffen? — da» ist die Frage, die heute unsere Politiker beschäftigt. Die einen sind ge neigt, Rußland auf dem Wege de» Einlenken» in die friedliche Verständigung mit den Mächten zu erblicken, die anderen sehen nicht» andere» al» ein Manöver, den förmlichen Bruch hinauSzuschicben, ihn aber regel recht vorzubereiten. Bi« zu einer gewissen Etappe, so sagen sie, wird sich ja da« Ziel Rußland» mit dem Wunsche der Mächte vereinbaren lassen; e» ist denkbar, daß alle» in bestem Einvernehmen bliebe bi» zur Erklärung der Pforte an den Prinzen Ferdinand, daß er ungesetzlich sei und da» Land zu verlassen habe. Von hier ab würde e» aber mit der Einigkeit wahr scheinlich schlecht bestellt sein; denn wenn Prinz Fer dinand ginge — wa» sehr unwahrscheinlich ist —, wer würde im Lande die Ruhe erhalten? Und wenn Prinz Ferdinand bliebe — wa» vorauszusehen —, wer sollte ihn au» dem Lande jagen? Jeder Versuch, diese Frage zu beantworten, zeigt un» die Wahrschein lichkeit der hier beginnenden Zwietracht unter den Mächten und läßt un» den Zeitpunkt erkennen, den Fürst Bismarck in seiner letzten großen ReichStagS- rede andeutete, den Zeitpunkt der großen Entscheidung, bei welcher Rußland infolge seiner Truppenanhäuf ungen an seiner Südwestgrenze in der Lage wäre, seiner Stimme im europäischen Areopag da» volle Gewicht zu verleihen. Also selbst wenn man da vorsichtige Hervortreten Rußland» aus den Boden der Verhandlungen für aufrichtig und von keinem Hinter gedanken eingegeben ansieht, so wird man sich — so führt die „Köln. Ztg." au» — nicht allzusest in den Glauben einleben dürfen, al» treibe die bulgarische Frage nunmehr von der Gefahr ab, die sie für den Frieden hatte; vielmehr ist die Frage nur flott ge worden und treibt der gefährlichen Klippe nunmehr zu, wobei wir allerdings die Hoffnung keineswegs aufgeben müßten, daß sie schließlich glücklich an ihr vorbeigebracht werde. — Belgien. In der belgischen Rcpräsen- tantenkammer richtete am 21. d. der Deputirte Neujean eine Anfrage an die Regierung über die von verschiedenen Blättern gebrachten Nachrichten von dem Abschluß von Verträgen zwischen Belgien und einer auswärtigen Macht, Nachrichten, denen er übrigen« keinen Glauben beimesse. Der König könne nicht ohne seine Minister handeln, mit derartigen Behauptungen schreibe man dem Könige und den Ministern eine lhörichte und verbrecherische Haltung zu. Der Artikel der Verfassung über da« Recht, Verträge abzuschließen, sei älter al» der Ver trag von London, welcher die beständige Neutralität Belgien» proklamirt, deshalb könne Belgien über ein Bündniß mit irgend Jemand weder verhandeln noch ein solche» abschließen. Er habe diese Frage an die Regierung nur gerichtet, um derselben Gelegenheit zu geben, da» Ausland hierüber aufzuklären. Der Mi nister de» Auswärtigen, Fürst von Chimay, erwiderte: Die Beantwortung dieser Anfrage sei leicht: e» habe sich nicht» geändert, kein Vertrag und auch kein sonst ige» Abkommen sei getroffen worden. Belgien bleibe seinen Neutralisation»pflichten treu und Niemand habe versucht, e» hiervon abzubringen, e» sei bedauerlich, zu sehen, daß einige Blätter au« Opposition hartnäckig da» Mißtrauen de» Auslandes gegen Belgien zu erregen suchten. (Allseitige Zu stimmung.) Neujean sprach der Regierung seinen Dank für diese entschiedene Antwort au«, welche Je dermann zufrieden stellen werde. — Italien. Da» Journal „Lsercito" macht auf französische Truppenansammlungen an der itali enisch französischen Grenze aufmerksam und sagt, die Regierung sei über die Vorbereitungen zur Konzen- trirung von Kriegsmaterial jensett« der Grenze voll ständig unterrichtet und verfolge wachsamen Auge« diese Maßnahme, welche durch die Haltung Italien« von keinem Gesichtspunkte au« gerechtfertigt erschiene. Wa» von der Landgrenze gesagt werde, verstehe sich natürlich auch von der Seegrenze. Local« und sSchfische Nachricht««. — Eibenstock, 24. Februar. Gestern erhielt die hiesige Bäckerinnung, welche sich seit dem Jahre 1886 neu organisirt hat, einen Zuwach« von 6 neuen Meistern, welche zwar schon seil längerer oder kürzerer Zeit selbstständig, jedoch erst jetzt in den Innung»verband eingctreten sind. Nach Absolvirung de« Meisterstücke» wurden die Betreffenden in der Wohnung de« Obermstr. Hrn. Fiedler und in Gegen wart de« Hrn. Bürgermeister Löscher vor offener Lade verpflichtet, worauf unter Mitführung der Bcr- ein»banner und eine» Musikcorp« ein von Meistern und Gesellen auSgeführker Umzug stattfand. In dem Zuge waren noch vertreten ein Schlitten mit 4 Kin dern, welche einen Korb mit Meisterstückwaare mit führten, sowie 10 junge Mädchen, welche die übrigen 5 Körbe trugen. Die neuen Meister sind die Herren: I Siegel, Schmidt, Bochmann, Bleyer, I Schönselder und Friedel. Für den Abend war , Ball im Saale de« .Feldschlößchen" arrangirt, der den Abschluß dieser Feier bildete. — Dresden, 22. Febr. Da» „Dr. I." schreibt: Dem Vernehmen nach ist Se. Königl. Hoheit Prinz Georg an einem leichten Luftröhrenkatarrh erkrankt und wird voraussichtlich genölhigt sein, einige Tage da« Zimmer zu hüten. E« mußte daher auch ein größeres Diner, da« gestern im Prinzlichen Palai», Langestraße, stattfinden sollte, wieder abgesagt werden. — In diesem Frühjahr soll da» neue homöo pathische Krankenhaus auf der Sidonienstraße zu Leipzig eröffnet werden. Dieses ist da« erste und zugleich einzige Spital Deutschland«, in welchem mittelst Homöopathie geheilt wird. Da» Gebäude ist ganz au« privaten Mitteln errichtet worden. ES wurde eine Summe von 245,000 Mk., wovon Baron Al- phon» v. Hoffmann in London allein 150,000 Mk. stiftete, aufgebracht, die auch für Grund und Boden, Bau und innere Einrichtung de» Gebäudes aufge gangen ist. Der Betrieb soll gleichfalls mit privaten Geldern ausgenommen werden. Freilich tragen die Kurkosten der Patienten mit zur Unterhaltung bei; trotzdem aber werden in den ersten beiden Betriebs jahren ca. 16,000 M. Unterhaltungskosten gebraucht. — Chemnitz. Da sich in Folge der vielen Typhuserkrankungen in hiesiger Stadt die Zahl der dem hiesigen Albert-Zwcigverein zur Verfügung stehenden Albertinerinnen zur Befriedigung der an den Verein gerichteten Pflegegesuche unzulänglich er wies und vom Hauptverein Dresden Schwestern nicht entbehrt werden konnten, hat sich der Vorstand de» hiesigen Albert-ZweigvereinS an daS Diakonissinnen- hau« der Herrnhuter Kolonie NieSky, an den unter Leitung der Frau Gräfin Rittberg stehenden HilfS- schwcstervcrein vom rothen Kreuz zu Berlin und an den Albert-Zwcigverein zu Leipzig um Unterstützung durch zeitweilige Ueberlassung von Pflegeschwestern gewandt und sind solche von allen drei Vereinen dem hiesigen Albert-Zweigverein bereitwilligst zur Verfüg ung gestellt worden. Dieselben sind auch hier bereit« in Thätigkeit getreten. Im Falle noch größeren Be darfes ist auch die Ueberlassung weiterer Schwestern in Aussicht gestellt. — Zwickau. In den „Dresdener Nachrichten" befand sich kürzlich eine Nachricht, daß in hiesiger Stadl unter der Civilbevölkerung der Typhus herrsche, über diese Epidemie aber die hiesige Lokal presse sich auSschweige. Diese Nachricht hat hier all gemein befremdet, da Niemand etwa» von einer solchen Epidemie — abgesehen von den Typhu«erkrankungen unter der Garnison, — weiß, vielmehr der Gesund heitszustand der hiesigen Civilbevölkerung ein sehr befriedigender und die Sterblichkeitsziffer dabei eine sehr niedrige ist. Zur Richtigstellung jener, Zwickau'» Gesundheit-Verhältnisse in ein ungünstige» Licht setzen den Nachricht war solche» zur weiteren Kenntniß ge bracht worden. — Der bisherige Hüttenwardcin in Mulden- hütten, F. Burggraf, ist in voriger Woche wegen Unterschlagung gefänglich eingezogen worden. Die Sache macht in Freiberg peinliche« Aufsehen und erregt umso größere Entrüstung, al« Burggraf, der unverheirathet und bei einer etat-mäßigen Besoldung von 3200 Mk. gut situirt ist, nur au« Habsucht die Unredlichkeiten beging, die theilweise bi« zum Jahre 1885 zurückdatiren. — Wie viel Unglück in noch nicht Jahre«frist I über einen Familienkreis hereinbrechen kann, ersieht I man an der Familie Kaden in Hartmannsdorf. I Im Juli v. I. starb der etliche 40 Jahre alte Guts besitzer Kaden, am 28. Januar d. I. brannte Ha- Gut der Wittwe nieder, und am vorigen Sonnabend wurde die Wittwe beerdigt, sechs Waisen hinterlassend. — Lin erschütternder Unglückrfall er eignete sich am 20. Februar Nachmittag« 2 Uhr am Eisenbahnübergange bei Posten E. L. 1 in Ebers bach b. Löbau. In der Verlängerung de« Wegüber gange« befindet sich ein Hohlweg, in welchem die Kinder de« Bahnwärter« Teich Schlitten fuhren. Teich hatte sich bereit- auf seinen Posten begeben, um den ankommenden Zug zu erwarten, al« die Kinder da- Verbot de« Vater«, während der Vorbeifahrt de« ankommenden Zuge« nicht zu fahren, nicht achteten, oder wohl nicht verstanden hatten, in dem vorgenannten Hohlwege herab, unter der geschlossenen Barriere hindurch und aus den Uebergang gefahren kamen. Da Teich sein Augenmerk auf den ankommenden Zug und aus einem im Geleise gehenden Beamten gerichtet hatte, so sah er die Gefahr, in welcher zwei seiner Kinder schwebten, erst im letzten Augenblicke, und e« war ihm bei eigener Lebensgefahr nur möglich, ein« seiner Kinder zu ergreifen und bei Seite zu schleudern, während da» andere, ein etwa 4 Jahre alter Knabe, vor den Augen de» Vater» von der Maschine erfaßt und zerfleischt wurde. Der Knabe, welcher ganz ver stümmelt war, starb wenige Minuten darauf. — In Betreff der Bildung von Kranken träger-Kolonnen im Falle einer Mobilmachung wird von unterrichteter Seile Folgende» »litgctheilt: E« sind hauptsächlich an solchen Orlen Kolonnen zu bilden, an welchen sich Bahnhöfe befinden. Der Dienst in den Kolonnen befreit vom Dienst im Landsturm; auch wird eine entsprechende Vergütung von ca. 2 Mark pro Tag gewährt. Die sich Anmeldenden haben Stand, Geburtsjahr und Dienstoerhältniß anzugeben. Sobald sich eine Kolonne gebildet, wird derselben In struktion, Lehrmittel, Utensilien, überhaupt alle», wa» zur Ausrüstung einer solchen Kolonne gehört, zuge- theilt. Ferner ist eine Unterstützung der Familien der Kameraden, welche den Krankenträger-OrtSkolon- nen beigetreten, nicht ausgeschlossen. Weiter diene noch zur Aufklärung, daß Ortskolonnen formirt wer den, sobald ein Krieg ausbricht, auch wenn der Land sturm noch nicht zur Einziehung gelangt. Vermischte Nachrichten. — Königsberg. Eine hochherzige That hat in diesen Tagen die verdiente Belohnung gefunden. Am 28. Juli v. I. fiel ein ohne Aussicht am Pregel spielende« dreijährige» Kind in den Fluß. In dem nahen Garten de» Löbenichtschen Hospital» befanden sich zu dieser Zeit die Gattin de« Herrn Ober- und KorpS-AuditeurS Eibisch nebst der einzigen, jugend lichen Tochter. Letztere sah kaum die Gefahr, al» sie sich auch schon über da« an jener Stelle über 5 Fuß hohe, nicht den geringsten Anhaltepun't ge währende Bohlwerk in den Pregel stürzte, auf da» Kind zuschwamm und dasselbe so lange über Wasser hielt, bi» vom jenseitigen Ufer einige Männer ein Boot losgemacht hatten unk Kind und Retterin auf nahmen. Jetzt ist der hochherzigen Reiterin vom Könige unter ausdrücklicher besonderer Anerkennung ihre» braven Verhalten» die Rettungsmedaille am Bande verliehen worden. Herr Oberpräsident von Schlieckmann überreichte am Dienstag Abend auf einer bei ihm statlfindenken Ballfcstlichkeit ker Retterin diese Auszeichnung. — Protest slawischer Mädchen. Eine eigen- Ihümliche Art von Protest einer Haustochter gegen eine mißliebige Verheirathung hat sich aus alter Zeit bei den Südslawen erhalten. Die Eltern wollen da« Mädchen einem Manne geben, welchen eS haßt. Da da« Mädchen keine Bekanntschaft mit einem jungen Manne hat, der e«, wie sonst üblich, entführen könnte, will c» dem verhaßten Joche entfliehen und gelangt zu dem verzweifelten Gedanken, einfach da» Eltern haus zu verlassen und mit ihrem Hab und Gut in ein fremde» Hau» zu flüchten. In da» fremde Hau» tretend, spricht sie kein Wort, sie nähert sich mit stum mer Unterwürfigkeit dem häuslichen Herd und schürt da» Feuer in demselben. Die Familienmitglieder de» betreffenden Hause» find sofort über die Situation im Klaren, sie wissen, daß da» Mädchen seinen Eltern entfloh, sie wissen, daß da» Mädchen sich ihnen un terwirft und, zu ihnen flüchtend, ihren Schutz begehrt. Man erinnert sich keine» Falle«, daß ein solche« Mäd chen von der Familie, in welche e« sich flüchtete, ab gewiesen und in da« Elternhaus zurückgesührt worden wäre. Ein Grund dieser Erscheinung ist jene unend liche Gastfreundschaft, welche sich bei den Montene grinern in der reinsten Form erhalten hat. E« ge hört sogar zu den seltensten Fällen, daß ein zu der beschützenden Familie gehörender Jüngling sich gewei gert hätte, da« geflüchtete Mädchen zu heiralhen. — Al« Prinz Wilhelm an Donnerstag vor. Woche, Nachmittag gegen 5 Uhr in Berlin die Pots damer Straße entlang ging, geschah da« Ungeheuer liche, daß der neben ihm einherschreitende Adjutant von einer Dame entwaffnet wurde. Und da« ging, wie ein Augenzeuge berichtet, folgendermaßen zu: Al« Prinz Wilhelm mit seinem Adjutanten in die Nähe der Eichhornstraße gelangte, kam ihnen eine Dame entgegen, welche so dicht an dem Letzteren vorbeischrit«, daß sich der Griff seine« Degen» in den Falten ihre« Kleide« verfing und durch da» Weiterschreiten der Dame die Klinge au« der Scheide gezogen wurde. Erschreckt blieb in Folge dessen die „Altentäterin" stehen, und während der Adjutant den ihm „entrisse-