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leicht letzten Versuch, da- Werk jener dunklen Wühler zu durchkreuzen, welche de« Czaren Ohr besitzen und seine Hand lenken. Di» Nothwendigkeit der vorsteh enden Veröffentlichung scheint der sicherste Bcwei«, daß bisher alle Mühe, den Czaren zur Versöhnlichkeit zu stimmen, ohne Erfolg geblieben. — Sehr gespannt darf man auf die Wirkung sein, welche die Veröffentlichung in Rußland ausüben wird. Nach den erst vorgestern wieder au» Petersburg ein getroffenen Meldungen führt Rußland fort, mit allen Kräften zu rüsten und Anleihen zu Stande zu bringen, wozu Frankreich Hülfe leistet. Gleichzeitig wird aber russtscherseit« versichert, daß, so lange Deutschland ruhig bleibe, ein Angriff ihm von keiner Seite drohe. Wenn man bedenkt, daß ganz dasselbe Spiel mit Wor ten abwechselnd gegen Deutschland und gegen Ocster- reich-Ungarn beliebt wird, nichtsdestoweniger aber so wohl gegen Deutschland wie gegen Oesterreich-Ungarn die Rüstungen fortgehen, so ist eS schwer, an die Ehr lichkeit einer die Maßnahmen auf militärischem wie auf finanziellem Gebiete begleitenden diplomatischen Dialektik zu glauben, zumal wenn man sich erinnert, daß auch in dem Jahre, welchem da» deutsch-österreich ische Bündniß seine Entstehung verdankt, eine diplo matische Zweideutigkeit sondergleichen von russischer Seite Pläne zu verhüllen bestimmt war, die al« den Frieden bedrohende sowohl von deutscher wie von öster reichisch-ungarischer Seite unschwer erkannt wurden. In dem Artikel III. de« Vertrages ist die Ge schichte der Entstehung de« Bündnisse« mit einer ge radezu großartigen Einfachheit dargelegt, gleichzeitig aber enthält auch dieser Artikel den Schlüssel zu dem jetzigen Vorgehen der verbündeten Regierungen, ihre friedlichen Absichten, die sie beim Abschluß des Bünd nisse« leiteten, außer Zweifel zu stellen, um wenig sten« darüber nach allen Seiten Klarheit zu schaffen, wer den Frieden bedroht. * * * Ucber den Eindruck, den die Publikation im AuS- lande gemacht, liegen folgende Nachrichten vor: London, 4. Februar. Die „Time«" bezeichnet die Veröffentlichung de« österreichisch-deutschen Bünd- nißvertrage« al» einen Zwischenfall, dessen ernste Be deutsamkeit im gegenwärtigen Augenblick sich unmög lich unterschätzen lasse. E« entstehe jetzt die Frage, ob die Veröffentlichung de« VertragStexteS einen klugen Rückzug oder ein entschlossenere« Vorgehen Rußland« veranlassen werde. — Der „Standard" betrachtet die Veröffentlichung al« eine an Rußland gerichtete un zweideutige Warnung vor der Gefahr, die e« bei einem Friedensbruch lausen würde. Der Brüsseler russisch-offiziöse „Nord" sagt in einem Postskriptum zu der Veröffentlichung de» deutsch-österreichischen Bündnißvertrage«: Wenn sich auch auf den ersten Blick nicht übersehen lasse, wie die Veröffentlichung einer gegen Rußland gerichteten Abmachung eine Beruhigung hervorbringen könne, so sei nicht« desto weniger zu wünschen, daß die Ver öffentlichung die friedlichen Folgen haben möge, die man in Wien und Berlin erwarte. Hagesgeschichle. — Deutschland. Der Nachtrag zum Mili täretat umfaßt zwar die ganze Kreditforderung von 278 Millionen, doch soll, wie au« den Motiven her vorgeht, für den Etat de« nächsten Jahre« zur Ver zinsung der Anleihe nur die Summe von 2,800,000 Mark eingestellt werden. ES würde demnach also nur ein Theil der Summe, etwa 80 Millionen zur Be gebung kommen, während die Summe von 200 Millio nen gleichzeitig zur Verfügung gestellt wird. — Vom Kronprinzen. Nach Meldungen verschiedener Blätter hatte da» letzte Konsilium der Aerzte in San Remo ein weniger befriedigen de« Resultat, al« allgemein angenommen wurde. Mackenzie« letzte Aeußerung, daß eine Operation un- nöthig sei, erfuhr nach diesen Quellen eine Einschränk ung dahin, sie sei momentan unnöthig, später sei vielleicht der Luftröhrenschnitt dennoch noth- wendig. Einem Interviewer soll Mackenzie erklärt haben, e« sei fast gewiß, daß Krebs nicht vorhanden sei, jedoch sei auch Perichondriti« nicht gefahrlos, da sie die Athmung hemme. Man werde nun sagen: wenn die Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) nölhig würde, so sei durch die Aufhebung der KrebSdiagnose nicht gewonnen. Dies ist falsch. Während Krebs unheilbar ist und durch Blutvergiftung zum Untergange führt, kann Perichondriti« geheilt werden. ES ist ganz gut möglich, daß die Athmung«cannule wieder entfernt werden kann. Nach der Tracheotomie besteht die Ge fahr nur noch darin, daß eine Kehlkopsschwindsucht oder ein allgemeiner Kräfteverfall eintrilt, was jedoch keineswegs unvermeidlich ist und jedenfalls Jahre er fordert, wenn nicht ein besonder« ungünstiger Verlauf sich zeigt. Mackenzie reist Freitag ab und kehrt in einigen Wochen zurück. Er rühmt sich nicht, Recht behalten zu haben, obwohl er schon im Mai in Berlin betonte, daß kein Beweis für Krebs vor handen sei, wa« in einem Separatprotokoll vom November unter dem Hinzufügen, daß eine mikroskop ische Untersuchung erforderlich sei, wiederholt wurde. Insofern stehen die deutschen Aerzte gerechtfertigt da, al« sie stet« vor Unterschätzung de» Leiden« und vor optimistischer Auffassung warnten. — Au- den deutschen Bundesstaaten. In Greiz besteht ein Kriegervercin, welchem trotz wiederholten Nachsuchen« eine Statutenänderung da hin nicht gestattet wurde, daß er auch jüngere ehe- I malige Soldaten, d. h. solche, welche die Feldzüge I 1870—71 nicht mitgemacht haben, oufnehmen dürste. Er ist somit zum Aussterben bestimmt. — Ferner besteht ein Militärverein. Dieser feiert nur den Geburtstag de» Landesherrn, nicht aber den de» Kaiser«. Da« letztere geschah nur einmal infolge eine» gegen den Wunsch des Vorsitzenden zu Stande gekommenen Beschlüsse«. Er besteht zu einem großen Theil au» Beamten und diesen ist ohnehin untersagt, an irgend einer Feier des 2. September sich zu be theiligen. Eine Anzahl gedienter Soldaten, welche außer der Treue gegen den Landesherrn auch der Treue gegen ihren Kaiser und Kriegsherrn, dem sie unbedingten Gehorsam geschworen haben, Ausdruck geben wollen, sind zusammengetreten, um einen — bi« jetzt nach langer Frist jedoch noch nicht genehmigten — neuen Militärverein zu gründen, welcher als Vereinszeichen Schleifen in schwarz-roth- gelber Landesfarbe nahm. Diesem Verein trat der provisorische fürstliche Steueraufseher Lippold, welcher sein Freiwilligenjahr in Dresden abgedient hatte, bei, und unterzeichnete dessen Statut. Da» veranlaßte die fürstliche Regierung, ihm seine Stelle zu kündigen, wobei ihm mündlich eröffnet wurde, daß dies der einzige Grund sei und daß man mit seinen Leistungen vollkommen zufrieden gewesen sei. — Wie jetzt aus Greiz gemeldet wird, hatte sich Lippold sodann um Uebernahme in den preußischen Staatsdienst beworben. Seine Uebernahme war ihm darauf zugesichert worden, nur möge er von fürstlicher Regierung ein Zeugniß, und namentlich die Angabe des EntlassungSgrundeS erbringen. Die Ausstellung eine« solchen wurde ihm von fürstl. Regierung verweigert mit der Motivirung, daß sie einem in Auftrag«- oder Vorbereitungsdienst angestellten Beamten kein Zeugniß auszustellen brauche. Herr Lippold hat sich darauf an da« preußische Finanz ministerium gewendet, und ist nunmehr verfügt worden, daß er nach erfolgter Entlassung au« dem gegenwärt igen Dienstverhältnisse al« kommissarischer Grenzauf seher in Altona unter Anrechnung seiner zurückge legten Dienstjahre gegen Bewilligung de« vorgeschriebc- nen Diensteinkommens (dasselbe übersteigt da« jetzige gerade um die Hälfte) definitiv «»gestellt werde. ES ist ihm nur noch aufgegebcn worden, näher bezeichneten OrtS seine thatsächlich erfolgte Entlassung au» dem bisherigen Dienstverhältnisse nachzuweiscn, ohne daß eS hierzu eine» Zeugnisses der Fürstlich Reuß-Plau- ischen Landesregierung und namentlich der Angabe de» EntlassungSgrundeS bedürfe. — Rußland. Ein offiziöser Artikel der „Neuen Zeit" versucht, die militärischen Maßnahmen Rußland» in Polen als bloßen VertheidigungSzwecken dienend hinzustellen und bemerkt, Rußland brauche nicht einen Fuß breit deutschen Lande», werde «der auch keinen Fuß breit seines Landes abtreten. „Von tiefer Friedensliebe erfüllt, verhehlen wir nicht, daß wir un» nur zur Vertheidigung vorbereiten; so lange Deutschland ruhig bleibt, droht ihm von keiner Seite ein Angriff." — Krakau. Die Nachrichten der letzten Tage au» Rußland lauten sehr kriegerisch. Sämmt- liche Bahnhöfe Polen» wurden durch Militär« ge messen, um zu ermitteln, wie viel Militär unterge bracht werden kann. Unter dem Militär herrscht die Ueberzeugung, daß die russische Armee längsten« bin nen vierzehn Tagen vormarschiren oder eine gegen Preußen und Oesterreich gerichtete Stellung einneh men werde. SSchstfche Nachrichten. — Dresden. In Antonstadt hat sich eine Frau durch da« Tragen giftig-gefärbter rothwollencr Strümpfe an einem mit einer offenen Wunde ver sehen gewesenen Fuße eine starke Blutvergiftung zu gezogen. Zuerst hat dieselbe einen Ausschlag am ganzen Körper bekommen und jetzt schwebt sie in Gefahr, da« eine Bein ganz zu verlieren. — Eine gräßliche Szene spielte sich am Freitag Mittag in der in Chemnitz auf dem Neustädter Markt befindlichen Menagerie de« Herrn Falk ab. E« wurde in einem großen Käfig die Dressur eine« Bären, dreier Wölfe und einer Hyäne durch eine Thierbändigerin, die Tochter de« Besitzer«, au«- geführt. Hierbei erfaßte der Bär die Bändigerin mit seinen Tatzen und brachte ihr an Brust, Hal» und Schultern nicht unerhebliche Verletzungen bei. Darauf eilte der Bedrängten ein Wärter zu Hilfe, doch auch dieser wurde von dem Bären erfaßt und verletzt. Auch der Besitzer, welcher sich zur Hilfe der l Beiden in den Käfig begab, hatte dasselbe Schicksal. Nunmehr eilte da« übrige Wärterpersonal herbei und trieb die wilden Bestien mit eisernen Stäben In einen Winkel, so daß e« den drei bedrängten und verletzten Personen möglich wurde, den Käfig zu verlassen. Die Verletzungen der Personen sollen theilweise nicht un bedeutend sein. Aerztliche Hilfe war schnell bei der Hand. — Freiberg. Die hiesige k. Staatsanwaltschaft erläßt folgende Bekanntmachung: „Mitte Oktober vorigen Jahre« haben in Hainichen vier unbekannte Frauenspersonen in Nonnentracht milde Gaben zu einem Fond für Errichtung eine« Waisenhauses ge sammelt, eine EinzeichnungSliste vorgelegt, die Höhe eingezeichneter Beträge aber durch Vorsetzung einer I in die Markspalte verfälscht, um spätere Geber zu höheren Gaben zu verleiten. Um dieselbe Zeit haben sich drei Nonnen de« Orden« vom Herzen Jesu vor dem Stadtrath in Hainichen durch Vorzeigung eine» von einer Elsaß-Lothringer Behörde au«gestellten Scheine« auSgewiesen, gegen sie richtet sich der Ver dacht der Fälschung. Die Polizeibehörden werden um Ermittelung dieser Personen, Vernehmung derselben und Beschlagnahme der Zeichnungsliste ersucht." — Ueber den weiteren Verlauf der Trichinen epidemie in Cunewalde schreibt man von dort: Wir hoffen, den Höhepunkt der Epidemie erreicht zu haben. Bei den leichter Erkrankten konstatiren die Aerzte eine wesentliche Besserung. Die Schwerkran ken gehen freilich unter unsagbaren Schmerzen ein« nach dem anderen dem Tote entgegen. Bi« jetzt sind in hiesiger Parochic an Trichinös!« gestorben: 15 Personen und zwar 5 ledige junge Männer, 4 junge Ehemänner, 3 Ehefrauen, 1 Wittwer, 1 Wittwe und 1 Kind. Verwaiste Kinder giebt e« bereit« 20. Wa« menschliche Hilfe leisten kann, wird möglichst den armen Kranken zu Theil. E« sind thätig 2 Aerzte, davon einer, Herr I)r. niecl. Wagener, extra zu die sem Zweck vom Ministerium de« Innern geschickt. Die Pflege leiten 5 geschulte Krankenpflegerinnen, 2 Albertinerinnen, 2 Diakonissinnen und 1 barm herzige Schwester. Zur Hilfe haben sich von hier Frauen und Jungfrauen zur Verfügung gestellt und leisten wesentliche Dienste. Für jeden Kranken, resp. für jede erkrankte Familie sind Wärter oder Wärter innen bestellt, meist Hausgenossen oder Nachbarn, welche gegen entsprechende Entschädigung Tag und Nacht um die Kranken sind. Eine Suppenanstalt ist errichtet im Schloß Obercunewalde, wo für die Kran ken circa 100 Portionen gelockt werden, in dem entlegenen Halbau wird die Krankensuppe in der Försterei besorgt. Jeder Kranke erhält eine Flasche Rothwein für 3 Tage, außerdem Selterswasser, Frucht säfte, Heidel-, Preiselbeeren und dergleichen nach An gabe der Herren Aerzte und der Schwestern. Große Nachfrage war nach Luftkissen und wollene Decken. Die Johanniter haben jetzt dem größten Mangel ab geholfen. E« ist aber noch immer Bedarf, sodaß zu weilen telegraphisch Luftkissen bestellt werden mußten. Dem Hilfskomitee fließen reichlich Gaben zu, sodaß wir die vorhandenen Bedürfnisse momentan alle be friedigen können. Doch wird für die RoconvaleScenten, Wittwen und Waisen noch viel gebraucht werden. DieZahl der Erkrankten beläuft sich noch auf ca. 165. — Der Rapport der freiwilligen Feuerwehr von Ober cunewalde theilt mit: „Von der freiwilligen Feuerwehr Obercunewalde sind seit dem Auftreten der Trichinose 25 Mann erkrankt, davon 6 gestorben, 16 Frauen, davon 2 gestorben. Darunter befinden sich, der Com- mandant (f), der Obersteiger, Vice-Obersteiger, Spritzen meister (f), dessen Stellvertreter. E» existirt kein Kommando. — Am 3. d. hat sich in unserm Ort ein neue« Unglück zugetragen: Unser allbeliebter OrtSarzt kam auf einer Fahrt zu einem Patienten, der sich die Zunge durchschnitten, infolge de« Scheuen« seine« Pferde« unter den Schlitten und wurde von dem Pferde so unglücklich in da« Gesicht geschlagen, daß wohl Kinnlade und Nasenbein gebrochen sein dürften. Die« Unglück erregt allgemeine Theilnahme. Da unser Arzt mit dem vom königl. Ministerium zu Hilfe gesandten Arzte vollauf zu thun hatte und kaum fertig werden konnte, so fehlt e« nun wieder an einem Arzte. — Bei dem Landtag find über 25 Petitionen um Einführung der obligatorischen Trichinen schau eingegangen. Die Petenten verweisen zur Be gründung ihre« Gesuche« auf die vielen Todesfälle und Erkrankungen hin, die durch den Genuß von trichinösem Schweinefleisch herbeigeführt worden sind und glauben, da» durch Einführung der obligator ischen Trichinenschau den Erkrankungen an Trichinose begegnet werden könne. Nach dem Namen« der Pe titions-Deputation durch Abg. Weigang erstatteten schriftlichen Bericht gipfelten die Auslassungen der von der Regierung gehörten Commiffare in Folgendem: Eine absolute Garantie gegen Erkrankung an Trichinose würde durch die Untersuchung de» Schweinefleische« nicht geboten. Irrungen wären möglich. Die Unter suchung der auf dem Lande geschlachteten Schweine begegne großen Schwierigkeiten. Die Gemeinden wären in der Lage, ort-statutarisch vorzugehcn. Außerdem seien Verordnungen über den Verkauf von Fleisch kranker Thtere ergangen. Die obligatorische Einführ ung der Trichinenschau mache einen großen Polizei- Apparat nöthig. Durch Lokalstatut könne auch da« Hausiren mit Fleisch verboten und die Untersuchung de« eingesührten Fleische« angeordnet werden. Im Uebrigen verhalte sich die Regierung nicht durchaus ablehnend, behalte die Sache vielmehr fortwährend im Auge, könne aber vor weiteren Erörterungen kein Vorgehen in Aussicht stellen. Die Deputation hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt und ihren