Volltext Seite (XML)
de« Czaren nicht erfüllt; nach den bisher vorlie genden Berichten hat Alexander III. bei dem Empfang der Vertreter der auswärtigen Mächte zwar den deut schen Botschafter General von Schweinitz mit einer längeren Unterhaltung beehrt, von einer politischen Aeußerung wird aber nirgend- gesprochen. Die Aus zeichnungen, welche der Herrscher aller Reußen an dem Neujahrstage vollzog, erscheinen vollend« nicht ge eignet, den Friedenshoffnungen neue Nahrung zu ge ben. Die erste dieser kaiserlichen Vertrauenskundgeb ungen betrifft die Ernennung des bisherigen Verwe ser» de» Finanzministerium» Geh. Rath Wyschne- gradSki zum Finanzminister. Herr WyscknegradSki ist «in panslavistischer Chauvinist und ein Deutschen hetzer von reinstem Wasser. Er hat nach seinem Amts antritt nicht gesäumt, alsbald die härtesten Schläge gegen die deutsche Industrie zu führen, und er hat in Aussicht gestellt, daß die russische Industrie dem nächst den deutschen Handel auch auf dem gesammten asiatischen Markte verdrängen werde. Als einen Schritt, welcher da» Einlenken de» Czaren in deutsch freundlichere Bahnen bezeichnen sollte, hatte man da her die Entlassung de« Herrn WyschnegradSki erwartet. Statt dessen wird derselbe endgiltig zum Leiter de» russischen Finanzwesen« ernannt. Damit nicht genug, hat der Czar auch den Minister des Innern Grafen Tolstoi mit dem Wladimirorden erster Klasse aus gezeichnet, den er im vorigen Jahre stach dem Streit zwischen Gier» und Katkow dem Ersteren zugedacht, aber nachträglich verweigert baden soll. Graf Tolstoi steht in der auswärtigen Politik ungefähr allenthalben auf dem entgegengesetzten Standpunkte als Herr von Gier». Er ist durch und durch Panslavist und kann die Auseinandersetzung mit den Westmächten kaum erwarten. Der Minister de» Innern in Rußland ist gleichzeitig der oberste Chef der Preßleitung. Seine Meinungen sind von maßgebender Bedeutung für die Zensurbehörde und für die öffentliche Meinung. Nun erwäge man, was seit Jahren die russische Presse ge gen Deutschland und Oesterreich-Ungarn hat schreiben dürfen und müssen! Man erwäge, wa» sie namentlich im letzten Jahre vor und nach dem Czarenbesuche gelei stet hat. Und dann erwäge man, daß der Czar dem Grafen Tolstoi zur Belohnung für diese Haltung der Presse den Wladimirorden erster Klasse verliehen hat. Und ferner: bei Lebzeiten Katkows galt als dessen geistiger Zwillingsbruder der „Oberprokureur des heiligen Synod", Herr PobedonoSzew. Dieser Staats mann, ein Fanatiker der griechischen Kirche, von starrer Herrschsucht, der die Bekehrung, namentlich der Deut schen in den Ostseeprovinzen zur orthodoxen Kirche gewaltthiitig betreibt, hat von jeher dem heutigen Czarenpaare besonder» nahe gestanden. PobedonoS- zcw, gehört zu den unduldsamsten und gehässigsten Eiferern de» PanslaviSmuS. Dieser Mann ist von dem Czaren am NeujahrStage mit dem Alcxander- NewSki-Orden in Brillanten ausgezeichnet worden und zwar in einem „sehr gnädigen" Verleihungs diplom. Herr v. Gier», der schon im vorigen Jahre den Wladimirorden erhalten sollte, ist auch jetzt leer ausgegangen. Zwei andere Minister und der Reichs revisor sind mit hohen Orden ausgezeichnet worden. Herr v. GierS steht anscheinend auf dem AuSsterbe- Etat. Wenn man nach diesen Ordensverleihungen auf die Absichten des Czaren in der auswärtigen Politik schließen müßte, so würden alle friedlichen Versicherungen der russischen Blätter und Beamten al» Schachzüge erscheinen, welche den eigentlichen FeldzugSplan maSkiren sollen. Die verbündeten Mächte können über den von ihnen einzuhallenden Weg nicht im Unklaren sein, so lange am russischen Himmel in strahlendem Glanze das Dreigestirn Tolstoi-Wyschne- gradSki-PobedonoSzew leuchtet. Loeal« und sSchfische Nachrichten. — Eibenstock. Wie unfern Lesern bekannt, findet heute, Dienstag, Abend im Saale de» „Feld schlößchen" der von Hrn. Albin Krause angesagte Experimental-Vortrag über Hypnotismus (sogen, thierischen Magnetismus) statt. Ein großer Theil der hiesigen Einwohnerschaft wird sich noch de» hohen Interesses erinnern, welche» seinerzeit die Vor stellung de» Hypnotiseur Hansen hier hervorrief. Heute haben wir cS mit einer ähnlichen und wie e» scheint noch vollendeteren Leistung zu thun, wofür die über die Leistungen de» Hrn. Krause abgegebenen wissenschaftlichen Gutachten sprechen. Der Vorstand de» „naturwissenschaftlichen Verein» für Sachsen und Thüringen" (Dorf. Prof. I)r. Frhr. v. Fritsch) in Halle a. S. äußert sich unterm 7. April 1887 wie folgt: „Am 0. April 1887 hat Herr Albin Krause in einer eigen» zu diesem Zwecke veranstalteten außer ordentlichen Sitzung de» naturwissenschaftlichen Ver eine» für Sachsen und Thüringen vor einer zahlreichen Versammlung einen Experimental-Vortrag auf dem Gebiete de» HypnotiSmu» gehalten. Den Bestreb ungen unsere» Verein« widerspricht e» durchaus, seine Mitglieder durch Taschcnspielerkünste und ähnliche Produktionen unterhalten zu lassen und letzteren da durch irgend wie Vorschub zu leisten. Deshalb würden wir die oben erwähnte außerordentliche Sitzung nicht einberufen haben, wenn wir nicht die Uederzeugung gehabt hätten, daß Herr A. Krause die ebenso eigen- thümlichen al» interessanten Erscheinungen de» Hypno tismus vom rein naturwissenschaftlichen Standpunkte erklärend und ohne jegliche« tranScendentale Beiwerk behandeln würde. Durch strenge» Festhalten an diesem Standpunkte hat Herr A. Krause, welcher im Gegen sätze zu anderen Vertretern diese» Fache- nicht mit besonderen, in seinem Dienste stehenden „Versuchs- I Personen", sondern ausschließlich mit bekannten, au» , der Versammlung sich ihm zur Verfügung stellenden > Damen und Herren experimentirte, unserem Vereine eine in seinen Intentionen liegende wissenschaftliche Belehrung geboten, für welche wir ihm hiermit gerne unsere volle Anerkennung aussprechen möchten, in der Hoffnung, daß Herr A. Krause im gesammten Ver einsgebiete und darüber hinaus dieselbe wohlverdiente Aufnahme finde, al« e« hier in unserer Universitäts stadt, in engeren Kreisen wie beim öffentlichen Auf treten, der Fall gewesen ist." — Weiterhin äußert sich da» „Halle'sche Tagebl." über die daselbst statt gehabte öffentliche Vorstellung: „Sollen wir un» kurz über den Gesammteindruck der Experimente äußern, so müssen wir denselben al» einen gewaltigen be zeichnen; wir haben Offenbarungen geheimnißvoll waltender Kräfte gesehen, die eine tiefe Wirkung auf Jeden auSüben müssen. Da» wurde auch von an wesenden Mitgliedern de» Universitätslehrkörpers aner kannt, und einige der Herren, welche den Experimen- tationen de« Dänen Hansen beigewohnt, sprachen da» Urtheil aus, daß die Krause'schen Experimente bei Weitem besser gelungen und wirksamer seien und ausnahmslos auf reeller Basis beruhen." — Nach diesen glänzenden Zeugnissen halten wir e« für über flüssig, ein Weiteres zur Empfehlung der Krause'schen Experimente anzusühren. — Leipzig. Die von der Leipziger Genossen schaft freiwilliger Krankenpfleger (Felddiaconen) einberufcne allgemeine Studentenversammlung hat Donnerstag Abend stattgefunden und einen ebenso würdigen, al» erwünschten Verlauf genommen. Der große blaue Saal de« Krystallpalaste» war von Stu denten au» allen verschiedenen Kreisen vollständig ge füllt, an der Ehrentafel hatten zahlreiche Professoren der verschiedenen Facultäten, der Rector Magnificu» Professor Or. Ribbeck, und der Prorektor Professor vr. tllecss. Schmidt an der Spitze, da» studentische Comitee (stucl. tkeol. Vogel, »tuä.jur. Haupt u. s. w.), die Vortragenden und eine Anzahl geladener Gäste Platz genommen. Die Versammlung war nur aus die Studentenschaft begrenzt, der Plan, deren Besuch weiteren Kreisen zugänglich zu machen, wieder aufge geben worden. Eröffnet wurde die Versammlung vom Stud. Vogel durch eine längere Ansprache an die Commilitonen, welche den humanitär-patriotischen Zweck der Versammlung darlegte. Zum Vorsitzenden wurde mit Acclamation der Rector Magnificu» erwählt, der dankend annahm und dem Hauptredner de» Abend», dem LandeSdelegirten der freiwilligen Krankenpflege im Königreich Sachsen und Vorsitzenden de» Sächs. LanoeSvereine« zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger, Geheimen RegierungSrath von Criegern, das Wort ertheilte. In Inständiger freier Rede legte derselbe, ausgehend von der veränderten Auffassung, welche die Neuzeit für Kriegsführung und Krieg-recht (Völkerrecht) gebracht habe, und die Fort schritte betonend, welche seit ca. 20 Jahren die Für sorge für die verwundeten und erkrankten Krieger durch die Staaten, d. h. durch eingreifende Reformen und Verbesserungen im KriegSsanilätSwesen erfahren habe, die Einrichtungen de» letzteren dar, und ging besonders ein auf da» Verhältniß der freiwilligen Hilfe zur staatlichen, welche» in dem Grundsätze gipfele, daß die freiwillige Hilfe kein selbstständiger Faktor neben der staatlichen sein dürfe, sondern in letzter al» Ergänzung eingefügt und von staatlichen Organen geleitet werden müsse. Hieran schloß sich eine Darlegung diese» Organismus und eine Erweiter ung der Ziele und Ausgaben, deren Lösung der frei willigen Krankenpflege nach den jetzt geltenden Ge setzen (KriegSsanitätSordnung, Felddienstordnung und KriegSetappenordnung) obliege. Hierbei betonte Red ner ganz besonder» die Unentbehrlichkeit einer vorbe reitenden Thätigkeit im Frieden für den Krieg, die gegenwärtig staatlich vorgeschrieben sei, indem nur die Vereine vom rothe» Kreuze zur KriegSthätigkeit zu- gelassen werden könnten, welche bereit» im Frieden für diese Zwecke eine gedeihliche Thätigkeit entwickelten. Vor allen Dingen sei die Beschaffung der zu der kostspieligen Vorbereitung erforderlichen Geldmittel während de» Frieden» nothwendig. Endlich ging der selbe auf die Institution der freiwilligen Kranken pfleger selbst ein und erörterte an der Hand der Gesetze und staatlichen Vorschriften die Aufgaben, welche ein freiwilliger Pfleger im Kriege zu lösen haben werde. — Lebhafter, langandauernder Beifall lohnte den Redner. Rektor Geh. Rath Or. Ribbeck gab dem Danke der Versammlung Ausdruck und sprach die Hoffnung au», daß auch die Leipziger l Studentenschaft die ihr gebotene Gelegenheit zur Be- I thätigung ihrer patriotischen und Humanitären Ge- I sinnung benutzen werde. — Die Verbindung „Grimensta" in Leipzig ist jetzt von demselben Schicksal ereilt worden, welche» sie vor einiger Zeit den dortigen Korp« bereitet hatte, sie ist auf zwei Semester vom UniversttätSgericht sul- pendirt worden. Die Veranlassung zu dieser Maß regelung war die von einem älteren Studenten beim Universität-gericht erstattete Anzeige, daß von der betr. Verbindung wegen Sati-faktion» - Verweigerung der Waffenverruf über ihn verhängt worden sei. Inzwi schen hat sich die „Grimensta" mit den Farben Gelb- Blau-Schwarz (gelbe Mütze) unter dem Namen „Lipsta" wieder aufgethan. — Unter Palmen wandelt man bekanntlich nicht ungestraft, aber auch ein busch- und baumschöner .Poetengang" kann eine gefährliche Passage werden, wie die» in Borna am Abend de» Dienstag ein Fremder schmerzlich empfinden mußte. Derselbe er ging, wie die „Dr. N." schreiben, sich in den dortigen Anlagen und gerade in dem sanfte Empfindungen er weckenden Theil desselben, dem al« Poetengang be zeichneten, wurde er von leider noch unbekannten Strolchen angefallen, seiner Taschenuhr und Kette — mehrere Hundert Mark werth — gewaltsam beraubt und blutig mißhandelt. — Hartenstein. Am letzten Dienstag kurz nach Mitternacht ging der Lehrer Neubert au» Raum mit seiner Frau von Beutha nach seinem Wohnorte zurück; kurz vor ihnen schritt eine männliche Person rasch dahin. Al» da» Neubertsche Ehepaar an einen dicht an der Straße liegenden Teich kam, erhob sich plötzlich auf dem Teichdamm unter verschie denen Geberden eine in ein weißes Betttuch gehüllte Gestalt. Die Frau de« Lehrer» sank vor Schreck unter Angstgeschrei zu Boden; der Mann erhob die Frau und schritt dann auf die Gestalt lo». Dieselbe ließ da» Betttuch fallen, und eS entpuppte sich ein darunter steckender niederträchtiger Schurke, der leider entkam. Die Frau de» Lehrer» Neubert liegt infolge de« Schrecken» krank darnieder. Hoffentlich gelingt es, den elenden Menschen zu entdecken. — Die „Deutsche Turnerzeitung" bringt folgende Kundgebung des Kreisvertreters Bier in Dresden: „Die fünfte Alpenturnfahrt, die vom KreiS- turnrath und unserem bewährten AlpenturnfahrtSwart Müller in Dresden vorbereitet wird, soll un» diesmal in die rebenumsäumle Hauptstadt der Schwaben, in daS schöne Stuttgart, und danach wieder an den Bodensee führen. Freundlicher Aufnahme sind wir allenthalben gewiß, und die nach dem Coburger Turn tage mit den Stuttgarter Genossen mündlich gepfloge nen Vorverhandlungen lassen un« mit Freuden er warten, daß sich die fünfte Alpenturnfahrt ihren Vor gängerinnen würdig anschließen wird. Auf denn, Ihr Wandergenossen früherer Jahre, rathet und rüstet, daß Ihr nicht fehlt, wenn der Wanderruf erschallt; und Ihr, die Ihr zum ersten Mal unserm frohen Rufe folgen wollt, suchet und findet, wa» Euer Sehnen und Hoffen erfüllt: eine rechte deutsche Wanderschaft in deutschen Landen, wo die Geschichte Denknisse schuf zu vaterländischer Erhebung, wo unsere besten Dichter ihre Weisen sangen zur Begeisterung für alles Gute und Schöne. Auf, zu fröhlicher Bergwanderung in das liederreiche Schwabenland, aus dem uns die alt ehrwürdigen Zeugen deutscher Geschichte ihren Gruß entgegenbringen: Hohentwiel und Hohenstaufen!" — Wichtig für angehende Einjährig-Frei willige ist die kaiserliche Verordnung, betreffend Ergänzungen und Aenderungen der Wehrpflicht, welche lautet: „Wer sich behus» Erlangung der Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst nicht spätestens bi» zum I. Februar seine» ersten MilitärpflichtjahreS, d. h. desjenigen Jahre», in welchem er das 20. Lebens jahr vollendet, bei der betreffenden Prüfung«-Com mission anmeldet und den Nachweis der Berechtigung nicht bis zum I. April desselben Jahre« bei der Ersatz- Commission seine« Orte« anbringt, verliert da« An recht auf Zulassung zum einjährig-freiwilligen Militär dienst." Zum wirklichen Eintritt in die Armee ist also außer dem Zeugniß von Ober-Sekunda noch ein militärisches Zeugniß von ter PrüfungS-Commission für Einjährig-Freiwillige einzuholen; geschieht die» nicht, so geht der betr. junge Mann unwiderruflich seiner Berechtigung verlustig, da infolge der kaiser lichen Verordnung die ministeriellen Instanzen nicht mehr das Recht haben, nachträglich, wenn ein Schul- zeugniß vorlag, die Berechtigung zum Eintritt in die Armee al» Einjährig-Freiwilliger zu ertheilen. Verlorene Liebe — verlorenes Leben. Am Fenster eine« der niedrigsten Häuser de« Söder- malm am Schiff-Holm zu Stockholm faß ein junge» Mädchen, halb Kind, halb Jungfrau noch, und schaute träumerisch sinnend auf die Wogen hin, sah die Boote der Dalekarlerinnen die Fluthen durchkreuzen, sah die Möwen aus- und niedertauchen, den Schaum der Wellen berühren und die dunklen, tief niederhängenden Wolken im Fiuge durchschneiden. Eine eigenthümliche Sehnsucht, ein nie gekannter Schmerz durchwogte da» Herz der Jungfrau. Sie hätte aufjauchzen mögen, hinauSeilen und sich in daS Leben mit seinem Glücke, seinen Freu den, seinen Schmerzen stürzen — um gleich darauf wieder sich in die tiefste Einsamkeit zu flüchten, ihren Gedanken, ihren Träumen lebend. In ihrer Brust regten sich, ihr selbst unbewußt, die ersten Anklänge zukünftiger Lieder. ES klang in ihr wie Elferssang, wie da» Läuten tief im Meer versunkener Glocken; sie rang nach Wor ten — doch nur ein Thränenstrom entquoll ihren Augen.