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leren Jnland-StädtchenS eintraf, worin derselbe um Ein sendung eine- Beamten bat, der im Stande sei, die Thäter einer ganzen Reihe kurz nacheinander erfolgter und mit außerordentlich grobem Raffinement verübter, verwegener Einbrüche und Ueberfälle zu entdecken. ES war beigefügt, daß die ganze Umgegend sich in Auf- regung und Angst befinde, weil offenbar die Verbrecher, deren mehrere sein müßten, von den sich bietenden Ge legenheiten vorher auf irgend eine Art und Weise unter- richtet sein mußten, doch sei eS dem Schreiber deS Briefe- nicht möglich, auch nur den Schatten eine- Ver dachtes gegen irgend Jemand ini Orte zu richten. Mei» Herz jubelte innerlich auf, als Mr. Chester gerade mir diesen Brief zeigte und mich fragte, ob ich mich getraue, mir bei dieser Gelegenheit die Sporen zu verdienen. Er war human genug, mich auf daS Ge fährliche deS Unternehmen« selbst aufmerksam zu machen und mir zur größten Behutsamkeit zu rathen. Schon am Abend deS folgenden Tage- befand ich mich am Orte der Ereignisse und selbstverständlich galt mein erster Besuch dem würdigen Oberhaupte deS Städtchen«, wel che« mich mit sichtlich verstörten Zügen empfing. Denn erst vor einer haibe» Stunde war die Nachricht einge troffen, daß kaum tausend Schritte vor der Stadt, in der Nähe eine« Steinbruch« abermals ein überaus frecher Ueberfall an einem der besten Freunde deS Bürgermeister« verübt worden sei. Seit drei Wochen war dieses Trei ben im Gange und jedeSmal, so erfuhr ich, waren dem Anscheine nach zwei Männer mit schwarzen Masken die Thäter gewesen. Wer nach eingetretener Dämmerung noch die Stadt verließ, durfte, falls er nicht ein ganz armer Teufel war, fast mit Sicherheit darauf rechnen, daß ihm Uhr und Börse u. genommen wurden. Sonst thaten die Unbekannten zwar Niemandem etwa- zu Leide, fall« man sich nicht widersetzte; sonst aber war eine bedeutende Tracht Prügel die sichere Folge. Die Polizei deS Städtchens hatte alles Erdenkliche ver sucht und auch die der Nachbarschaft hatte dabei mitge wirkt, aber alle« war vergeblich gewesen. An dem Abende, an welchem eine solche Razzia unternommen wurde, zeigten sich die Herren Räuber nicht und die« vermehrte noch das Rätselhafte deS Zusammenhanges. Ich verabredete also mit dem Bürgermeister, daß ich unter anderem Namen als dessen Verwandter und Kauf- mann bei demselben logire und dem entsprechend auch öffentlich behandelt werden solle, und damit ruhte nun die ganze Sicherheit der Einwohner auf meinen Schultern. Bald fühlte ich mich in der Familie meines Gastgebers heimisch; dieselbe bestand aus Herrn SniderS, dessen Frau und Tochter sowie seinem noch jungen Secretär Herrn Burton. Zwischen dem Secretär und der jungen Dame schien eine Art wärmerer Beziehung zu erisliren, von welcher der Bürgermeister Kenntniß haben mochte. In der Familie war fast nur von den Räubern die Rede und alle glühten vor Eifer, daß die Uebelthäter endlich entdeckt würden. Ma» hatte bereit« allerlei Pläne im Vorrath, wie die« zu unternehmen sei und der junge Secretär schien die größte Lust zu haben, die Sache auf eigene Faust zu unternehmen, um sich die ausgesetzte Prämie zu verdienen. Anfang« hatte ich Neigung, ihn inS Vertrauen zu ziehen, beschloß aber doch endlich strenge Diskretion zu wahren, um vor aller Plauderhaftigkeit sicher zu sein. Jin Uebrigen gefiel mir der junge Mann recht gut und er war auch, ob seiner launigen Unter haltung offenbar der Liebling deS ganzen Hauses. Im Laufe der Abendunierhaltung sprach ich über ihn auch mit meinem Gastgeber und dieser erzählte mir beiläufig, wie sich der junge Mr. Burton hier in kurzer Zeit die Herzen der ganzen Einwohnerschaft erobert habe; er sei zwar erst kaum zwei Monate bei ihm, aber er sei im Amte ob seiner Pünktlichkeit unbezahlbar und im Uebrigen «ine harmlose, fröhliche Natur. „Ihr Vertrauen scheint er allerdings in hohem Grade zu besitzen," bemerkte ich lächelnd, „er scheint die Männer ebenso gut wie die Frauen behandeln zu können." „Nun ja," versetzte Mr. SniderS lächelnd, „Sie habe» Recht, wenn meine Mary will, so soll sie ihn haben; er selbst ist zwar arm wie eine Kirchenmaus, aber mit seiner Intelligenz und Mary'S Vermögen wird er schon Carriere machen." Dabei blieb die Sache für den Abend! Ich hatte auch wenig Zeit, mich weiter damit zu beschäftigen und nur am folgenden Morgen kam noch einmal auf Mr. Burton die Rede, indem mir der Bürgermeister mit- theille, er habe vorhin mit dem jungen Secretär ge- sprachen und dieser habe ihm in der That gestanden, daß nur seine Mittellosigkeit ihn bisher abgehallen habe, dem Vater offen die Neigung zur Tochter zu gestehen. Seine einzige Hoffnung seien reiche entfernte Verwandte, welche hochbejahrt seien und die er bald zu beerben hoffe. Während dieser Mittheilung that ich einen Blick in'« Nebenzimmer, wo Mr. Burton im Kreise der Familie am Frühstückstische saß und gerade die Taffe in der Hand hatte. ES war nur ein flüchtiger Moment, aber eS war mir so vorgekommen, als wenn der junge Mann die Tasse in ungewöhnlicher Weise gehalten hätte. Ich dachte nicht weiter darüber nach, erinnerte mich l aber um so deutlicher daran. I ES war Zeit, an den Zweck meine« Besuche« zu j denken und zunächst war et meine Aufgabe, zu erfor schen, ob nicht irgendwie meine Gegner sich nach bekannter Spitzbubenmanier bereit« selbst eine Blöße gegeben. Bald hatte ich Gelegenheit, mehrere der Beraubten selbst kennen . zu lernen und indem sie mir den Hergang erzählten, erfuhr ich alsbald, daß sie sämmtlich von den Unbe kannten bei ihrem Namen angeredet worden waren. Die Art und Weise der Ueberfälle war eigentlich ziemlich harmlos und nach einigem Nachsinnen kam mir der Einfall, unter Mitnehmen guter Waffen am folg enden Abend selbst den „gefährlichen" Spaziergang zu I wagen und mich berauben zu lassen. ES war mir keinen j Augenblick mehr zweifelhaft, daß die SchreckeuSmänner , de« Orte» in der Stadt selbst ihren Wohnsitz haben müßten und deshalb rheilte ich meine Absicht, mit meinen Maaren die Nachbarschaft zu besuchen, geflissentlich recht viele» meiner neuen Bekannten mit, die mich natürlich sämmtlich recht eindringlich warnten; besonder« that die« auch mein freundlicher Wirth, welcher lebhaft fürchtete, daß ich mich schweren Mißhandlungen anSsetzen würde. Auch vo» Mr. Burton verabschiedete ich mich und auch dieser glaubte mich »och warnen zu müssen, da ja erst in den letzten Tagen wieder mehrere jener Fälle sich er eignet hätten. Ich dankte ihm indessen ablehnend und begab mich nach der Bank, wo ich mir verschiedene Papiernoten kaufte, welche ich hierauf in einem Caffee- hause mit besonderen Zeichen versah, an denen ich sie eventuell wieder erkennen konnte. Mit Einbruch der ersten Dunkelheit trabte ich auf munterem Rosse zur Stadt hinan«, gefolgt von den angstvollen Blicken meiner neuen Bekannten. Absichtlich ließ ich das Pferd im Schritt gehen und zu meiner eigenen Verwunderung empfand ich nicht einmal eine besondere Aufregung, vielmehr war ich nur bemüht, in der tiefen Dämmerung noch die ungefähre Lage jene« Steinbruchcs zu entdecken, bei dem sich sonst die Helden- thaien meiner unbekannten Gegner ereignet haben sollten. — Längst war aber von den Lichtern des Städtchens nichts mehr zu erblicken »nd längst schon mußte ich den Stcinbrnch passirt haben, ohne daß mir auch nur das kieinste lebende Wesen aufgestoßen wäre. Die Landschaft war wie auSgestorben. Ich fürchtete bereit«, daß ich mich ebenso vergeben« bemüht hatte, wie die Polizei deS wackeren Mr. SniderS und dachte schon daran, umzu- kebren und die Parthie an einem der nächsten Abende nochmals zu wiederholen, als plötzlich, ohne daß ich vor- her einen Laut vernommen, mein Pferd sich bäumt, am Zügel erfaßt wurde und eine rauhe Stimme mir zu schrie: „Ihre Brieftasche, Mr. Philipps!" Zugleich streckte sich der Lauf einer Pistole dicht unter meine Nase. „Da treffe ich wohl alte Bekannte," rief ich, „Ihr kennt sogar meinen Namen?" „Gewiß, Ihr seid Mr. Philipps, der drüben bei Mr. SniderS im Rathhause logirt hat, und nun macht keine Umstände, denn wir haben Eile und heute noch ver schiedene andere Geschäfte; also Cure Börse Mr." „Sehr gern," versetzte ich, „nur werden Sie mit mir leider nicht sonderlich zufrieden sein, waS ich selbst lebhaft bedaure. Die Geschäfte gehen schlecht." Damit überreichte ich einer der beiden vor mir stehen den Gestalten meine Börse. Derselbe öffnete sie, fühlte hinein und schien enttäuscht darüber, denn sofort entgeg nete er: .Halten Sie uns nicht zum Narren, Sie haben mehr bei sich, jedenfalls auch Papiergeld, denn Sie sind heute auch in der Bank gewesen." „Ganz recht, meine Herren, aber ich habe kein Geld geholt, sondern solches abgesandt." (Schluß folg,.) Vermischte Nachrichten. — Wien. In das Balletkorps der Hofoper ist eine taubstumme Tänzerin eingereiht worden. DaS „Wiener Extrablatt" berichtet hierüber: Adele Lichtensel« ist der Name der jungen Unglücklichen, die von Kindesbeinen an die Gabe der Sprache ent behren mußte. Adele LichtenfelS, daS Kind mit den träumerischen Augen und dem dunklen Haar, zeigte zu Hause häufig eine gewisse Munterkeit, tanzte gra ziös durch die kleine Wohnstube und wiegte sich an- muthig in den Hüften. Die Anregung war gegeben: Adele sollte Tänzerin werden. Frau LichtenfelS fand den Muth, ihre Tochter dem Balletmeister Telle von der Hofoper vvrzuslellen. Ein Wink von der Mutter Augen — und die Kleine walzte graziös vor dem strengen Richter. Jbm gefiel die Anmuth Adelen« uns, er richtete einige Worte an sie. Da mußte dann endlich das Geständniß abgelegt werden: Adele ist taubstumm. DaS Geschick der BeklagenSwerthen rührte den Ballelmeister, er reihte die arme Abele seiner Balletschule ein. Adele wird in den Reihen der großen Quadrille tanzen, sie wird die glänzenden Lichter sehen, die das Hau« erhellen, die fröhlichen Menschen, welche e« erfüllen, — aber sie hört keine Musik, der rauschende Lärm de» Orchester» bleibt ihrem tobten Ohre fern. Sie kann nur in der Reihe mit den anderen tanzen, ihre Füßchen regen, wie sie'« den Genossinnen absehen wird. — Da» Gesetz, betreffend den Feinge halt der Gold- und Silberwaaren, ist be reit» im Juli 1884 bekannt gemacht worden; e» trat aber erst am 1. Januar 1888 in Kraft. Da- Gesetz enthält einheitliche Vorschriften für da» ganze Reich auf einem Gebiete, auf welchem nicht nur in den Einzelstaaten verschiedene Vorschriften herrschten, son dern auf welchem sich auch daneben noch ganz ver schiedenartige Gewohnheiten entwickelt hatten, die e» dem Publikum nicht leicht machten, auf die Befolg ung der bestehenden Gesetzgebung zu achten unv sich durch Untersuchung der Stempelung vor Uebervor- theilung zu schützen. Denn die Einheit de« deutschen Verkehr-gebiete- brachte natürlich Maaren, die nach den Vorschriften de» einen Staate» gestempelt waren, in einen anderen Staat, wo diese Stempelung gänz lich unbekannt war. Da« neue Gesetz ist absichtlich so lange vor seinem Inkrafttreten erlassen, damit die Lager an alten Maaren geräumt werden konnten. Da- Gesetz unterscheidet bei den Gold- und Stlber- waaren zwei Hauptarten: die goldenen und silbernen Geräthe und die goldenen und silbernen Schmucksachen. Für die Geräthe ist ein besonderer Reichsstempel vor geschrieben, nämlich für Goldgeräthe da» Sonnenzei chen: O> sür Silbergeräthe die Mondsichel: ((. Gol dene Geräthe müssen im Sonnenzeichen, silberne recht» neben der Mondsichel die Reichskrone tragen. Da neben ist natürlich die Firma bezw. deren eingetragene Schutzmarke zugelassen. Bei den Gcräthen darf aber eine Stempelung nur erfolgen, wenn sie einen ge wissen Minimalfeingehalt haben, nämlich Goldgeräthe mindesten» 585, silberne mindesten« 800 Tausendtheile. Eine Abweichung über 5 bei den ersteren und über 8 Tausendtheile bei den letzteren ist nicht gestattet. Auch goldene und silberne Uhrgehäuse sind diesen Vorschriften unterworfen. Die Schmucksachen dürfen die Reichsstempel (Sonne und Mondsichel mit Krone) nicht tragen. Man unterscheidet aber bei ihnen zwei Arten: solche, welche mit anderen metallischen Stoffen gefüllt sind oder mit welchen au« anderen Metallen bestehende Verstärkungsvorrichtungen metallisch ver bunden sind; diese Schmucksachen dürfen ebenso wie ähnlich beschaffene Golt- und Silberwaaren gar nicht gestempelt werden. Die anderen Schmucksachen dür fen nur einen Stempel tragen, welcher den Feingehalt in Tausendtheilen angiebt; die Fehlergrenze darf 10 Tausendtheile nicht übersteigen. — Daß da» Gesetz auch auf Maaren, die vom Auslande eingeführt sind, Anwendung findet, ist selbstverständlich; diese auslän dischen Waaren dürfen nur dann feilgehalten werden, wenn sie neben dem etwaigen ausländischen Zeichen auch eine den Vorschriften dieses Gesetze« entsprechende Bezeichnung tragen. — Eine Chassepotkugel von Wörth. Der ehemalige KönigS-Grenadier vom Westpreuß. Jnf.-Rcg. Nr. 7, August P., der jetzt als Invalide in Berlin wohnt, hatte am 6. August 1870 bei Wörth einen Schuß in den Hals erhalten. Edle Theile waren von der Kugel nicht verletzt worden, doch hatte letztere sich derart gesenkt, daß sie trotz mehrfach versuchter Ope rationen nicht au« dem Körper herauSgeholt werden konnte. Die Wunde heilte zu, brach aber wiederholt auf, und bei einer solchen Gelegenheit wurde im Jahre 1880, al» P. sich in der Behandlung deS Geheimraths Professor von Langenbeck befand, ein etwa 10 Gramm schweres Stückchen der Kugel auSgestoßen. Ein wei teres Stück derselben konnte im Jahre 1885 bei Ge legenheit eine» im Rachen aufgegangencn Geschwür entfernt werden. Der im Körper verbliebene Rest bereitete Herrn P. sehr viele Schmerzen, so daß er den Entschluß faßte, sich aufs Neue einer Operation zu unterziehen, durch welche die Kugel HerauSgeholt werden sollte. Zu diesem Zweck begab P. sich am 12. v. MtS. in die königl. Klinik, woselbst Geh. Rath v. Bergmann nach den Weihnachtstagen die Opera tion bewirken wollte. Durch einen glücklichen Zufall ist dieser chirurgische Eingriff aber überflüssig gewor den. Al« der Patient sich am Sonnabend früh vor Weihnachten wusch, mußte er mehrmals niesen, in Folge dieser Erschütterung ging ihm eine seit längerer Zeit bestehende Geschwulst auf und P. warf Blut und Eiter aus. Plötzlich spürte er im Munde einen har ten Gegenstand; zunächst dachte er, daß ihm ein Zahn ausgefallen sei; als der Patient aber danach griff, fand er zu seiner freudigen Ueberraschung ein breit- geschlageneS, an einem Ende zusammengedrücktes Stück Blei. ES war die Kugel aus dem Chassepotgewehr, die ihn bei Wörth getroffen, die er über 17 Jahre im Körper mit sich herumgelragen und die sich nun als „willkommene Bescheerung" gerade zu Weihnachten von selbst eingestellt hatte. — Neujahrs-Trinkgelder in Oesterreich. In der Wiener „Presse" finden wir folgende charak teristische Geschichte erzählt, die sich im Vorjahre in einem Wiener Bürger-Hause abspielte. In der Wohn ung einer Familie fanden sich de» Morgen» um 9 Uhr" zwei Männer in Leinwandkitteln ein. „Glückselig'» neux Jahr!" tönt e» im Chor au» ihrem Munde. — „Wer find'» denn?" frug die Hausfrau. — „Mir san b' Laternanzünder!" Die Dame gab den Leuten in Anbetracht ihrer lichtvollen Mission einen Gulden. — Um 10 Uhr fanden sich in derselben Wohnung abermals 2 Männer in Leinwandkilteln ein. „Glück selig'» neux Jahr!" scholl e» im Chor au» ihrem Munde. — „Wer find'» denn?" — „Mir san d' Laternanzünder!" antworteten die Männer. — „So?" rief die Dame, die Laternanzünder waren ja vorhin da und hab'n ihr Neujahrsgeld schon kriegt!" — „Aber, gnä' Frau!" rufen die beiden Männer mit überlegenen Mienen, „dö- waren ja d' Laternanzün der, die was d' Latern anzünden!" — „Na also, wer sind denn nach« Sie?" — „Mir, gnä' Frau, san d' Laternanzünder, die wa» d' Latern auSlösch'n."