Volltext Seite (XML)
lassen sich mancherlei charakteristische Einzelheiten an führen. Sa ist e« u. U. gar nicht beachtet worden, daß die Regierung im Els ast kürzlich die Unwendung franzSsischer Geschäft-firmen und Ankündigungen in den Schaufestern verbot und weiterhin anorvnete, daß die Preise der Maaren in den Auslagen nicht mehr in Franc» und Centime-, sondern au-schließlich in Mark und Pfennigen angegeben werden dürfen. Unter dem Regime Manteuffel Hütte die Verfügung unend lichen Staub aufgewirbelt, jetzt aber geht sie unbe merkt hin, obwohl sie einschneidend genug ist. — Der .Reichsanzeiger' vom 31. Dezbr. publi- zirt die gefälschten Aktenstücke in dem angeblich au- dem Deutschen übersetzten französischen Text mit folgender Einleitung: ,E- ist bekannt, daß auf Be fehl Sr. Maj. de« Kaiser« von Rußland dem deutschen Reich-Ianzler gewisse, die bulgarische Frage betreffende Aktenstücke behuf« Prüfung de- Inhalt« und Ursprung« derselben mitgetheilt worden sind. E« hat sich ergeben, daß diese Aktenstücke lediglich erfunden worden sind, um die Aufrichtigkeit der deutschen Politik zu ver dächtigen. Der Zweifel an der Ehrlichkeit derselben wäre berechtigt gewesen, wenn solche Aktenstücke auf Wahrheit beruhten, da die deutsche Politik da- Unter nehmen de- Prinzen Ferdinand von Coburg in Bul garien von Anfang an und zu jeder Zeit al- ein den bestehenden Verträgen zuwiderlaufendc« angesehen hat und noch ansieht und sich in diesem Sinne allen Kabinetten und insbesondere dem russischen gegenüber amtlich ausgesprochen hat. E« würde daher, wenn die Aktenstücke, und namentlich da» dem deutschen Botschafter in Wien zugeschriebene, echt und die An deutungen in den fingirten Briefen in der Wahrheit begründet gewesen wären, der amtlichen deutschen Politik mit Recht der Vorwurf der Duplizität und ihren amtlichen Erklärungen der der Unehrlichkeit haben gemacht werden können. Die deutsche Regier ung, welche natürlich bemüht ist, bei den befreundeten Mächten da« Vertrauen auf ihre Zuverlässigkeit und Offenheit zu erhalten, hat daher ein lebhafte« Interesse daran gehabt, die Unechtheit der Aktenstücke festzu stellen und öffentlich zu bekunden. Die angestellten Ermittelungen haben ergeben, daß zwischen ihrer könig lichen Hoheit der Gräfin von Flandern und dem Prinzen Ferdinand von Coburg niemals eine Corre- spondenz irgend einer Art stattgefunden hat und daß eine politische Eröffnung, wie die dem Botschafter Prinzen Reuß zugeschriebene, von diesem niemals ge macht worden ist. Auch die Beziehungen, welche anderen hohen Herrschaften in den Aktenstücken zu gewiesen werden, haben sich al- Erfindungen herau-- gestellt, die Aktenstücke sind danach von bisher uner mittelten Personen lediglich zu dem Zwecke, Mißtrauen zwischen den europäischen Mächten hervorzurufen, ohne jede thatsächliche Unterlage erfunden und zusammen gestellt worden.' Sächftschr Nachrichten. — Dresden. Es liegt nicht bloS im öffent lichen Interesse, sondern auch im Interesse der Ein wohnerschaft, daß in jedem Grundstücke eine von der Straße aus zu läutende Hausglocke sich befinde, damit innerhalb der Zeit, zu welcher die Häuser ge schloffen sind, in Fällen drohender Gefahr, z. B. bei Feuersgefahr, verdächtigen Rauch-, GaS- oder Wasser- auSströmungen den Bewohnern so schnell als möglich davon Mittheilung gemacht und soweit nöthig, Hilfe gebracht werden kann. Der Rath veranlaßt aber die Besitzer und Verwalter bewohnter Grundstücke wie derholt durch Bekanntmachung, die Grundstücke mit einer von der Straße au« zu läutenden Hausglocke versehen zu lassen und einer im Hause wohnenden Person beim Läuten der Glocke das Oeffnen der ge schloffenen HauSthür zur Pflicht zu machen. — Für da« in CHemnitz garnisonirende Militär sollen neue Schießstände dicht bei Thum erbaut werden. Da- au« flachliegenden Wiesen bestehende Terrain wurde kürzlich von einem höheren Offizier au- Chem nitz eingehend besichtigt und vermessen. — Zwickau. Die Tagesordnung zu der am Mittwoch, den 4. Januar 1888, Vormittag» ^12 Uhr im Sitzungszimmer der hiesigen Kgl. KreiShaupt- mannschast stattfindenden öffentlichen Sitzung des KretS-AuSschusse« besagt Folgende«: 1)Beschwerde der verw. Fischer in Reichenbach wegen Entrichtung von Malzsteuer. 2) RecurS der Apotheker Evan« und Rieper in Chemnitz wegen Abforderung von Besitz- veränderungSabgaben. 3) Rekurs F. A. Baumgärtel» in Kirchberg wegen Abforderung von Besitzveränder ungsabgaben. 4) Gesuch de» Restaurateur« F. W. Weise in Oberlungwitz um Gestattung außerregulativ mäßiger Tanzbelustigungen. 5) Rekurs de» Theater direktor« Karl in Dresden wegen der bei theatral ischen Vorstellungen in Chemnitz zu entrichtenden Ge bühren. 6) Rekurs de» Apotheker» Stephan in Treuen gegen seine Abschätzung zu den dortigen Kommunan lagen. 7) Rekurs de« Agent G. Janker und 8) Re kurs de« Oekonom Ed. Höfer in Adorf gegen die Abschätzung zu den Kommunanlagen daselbst. 9) Be schwerde C. A. Lipfert« in Falkenftein wegen seiner Abschätzung zu den dortigen Kommunanlagen. 10) Differenzen zwischen den OrtSarmenverbänden von u. Chemnitz und Gablenz wegen Erstattung von Kur kosten für Marie Minna Seifert, b. Limbach und Gablenz wegen Erstattung der dem Kinde Anna Frieda Köhler in Limbach gewährten Unterstützung, e. Gab le», und Kirchberg wegen Erstattung von Beerdig ungskosten für Margarethe Ella Richter in Gablenz, «l. Reichenbach unv Jrfer-grün wegen Erstattung de» Unterstützung-oufwande- für Milda Mühlmann. 11) Rekur« de» Oekonomen E. F. Medler in Zschopau gegen die Abschätzung zu den dortigen Kommunan- , lagen. 12) Regulativ über Versicherung der Fenster tafeln gegen Hagelschaden in Pausa. — Freiberg. Dib Treu» ist auch in unserer Zeit erfreulicher Weise kein leerer Mahn; die- erfuhr an diesem Wethnacht-heiligenabend eine Bewohnerin unserer Bergstadt, die unvermählt geblieben war, um ihrer Jugendliebe, einem Südameritaner, der ehemals hier die Bergakademie besuchte, die Treue zu bewahren. Nach siebzehn Jahren der Trennung kehrte der Süd amerikaner am Sonnabend Abend hierher zurück, um nun, nachdem er al» Bergwerk-besitzer eine vollständig gesicherte Existenz errungen, die Jugendgeliebte heim zuführen. Selten ist wohl ein Christfest in beselig terer Stimmung von zwei glücklichen Menschen ge- feiert worden. — Wieder sind in einem in Frankenberg ge schlachteten Schweine Trichinen gefunden worden. Da- ist in diesem Jahre dort der dritte Fall. — In Stollberg begeht am 17. Januar da» Stadtverordneten-Collegium sein 50jährige» Bestehen. E« wird eine entsprechende Festlichkeit abgehalten werden. — Ein Glauchauer Bäcker, welcher nicht Mitglied der dortigen Bäckerinnung ist, hatte sich in öffentlichen Anzeigen Bäckermeister genannt und war auf Denunciation der Innung vom Stadtrathe in Glauchau in eine Geldstrafe von 3 M. genommen worden. Auf seinen Widerspruch bestätigte da- Schöffen gericht diese Strafe, indem e- in seinem Erkenntnisse ausführte: »Durch da- glaubhafte Geständniß dc« Angeklagten ist erwiesen, daß derselbe in dem Jnse- ratentheile de» »Beobachter' drei GeschästSempfehl- ungen hat einrücken lassen, in welchen er sich die Be zeichnung »Bäckermeister' beigelegt hat, obwohl er niemals Mitglied einer Innung gewesen ist. Dieses Urtheil hat, nach einer Mittheilung der Chemnitzer „Presse", da» Landgericht Zwickau bestätigt. — In Reichenbach ist der unheilvollen Tri chinös iS abermals ein Menschenleben zum Opfer gefallen. Der im 25. Lebensjahre stehende Zimmer mann Dietz in Hauptmann-grün ist nach lOwöchigem schweren Leiden der entsetzlichen Krankheit endlich er legen. Die Wiitwe und 4 Kinder beklagen den Heim gang ihre« Ernährers. — AuS Breitenborn bei Rochlitz wird Folg ende« geschrieben: Auf dem Lande ist e» Sitte, vaß am Vorabend des heiligen Weihnacht-feste- den Kin dern die Geschenke durch einen sogenannten Ruprecht überbracht werden. Auch in der Schenke zu Breiten born war dieses der Fall. Der Steinmetzgeselle Poh- ler« von dort hatte am genannten Abend diese Rolle übernommen, und um sich den Kindern und Gästen gegenüber unkenntlich zu machen, au« Werg und Flachs einen großen Bart gemacht. Auf dem Rücken trug er einen Tragkorb, in den Händen den brennen den Lichterbaum. Kaum war er jedoch in die Stube getreten, so fing der Bart Feuer; im Nu stand der Ruprecht mit dem ganzen Kopfe in Hellen Flammen und nur der Besonnenheit der anwesenden Gäste war eS zu danken, daß ein größere« Unglück nicht geschah. — Die sächsischen Kriegervereine, welche im August d. I. Straßburg besuchten und daselbst von dem Sraßburger Krieger-Verein mit großer Gastfreundschaft ausgenommen worden sind, haben au« Anerkennung dem genannten Verein ein Weihnachtsgeschenk, bestehend in einer kunstvollen Wid mungsschrift, eingefaßt in einem prachtvollen Rahmen zugesandt. Wie da« »Kehler Wochenblatt" meldet, wurde von den sächsischen Kameraden, welche damals auch in Kehl eine liebevolle Aufnahme fanden, der Stadtgemeinde Kehl und auch dem Kehler Militär verein je eine prachtvolle Gedenktafel al« Weihnachts geschenk verehrt. Die Hungermauer. Nach einer alten Chronik erzählt von Franz Blanckmelster. Da- Jahr 1772 war ein furchtbare- Jahr für da« Sachsenland, insonderheit für da- arme Erzgebirge. Bereit« im Jahre vorher waren merkwürdige Natur- ereignisse eingetreten, welche der besorgten Bergbevölker- ung Furcht und Schrecken eingeflößt hatten. Im Früh jahr hatte e« in den Tiefen der Erde gegrollt; nicht unbedeutende Erdstöße, dergleichen sonst niemals in diesen Gegenden bemerkt worden waren, hatten sich ereignet und Angst und Entsetzen verbreitet ring-umher. Furcht bare Schneestürme waren gefolgt zu einer Jahre-zeit, l wo man den bösen Winter, der hier im Gebirge noch I ganz ander« auftritt al« andertwo im deutschen Baler- j lande, längst überwunden geglaubt hatte; drei Ellen hoch lagen die Schneemassen weit und breit, und manche» Bergmann«hüttlein schaute nur noch mit Augen- und Nasenspitze — will sagen mit Dachfenstern und Schorn stein — au« der weißen Decke h«AU-e- Knittn-ui^reu Schnee und Ei« unter den SttMkngsr-KEtztjftg-soflds, l.sncj»nbibliotk»Ic ( 2 4 zu Wasser geworden, al« Bäche und Flüsse mit schreck licher Gewalt über ihre Ufer traten und Felder und Wiesen de« armen Manne« verwüsteten. Dann stellten sich Gewitter ein und schütteten unter Donner und Blitz so mächtige Wassergüsfe hernieder, daß die Leute au« ihren Häusern flüchten mußte» und ganze Wälder von der reißenden Fluth hinweggerissen wurden. Und kaum hatte man sich wieder von diesem Schrecken etwa« er holt, da erschienen unabsehbare Schwärme fremder In sekten, zweiflügelig und beinahe wie Heuschrecken anzn- sehen, die von Thüringen her da« ganze Sachsenland von Westen nach Osten durchflogen, mit ihrem gefräßigen Maule die Halme der Felder und die Blumen der Gärten bi« auf die Wurzeln vertilgten und nach gethauer Berwüstung«arbeit in solchen Haufen weiterzogen, daß sie die Sonne merklich verdunkelten. »Wo soll da« hinau«!" tönte e« da von Mund zu Mund; »ach Gott im Himmel sieh darein und laß Dich de« erbarmen!' — Und in der That, konnte man e« dem schlichten Bergvolke verübeln, wenn e« bangen Blicke- in die Zukunft schaute und die Zeichen, die Gott gethan, al« Vorzeichen einbrechenden, tiefen Elende« an nahm? Ist doch da« Erzgebirge an sich schon ein so arnse« Land, daß ganze Dörfer au« nicht« andern« be stehen al- au« Klöpplern und Handarbeitern, deren täg licher Speisezettel jahrau«, jahrein und früh, Mittag« und Abend« lautet: Erdäpfel und Kaffee mit ein wenig Ziegenmilch. Dazu ist die Zahl der Bewohner eine so erstaunlich große, daß manchmal in einem einzigen HäuS- lein mit sech« winzigen Fenstern zwei, drei Familien mit zehn bi« fünfzehn Gliedern wohnen. Kein Wunder, wenn mancher HauSvater beim Blick in die Zukunft von Zittern und Zagen befallen ward, und manche Hau«- mutier mit Seufzen auf ihr Kinderhäuflein schaute, kein Wunder, wenn alle« in laute« Klagen au-brach, al« nun da« Jahr 1772 anbrach und Nolh und Elend im Ge folge hatte, dergleichen da« Gebirge kaum in den schweren Zeiten de« dreißigjährigen Kriege« erlebt hatte, da die Kroaten mit den Schweden um die Wette da« Land verwüsteten. Ja, e« war ein furchtbare« Jahr, die« Jahr der erzgebirgischen Hunger-noth. Kein Brod gab'« weit und breit, und die Gegend von Altenburg und Lommatzsch, welche sonst in theuren Zeilen billige« Getreide und noch billigere Kartoffeln und Rüben an da« arme Erzgebirge abgab, hatte diesmal selbst nur soviel geerntet, daß e« kaum für den eigenen Bedarf hinreichte, also an Aus fuhr nicht entfernt zu denken war. Dazu gab e« keinen Verdienst in Stadt und Land. Handel und Wandel stockte, die Klöppelei warf nicht« mehr ab, — wer hätte auch in diesen theuren Zeiten Geld gehabt zu geklöppelten Spitzen? Jedermann war froh, wenn er seinen Hunger nothdürftig zu stillen vermochte. Der einzige Quell, au« dem noch ein wenig Segen floß, war da« Bergwerk, wenngleich auch hier der Ertrag lange nicht so reichlich wie in den Jahren zuvor war. So übte denn die Noth ein ganze« Jahr lang eine furchtbare Herrschaft über da« Land; hoch und niedrig seufzte unter dem Druck der HungerSnoth. Man sah in diesen Tagen der Angst wandelnde Leichen durch die Städte und Dörfer ziehen. Jünglinge, sonst da« Bild der Gesundheit und Kraft, schlichen, auf ihren Bettelstab gestützt, mit wankenden Knicen umher und flehte» vor den Thüren um Erbar men. Männer, welche gern im Schweiße ihre« Ange sicht« ihr Brod verdient hätten, mußten in ihren Werk stätten feiern und wanderten in ferne Gegenden,Lum dort Beschäftigung zu suchen und ihren nothleidcnden Familien au« der Ferne ein Wenige« zu schicken. Frauen saßen daheim mit mattem Leib, todtenblassem Angesicht und rothgeweinten Augen. Greise, welche auf ihre alte» Tage heitere Ruhe und erquickliche Pflege im Kreise ihrer Kinder und Kinde-kinder sich versprochen hatten, sahen sich von allen verlassen und fielen dem Hunger- tode anheim Kinder liefen ohne Zucht und Aufsicht fast nackend heerdenweise umher und schrieen nach Brod, und an geordneten Schulunterricht war schon lange nicht mehr zu denken. Die Schulen waren wie auSgestorben, und die Gotlethäuser wurden leer und leerer, denn man schämte sich, in zerlumptem Gewände dahin zu kommen, wo Gotte- Ehre wohnt. Der Tod raffte die Menschen in Schaaren dahin. Die Tischler wurden von Obrig- keitöwegen angewiesen, die Särge um einen ganz ge ringen Prei« au« ungehobelten Brettern zu liefern. In solchen Särgen wurden die Armen von früh zwei Uhr an auf Schubkarren zum Gottesacker gefahren, und al» da« Sterben immer mehr überhand nahm, vier und fünf Leichen in ein einzige« Grab gelegt. Und gar mancher sank im Walde oder auf der Landstraße hin und blieb Wochen und Monate unbegraben liegen, von keinem Menschen gesehen und beachtet, bi« man ihn endlich fand und ihn an Ort und Stelle mit einem stillen Vaterunser dem Säwoße der Erde übergab. Herzbrechend war da« Elend jener Tage, und von mehr al« einer Kanzel tönte damals da- klagende Propheten- wort:' »Ach, daß ich Wasser genug hätte in meinem Haupte und meine Augen Thränenquellen wären, zu beweinen die Erschlagenen in meinem Volk!" Aber gab e« denn keine mitleidige Seele, welche sich de« Elend- der armen Gebirgtbewohner in Liebe und Theilnahme angenommen hätte? Gab e« keinen Men- scheu im ganzen Sachseulande, im wohlhabenden Dreiden, im reichen Leipzig, der sich de« schönen Worte« erinnert hätte: »Wohlzuthun und mitzutheilen vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl." — Hat keiner