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vertreiben. Dadurch entsteht den deutschen Schaum- weinfabriken und — dem deutschen Reichssäckel ein erheblicher Nachtheil. ES ist wirklich an der Zeit, diesem schädlichen Unfug durch eine strenge Gesetzes bestimmung nachdrücklich zu Leibe zu rücken. In Frankreich selbst bestehen bekanntlich längst sehr scharfe Vorschriften zum Schutze der einheimischen Wein produktion gegen unlautere Machenschaften fremder Konkurrenten. — Wiederum macht sich in der Auswanderung aus dem Deutschen Reiche während des verflossenen Jahres eine erhebliche Steigerung gegen das Vor jahr bemerkbar. Die statistischen Feststellungen reichen erst bis Ende November und erstrecken sich auf die deutschen Häfen, sowie Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam. Danach sind vom I. Januar 189l bis Ende November 111,714 Personen auSgewandert gegen 89,3< 3, 87,402, 95,819, 97,247, 76,981 nnd 104,920 im entsprechenden Zeitraum der Jahre 1890 bis 1885 zurück. Alle Theile des Reiches und alle preubischen Provinzen wiesen eine erhebliche Ver mehrung der Auswanderung auf. Nur aus West falen und Hohenzollern war die Auswanderung im Jahre 1891 geringer als l890. — Rußland. In den amtlichen Kreisen Peters burgs und Moskaus herrscht kein Zweifel mehr da rüber, daß das Gerücht, auf der Moskau-Rjäsauer Eisenbahnlinie sei jüngst eine Mine gelegt worden, um den Zug des aus Livadia zurückkehreuvcu Zareu in die Lust zu sprengen, durchaus begründet sei. Die Petersburger Polizei entwickelt eine außerordent liche Thätigkeit, den Verbrechern auf die Spur zu kommen. — Mit der Gesundheit der Kaiserin ist cs bekanntlich nicht zum Besten bestellt. Die Zarin hat erst jüngst einen Jufluenzaansall überstanden und soll sich außerdem in ciuem Zustande großer Nervo sität befinden. Wie uns telegraphisch aus Wiesbaden berichtet wird, ist von dort ganz plötzlich der bekannte Massagearzt »>. Metzger »ach Petersburg abzereist, wohin er auf Befehl des Kaisers berufen worren ist, um die Kaiserin zu behandeln. Locale unv sächsische Nachrichten. — Johanngeorgenstadt. Sonntag Abend kurz nach 6 Uhr wurden die Bewohner hiesiger Stadt durch FeuerlSrm erschreckt. In kurzer Zeit stand die dicht an der sogenannten Altstadt stehende Scheune des vor einigen Wochen erst durch Brandunglück be troffenen Roßschlächters und Restaurateurs Wilhelm Groß in Hellen Flammen. Dieselbe enthielt alle Erntevorrälhe des Calamitosen, sowie verschiedene Wirthschaflsgcräthe. Allem Anschein nach liegt Brand stiftung vor. Groß ist umsomehr zu bedauern, als er infolge seines ersten Brandunglücks die Versicher ung seiner Erntevorrälhe ausgeben mußte. — Dresden. Mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs wird Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich August behufs Orientirung auf dem Gebiete der inneren Verwaltung bei der Kreishauptmannschaft zu Dresden zeitweilig Beschäf tigung nehmen. — Leipzig. Die Niederlage der hiesigen Buchdruckergehilfenschaft ist zu einer Panik ausgeartct — in allen Druckereien bietet sich sowohl das ausgetretene Personal als eine Anzahl derer zur Weiterarbeit an, welche bestimmt wissen, daß sie in den von ihnen verlassenen Druckereien nicht wieder engagirt werden. Eine Anzahl Firmen verweigert grundsätzlich die Wiedcrcinstcllung der Ausgetretenen, ein Theil „will sich's überlegen". Unter allen Um ständen aber steht die Thatsache fest, daß Hunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen jetzt unfreiwillig weiter streiken müssen, da deren Plätze durch hierher gezogene Auswärtige besetzt wurden. — Eine in der Bahnhofstraße 52 zu Plauen wohnende Jägerswittwc Namens Drosta hat am Sonnabend früh beim Fcuermachen Petroleum in den Ofen geschüttet, worauf eine große Flamme aus demselben schlug, welche ihre Bekleidung ergriff und die Veranlassung war, daß die Fra» an den Armen, der Brust und bis zum Unterkörper herab schwer verbrannt wurde. Die unglückliche Frau rannte nach vergeblichen Versuchen, das Feuer selbst zu ersticken, nach dem Borsaal, wo sie zusammenbrach unv von einem auf ihre Klagetöne herbeigeeilten Hausbewohner gefunden wurde; letzterer erstickte das Feuer. Die schwerverletzte Frau, Mutter von 4 Kindern, wurde in das Krankenhaus überführt. — Zwickau, 16. Jan. In der heutigen Sitzung der zweiten Strafkammer wurde der Haudelsmann und Steinsetzer Ernst Louis Weißflog aus Eiben stock, wegen Urkundenfälschung bereits vorbestraft, wegen abermaliger Fälschung von 3 Wechseln mit einer ZuchthauSstrase von 2 Jahren 3 Monaten und sechsjährigem Ehreurcchtsverlust bestraft. — Auerbach, 19. Jan. Heute Vormittag ver breitete sich in unserer Stadt die Traucrnachrichl, daß Herr Oberforstmeister von Cotta verschieden sei. Obgleich derselbe schon seit längerer Zeit leidend war, hatte sich doch die Hoffnung auf seine Genesung gerade in den letzten Tagen neu belebt. Leider war e» aber nur das letzte Ausflackern des LebenSsunkeuS. Seit 11 Jahren Hal Herr Oberforstmeister von Cotta sein hiesiges Amt butcivel unv sich dem Staate als ein treuer Diener und seinen Untergebenen als ein gütiger Vorgesetzter bewährt. Seine Familie betrauert in ihm einen fürsorglichen Galten und Vater, und seine Bekannten haben einen hochgeschätzten Freund verloren. — In Kleinzschocher folgten in einer Familie am 16. d. rasch Freude und Leid aufeinander. Früh 10 Uhr stellte sich ein Knabe ein, um 1 l Uhr bekam der Familienvater einen Blutsturz, an dessen Folgen er starb, und nm 12 Uhr schloß auch der Neugeborene seine Augen für immer. — Die „Dr. Nachr." schreiben: Böse Zeiten sind gekommen für eine große Anzahl der Bewohner deS oberen VogtlandeS: Georgenthal, Untersachsen berg, Klingenthal, Obersachcnberg. Die Musikwaarcn- branche ist cs, die momentan schwer darniederliegt, der Musikwaarenexport hat seit längerer Zeit schon die tiefste Schädigung erfahren. Am Trauerigsten steht cS mit der Species der Mundharmonika. Ein großer Theil der Bevölkerung findet durch deren Fabrikation ihren einzigen, sonst auch ausreichenden Verdienst. Aber augenblicklich haben viele Fabrikan ten mindestens die Hälfte ihrer Arbeiter entlassen müssen, die in der Arbeit verbliebenen arbeiten zu meist „auf Lager". Die Noth ist in der That groß und schwer geworden; daß sie bald gehoben sein dürfte, ist gegenwärtig nirgends ersichtlich. Die Leute fangen an im buchstäblichen Sinne zu hungern. Was an Hilfe geleistet werden kann, reicht bei Weitem nicht aus. Abhilfe und Unterstützung thut dringend, dringend noth! Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. 21. Januar. «Nachdruck i'krbore») Am 21. Januar 1877 lehnte die Türkei das Ultimatum der Mächte, das diese gestellt hatten, um wieder einmal für einige Zeit Ruhe nnd Ordnung in den ewig unruhigen enro- päischc» Provinzen der Türkei zu schassen, ab. Das bedeutete, wie sofort Allen klar war, den Krieg. Jene Zeit vor dem groben russisch-türkischen Kriege von 1877/78 ist nicht nur hoch interessant, sie giebt auch ein klares Bild der im Orient herr schende» Zustände, der Fragen, die der Erledigung harren und eines Tages auch ihre Erledigung finden müssen. Die türki schen Bedrückungen hatten die Christen in Serbien und Monte negro, auch in Bulgarien, zum Ausstande getrieben, der sich zunächst in der Steuervcrwcigerung zeigte. Dann folgten zahl reiche Greuelthaten aus beiden Seiten, Kämpse mit türkischen Heeren in wechselndem Glücke und schließlich gegen das Ende des Jahres 1878 Conserenzen der Mächte (Rußland, Oesterreich, Deutschland, England, Frankreich und Italien) in Constanti- nopel, um den „kranken Mann" am Bosporus zu heilen. Die Medizin hätte vielleicht angeschlagen, wenn er sie nur genommen hätte. Die Forderungen, welche die Mächte stellten, erhellen klar die Lage in jenen Ländern und sie cbarakterisiren Alles was zu Differenzen in der sogenannten „Orientalischen Frage" Veranlassung giebt. Man verlangte: religiöse und politische Gleichstellung der Christen mit den Mohammedanern in Bos nien, Herzegowina und Bulgarien, Ernennung christlicher Gou verneure und einer europäischen Ueberwachungs - Commission ; man dachte an eine Occupatio» durch neutrale, etwa belgische Truppen und durch ein gemischtes europäisches Gendarmerie- Corps. Am meisten interessirt bei der ganzen Sache war natürlich Rußland und da die Türkei das Ivußte und sic es über kurz oder lang doch zu einem Kampfe mit Rußland kommen lassen mußte, so ließ sic diesen Kamps lieber sofort an sich herantreten. Daruni lehnte sie am 21. Januar 1877 die Forderungen der Mächte definitiv ab und sämmtliche Mächte riefen ihre Gesandten aus Constantinopel ab. 22. Januar. Vor 2V Jahren, am 22. Januar 1872 trat der Kultus minister Iw. Falk in Preußen an die Stelle des Herrn von Mühler. Das Ercigniß an sich, bedeutungsvoll nicht nur für Preußen, sondern auch wichtig für ganz Deutschland, kann heute in diesen Geschichtsnotizen in Erinnerung gebracht werden. Würdigung und Charakteristrung desselben, Folgen und Ver wickelungen, die damit zusammenhängen, gehören nicht in den Rahmen dieser objektiven Darstellungen, die sich mit Partei sachen nicht beschäftigen kann. Minister I)r. Falk verwaltete sein Amt bis l. Juli 1879. Die Schloßmamsell. Eine Erzählung von F. Herrmann. (4. Fortsetzung.) Das Zimmer war zum Empfange der werthen Gäste und zum Behuf seiner eigenen festlichen Be stimmung bereits auf das stattlichste ausgeschmückt und aufgeputzt. Wie soeben aus der Wcrkstätte neu hcrvorgegangcn, glänzten die blankpolirten Hausge- räthe dem Auge entgegen; die feinbattistenen, durch pfeilartige Stäbe geschmackvoll emporgchaltencn Fenster gardinen beschämten durch ihre Weiße frisch gefallenen Schnee; schelmisch lächelnd hielt ein unter der Glas glocke lauschender, stark vergoldeter Amor, genau nach dem Zeitmaße des unter ihm befindlichen, mit ihm in Verbindung stehenden Uhrperpendikels, seinen Bogen bald auf die Eintretenden, bald auf die keusche Su sanns gespannt, deren abenteuerliche Geschichte auf einem seitwärts der Thür stehenden Kaminschirme abgebildct zu schauen war, und schonungslos, da der junge Frühling seinem rauhen Vorgänger die Zügel der Regierung soeben erst zu entwinden gesucht hatte, war das herrschaftliche Treibhaus geplündert worden, um die Blumenguirlanden zu liefern, die, ihren Haupt- bcstandtheilen nach aus frischen Myrthenreiscrn ge flochten, in zarter, sinniger Bedeutung an den Wänden umhcrhingen. Mit eben der Sorgfalt, mit welcher Jeannette in Hinsicht ihrer Umgebungen auf einen für das Auge wohlgefälligen Eindruck bedacht gewesen war, hatte sie auch ihre eigenen, vom Zahne der Zeit hin und wieder in merklichen Anspruch genommenen Reize möglichst aufzufrischen und zu erhöhen gesucht, und in der That war ihr diese Bemühung keineswegs so ganz fehlgeschlagen. Eine heitere Anmuth lag durch die thätige Mit hilfe der Kunst über ihr ganzes Wesen auSgegossen; ein gewisser schwärmerischer und melancholischer Zug, der in ihrem Gesicht sich auSvrückte, stand in einem angenehmen Gegensätze zu der fröhlichen, fast an echt jugendliche Munterkeit grenzenden Gewandtheit ihres Benehmens, und ein geschmackvoller Anzug, der die Grcnzpunkte der Sittsamkeit hier und dort nur berührte, ohne sie irgendwo zu überschreiten, drückte dem sinnreich begonnenen Werke das Siegel der Vollendung auf. Dessenungeachtet wußte Theodor, wie arglistig auch alle diese verführerischen Lockungen berechnet waren, ihm das Auge zu blenden und das Herz zu bestricke», weder die Verlegenheit, die in seinen Worten und Gebärden sich kund gab, zu überwinden, noch das unmuthigc, widerstrebende Gefühl in seinem Innern ganz zu unterdrücken, welches bereits gestern sich seiner bemächtigt und auch heute noch immer ihn nicht verlassen hatte. Mit schüchterner Aengstlichkeit verweilte sein Blick auf den echten und unechten Reizen der Jungfrau, mit welcher er, durch den heute abzuschlicßenden Ver lobungs-Kontrakt gebunden und festgehalten, nach Verlauf von drei Jahren sich in ein eheliches Ver- hältniß sollte finden und schicken lernen. Linkisch und unbeholfen hatte er schon diesen Morgen ihr über die Gartenplanke hinweg die Hand zum Bewillkommnungsgruße geboten; ungeschmeidig und steif waren und blieben auch jetzt alle seine Schritte und Bewegungen, obgleich der gewandte und aufgeweckte Vater ihm in Beobachtung des feinen Welltons als Meister hätte gelten können. Zuni Glück schien man indessen die aus dem peinlichen Zustande seines Gemülhs herrorgehendcn äußeren Zeichen und Merkmale nur für den ganz natürlichen Ausdruck einer gewissen Blödigkeit zu halten, die von der Unschuld und Unverdorbenheit des jugendlichen Herzens einen ehrenvollen Beweis ablegte. Es lag daher auch weder in den scheu unv unstät umher- scbweifenden Blicken des Jünglings, noch in den er zwungenen einsilbigen Brocken, die er zur Fortführ ung res angeknüpften Gesprächs dann und wann beisteuerte, etwas Auffallendes für das ihn umgebende Ktecblalk. VII. Nachdem unter Besprechung mehrfacher und zum Theil ziemlich gleichgültiger Gegenstände etwa eine Stunde verstrichen war, ließen sich schwerfällige Tritte unten auf der Treppe vernehmen; balv darauf klopfte es an die Thür, und der dicke Rathsnotarius Frie- sing trat, eine Papierrolle unter dem Arme und mit feierlichem Anstande gegen die Gesellschaft sich ver neigend, in das Zimmer. Die Papierrolle enthielt in doppelter Abschrift den gerichtlich ausgefertigten Verlobungs-Kontrakt, dessen Abfassung Jeannettens löbliche Vorsicht und Ordnungstiebe für nöthig erachtet und zu dessen rechtskräftiger Unterzeichnung jetzt sogleich die erfor derlichen Anstalten getroffen wurden. Fricsing setzte mit aufgesteckter Brille sich an den Tisch, begann in eintönig schnarrender Stimme den Inhalt Punkt für Punkt zu verlesen und schritt so dann zu den übrigen gesetzmäßigen Formalitäten. Bevor noch eine Viertelstunde verlief, war Theodor Jeannettens erklärter Bräutigam und sein Schicksal für immer an das ihrige gebunden. Ein festlicher Schmaus, an welchem auch Fricsing auf ergangene Einladung theilnahm, folgte der Feierlichkeit. Die sorgsame, gefällige Wirthin that, was in ihren Kräften stand, um die heitere Stimmung, in welche sic sich versetzt fühlte, auch bei ihren Gästen zu er wecken und festzuhalten, und bald gelang ihr das in so vollkommenem Grade, raß selbst Theodor, vom Beispiel der übrigen Tischgenossen angcsteckt und durch die Gluth des reichlich kredenzten Malaga angefeuert, sein schüchternes Wesen allmählich ablcgte und mit immer gefaßterem Muthe sich in ein Verhältniß zu finden anfing, dessen Abänderung jetzt ohnehin nicht mehr in seiner Gewalt stand. Jeannette schwamm in einem Meer von Wonne; bei jeder Gelegenheit suchte sie die Hand deS geliebten Tischnachbars zu erhaschen, um durch verstohlenen Druck derselben ihm die Innigkeit ihrer zärtlichen Gefühle kund zu thun, und Theodor, statt diesen Gunstbezeugungen sich störrisch zu widersetzen, ließ mit billiger Anerkennung der jetzt ihr zustehendcn Rechte, Alles mit sich machen; nur als sic den Vor schlag, der sorgenfreieren BeNcibung seiner akade mischen Studien durch jährliche Uebersendung einer gewissen Summe Geldes zu Hilfe zu kommen, ihm heimlich ins Ohr raunte, schien er dem Grundsätze der Geduld und Nachgiebigkeit nicht länger treu bleiben zu können; ein heftig auflodernder Unwille blitzte aus seinen Augen, und unter Andeutung, daß durch den Genuß zweier ihm zu Theil gewordenen Stipendien sein Lebensunterhalt für die nächsten drei Jahre vollkommen gesichert sei, lehnte er das Aner bieten mit so fester und entschiedener Bestimmtheit von sich ab, daß jene eS nicht für ralhsam hielt, weiter in ihn zu dringen. Durch Jeannettens einlenkend kluges Benehmen