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b) Es waren zwei Königskinder Bearbeitet von Siegfried Odis Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb; sie konnten beisammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief. „Ach Schätzdien, könntest du schwimmen, so schwimm doch herüber zu mir! Drei Kerzchen will ich anzünden, und die soll’n leuchten zu dir." Das hört ein falsches Nönnchen, die tat, als wenn sie schlief; sie tat die Kerzlein auslöschen, der Jüngling ertrank so tief. Sie fafet ihn in ihre Arme, und küfet seinen roten Mund; „Ach Mündlein, könntest du sprechen, so war mein jung’ Herze gesund!" Sie schwang sich um ihren Mantel und sprang wohl in die See: „Gut’ Nacht, mein Vater und Mutter, ihr seht mich nimmermeh." Da hört man Glocken läuten, da hört man Jammer und Not. Hier liegen zwei Königskinder, die sind alle beide tot. c) Heidenröslein Heinrich Werner, 1829 / Bearbeitet von E. Humperdink Sah ein Knab’ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden, war so jung und morgenschön; lief er schnell, es nah zu sehn, sah’s mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. Knabe sprach: „Ich breche dich, Röslein auf der Heiden!" Röslein sprach: „Ich steche dich, dafe du ewig denkst an mich, und ich will’s nicht leiden." Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. Und der wilde Knabe brach ’s Röslein auf der Heiden; Röslein wehrte sich und stach, half ihm doch kein Weh und Ach, mufet' es eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. (J. W. v. Goethe)