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Parteien mir Nothwendigkeit gegen sich aufbringt, um nicht zu sagen, empört. Fürst Bismarck hat, solange da« neue Reich besteht, stet« da« Seinige gethan, um den inneren Frieden zu wahren und nicht künst lich da Unwillen zu wecken, wo ursprünglich die Freude am Reick vorhanden war. Man geht jetzt andere Wege. ES wird nach Bedarf die Rücksicht durch Rücksichtslosigkeit, da« Recht durch die Macht de« Stärkeren ersetzt, auch wohl gelegentlich die Au torität der angestammte» Fürsten mißachtet u. unter graben." In ihrer Nummer vom 3. d. M. »heilen die „Mecklenb. Nachr." mit, daß verschiedene von Preußen nach Mecklenburg kommandirtc Offiziere wegen jene« Artikel« die Zeitung abbestellt hätten. Die Redaktion verwahrt sich zunächst dagegen, irgendwie partikula- ristische Tendenzen zu verfolgen, oder gar die Loyali tät gegen den Kaiser verletzt zu haben, sagt aber dann: »Um alle diese Dinge handelt e« sich hier schlech terdings nicht, sondern lediglich um die Frage, ob die ganze Aktion gegen die mecklenburgische Militär konvention, die General von Leszcynski mit größter Offenherzigkeit vor vielen Zeugen seinerzeit proklamirt hat, und deren verschiedene Phasen wir alle mit erlebt haben — ob diese Aktion mit allen ihren verschiedenen Maßregeln und mit ihrem endlichen Abschluß in Dömitz dem Verhältniß entspricht, welche« unter verbündeten Staaten herrschen sollte. ES ist eine Thatsache, welche gar keiner Ableugnung begeg nen kann, daß eine Meinungsverschiedenheit über die Auslegung der Militär-Konvention von preußischer Seite durch Appell an physische Machtmittel zu eige nen Gunsten entschieden worden ist. Welche Aus legung der Konvention die richtige ist, kommt dabei garnicht in Betracht — 20 Jahre lang hat übrigens die mecklenburgische für die richtige gegolten. Sondern darum handelt es sich, ob im deutschen Reich Diffe renzen unter Bundesstaaten durch den BundeSrath oder durck die Gewalt der Waffen entschieden werden. Und wer will e« uns inonarchisch gesonnenen Mecklen burgern verrenken, wenn wir die Kränkung unsere« theueren Landesherrn al« eigene Kränkung mitfühlen?" Es scheint sick hier um die Aufhebung des meck lenburgischen Militär-Departements zu handeln. — Zur Aufklärung über die Vorgänge in Mecklenburg geht dem „Hamb. Korr." aus Schwerin folgende Miktheilung zu: Es handelt sich um Zwistigkeiten zwischen unserem Militärdepar tement einerseits und der preußischen Militärbehörde andererseits. Mecklenburg hat selbstverständlich nicht mehr sein eigenes Kontingent, doch hat sich noch ein spezifisch mecklenburgischeSMilitärdepartement erhalten, dem die Kommandanten in Rostock, Schwerin und Dömitz, die militärische Gerichtsbarkeit, das Invalider wesen, die Versorgung ver Militär-Anwärter in Zivil- stellnngen und einige andere derartige Geschäfte zur Verwaltung übergeben sind. An den Sitzen der Komman danturen und zwar in Schwerin und Dömitz sind die erwähnten Zwistigkeiten nun zunächst zum Ausbruch gekommen. In Schwerin wurde an einer Kaserne vom Wachtposten zum Geburtstag der Kaiserin die Flagge ausgezogen, die Kommandantur ließ die Fahne entfernen, da nicht, wie dies sonst üblich gewesen, die Genehmigung der Kommandantnr zum Aufziehen der Flagge eingeholt wurde. Wie wir hören, ist in Folge dessen höheren Ort« von Preußen aus die Komman dantur angewiesen worden, sich in Zukunft jeder Ein wirkung auf die Wachtposten zu enthalten. — In Dömitz war auf Veranlassung der Kommandantur eine Verhaftung eines Militärs vorgcnommen, von welcher der Befehlshaber de« in Dömitz befind lichen Wachtkommandos der Ansicht war, sie liege nicht innerhalb der Befugnisse der Komman dantur. Da« Militär-Departement entschied im Sinne der Kommandantur, vom preußischen Kriegs ministerium kam jedoch an den Befehlshaber deS Wachtkommandos die telegraphische Weisung, den Ver hafteten zu befreien. Selbstverständlich ließ man cS darauf nicht ankommen, doch traten innerhalb des Departements Personalveränderungen ein. Thatsäch- lich hat der Chef des Militär-Departements, der General von Brandenstein seine Entlassung gegeben, an seine Stelle ist der frühere preußische Oberstlieute nant von Maltzan getreten, und c« ist in Folge dessen da« bisherige Mitglied de« Departement«, Oberst v. Schultz, gleichfalls veranlaßt worden, seine Entlassung zu geben. — Amerika. Als charakteristisch berichtet der „Figaro", daß während im Jahre 1890 sich 4673 Deutsche in den Ver. Staaten al« amerikanische Bürger naturalisiren ließen, diese« im gleichen Zeit räume von 140 Franzosen geschah. Locale und sächsisch« Nachrichten. — Eibenstock, 7. Jan. Dem Schuhmacher meister Christian Ferdinand Hagert u. seiner Ehe frau Caroline Wilhelmine geb. Fiedler hier ist au« Anlaß ihre« 50jährigen Ehejubiläum« am 2l. Novbr. 1891 von Sr. Maj. dem König ein Allerhöchste« Gnadengeschenk huldvollst bewilligt und hente an Rath«stelle eingehändigt worden. Dem Jubelpaare wurde durch diese Ehrengabe eine große Freude bereitet. Möge ihnen Beiden noch ein recht langer Lebensabend beschieden sein. — Dresden, 7. Jan. Nachdem das Befinden Sr. Königl. Hoheit de« Prinzen Georg sich er freulicherweise in hohem Grade gebessert hat, werden vorläufig keine Bulletin« mehr ausgegeben. Nur bei wesentlichen Veränderungen wird die« geschehen. — Leipzig. Am Dienstag Abend sprach in einer in der hiesigen Tonhalle abgehobenen großen öffentlichen Versammlung k)r. Paul Förster aus Berlin über da« Thema: „Deutsche Rechtsgrund sätze und die Verjudung de« Staat«." Nach Schluß de« mit großem Beifalle aufgenommenen Vortrage« fand folgende Resolution einstimmige Annahme: „Die Versammlung erklärt e« auf Grund der Ausführungen de« Referenten für eine Hauptaufgabe der Staats- kunst, die Gesetze in Uebcreinstimmung mit der deutschen RecktSanffassung zu bringen; insbesondere ruft sie alle BaterlandSfreunde auf, aufmerksam dar über zu wachen, daß da« neue bürgerliche Gesetzbuch diesen Anforderungen in vollem Blaße entspricht." — Der Verein der Creditresorm in Leipzig hat folgenden Antrag zur Begutachtung und eventu ellen Annahme an die Handelskammern gegeben: »In jeder Gerichtsschreiberei bei den Amtsgerichten wird ein Verzeichniß gehalten, daß die Namen der Mani festanten, den Tag der Leistung de« Eike«, die Sache, in welcher und die Scknldsnmme, wegen der er ge leistet wurve, enthält. Von diesem Verzeichniß, dessen Einsicht Jedem freisteht, der ein Interesse hat, sind auf Ersuchen auch Abschriften an die Handels- und Gewerbekammern, AuSkunftbureaus und sonstige kauf männische Vereinigungen abzugeben. — Da« Gericht hat auch in solchen Fällen eine dem § 68 der Kon- kursorduung entsprechende Veröffentlichung eintreten zu lassen, wo keine zur Eröffnung des Konkursver fahrens ausreichende Masse vorhanden ist." Die Nürnberger Handelskammer hat diesem Anträge be reits ihre Zustimmung gegeben. Die Zustimmung anderer Kammern steht in Aussicht und so dürfte zu hoffen sein, daß in absehbarer Zeit in dieser leidigen Angelegenheit Wandel geschaffen werde und Besserung eintrete. Bis jetzt war es möglick, daß eine Person vier-, fünfmal den Offenbarnngseid sckwören konnte. — Mylau, 7. Januar. Der hiesige „Deutsche Kriegerverein" hatte kurz vor Weihnachten seinem Ehrenmitgliede, Sr. Durchlaucht dem Fürsten Bis marck, ein kunstvoll gearbeitetes Album mit WidmungS- blatt und 22 photographischen Ansichten von Mylau und der näheren Umgebung überreichen lassen. Da rauf ist jetzt von Sr. Durchlaucht an den Vorsteher des Deutschen Kriegervereins, Herrn Stadtrath Hopf, folgendes Antwortschreiben gerichtet worden: „Fried richsruhe, den 21. Dezember 1891. Durch die Ver leihung der Mitgliedschaft Ihres Vereins und durch die Ueberiendung der so kunstvoll und reich ausge statteten Urkunde haben Sie mir eine besondere Weih- »acktsfreude bereitet. Das Album und die Bilder des Vereins und Ihrer Stadt habe ich mit Vergnügen gesehen und werde ich Ihre ehrenvolle Anerkennung meiner Sammlung von Denkwürdigkeiten zu Schön hausen einverleiben. Wenn Sie Ihre Absicht aus führen, mich mit Ihrem Besuche zu beehren, so werde ich mich freuen, die Herren Kameraden hier herzlich zu begrüßen, von Bismarck." — Am Hohen-Neujahrsmorgen brannte in Zwö nitz der Gasthof zum „Feldschlößchen," der sogenannte Wind, total nieder. — Welch' namenloser Jammer über eine Familie durch eine sogenannte Wahrsagerin oder Karten schlägerin, selbst wenn sich die betroffenen Personen nur im Scherze von solchen Menschen die Zukunft enthüllen lassen wollen, gebracht werden kann, beweist ein erneuter, in einem Dorse im Erzgebirge vorge kommener Fall. Kam da im vergangenen Sommer eine schon wegen der Ausübung des verbotenen Karten schlagens verhaftet gewesene, zur Zeit in Chemnitz wohnhafte Frauensperson zu Besuch dahin, kehrte bei einer sehr geachteten Familie ein und weissagte der sich ihr im Scherze anvertrauenden Hausfrau aus ihren mitgebrachten Karten, daß Jemand im Hause sei, der ihr Unglück brächte, — und nennt auch diese Person. Man lachte natürlich darüber. Da aber nach Wochen der Ehemann erkrankte und erspartes Geld deshalb angegriffen werden mußte, verfiel die Hausfrau in Sinnen und wich oft jener genannten Person, einer fleißigen ordnungsliebenden Frau und Mutter zahlreicher Kinder, die durch ihr freundliche« Wesen überall geliebt und geehrt wird und sich solche« Verhalten nicht zu erklären wußte, scheu aus, verfiel dann am heiligen Abend in lautes, krampfhafte« Weinen — und spricht seitdem oft wirr. Statt der erwünschten Weihnachtsfreude war nun das Elend in die Familie eingekehrt. Und wer ist Schuld an diesem unsagbaren Jammer?! — Jene sogenannte Wahr sagerin. — Im Erzgebirge bestehen 21 Klöppel schulen, in denen von 24 Lehrkräften etwa 900 Kinder von 9—14 Jahren im Klöppeln von Spitzen unterrichtet werden. Die Spitzen, welche man in diesen Anstalten herstellt, werden von 11 Verlegern verkauft. ES werden Spitzen au« Leinenzwirn, Seiden- und Wollengarn in den verschiedensten Mustern und Breiten erzeugt, so z. B. starkleinene und Torchan-, schwarzleinene Schnuren-, seidene Guipure- und In aner Spitzen, ferner Torchan- und Guipure-Taschen- tücher, Kissen-Einsätze, Schleier, Barben, Häubchen re. Im Jahre 1890 hatten die Kinder 19,722 Mark ver dient, durchschnittlich also ca. 22 Mk. jeve« Kind. Die Gemeinden gewährten eine Beihilfe von 1925 Mk., während der Staat 12,380 Mk. bezahlte. Da durch allein wurde der Fortbestand der Klöppclschulen ermöglicht. Aus »ergangener Zeit — für unsere Zeit. Bor 100 Jahren, am 9. Januar 1792, schloß Rußland mit der Türkei nach einem der üblichen Kriege, mit denen ersteres Reich das letztere in gewissen Zeiträumen zu überziehen pfleg«, wieder einmal Frieden. Es ist dies der Friede zu Jassy, der natürlich die Türkei wieder ein Stück ihres großen Besitzes kostete, nämlich den ganzen Landstrich zwischen Dnjestcr und Bug und die Festung Otschakow. Der Dnjester bildete fortan die Grenzlinie zwischen Türkei und Rußland. Dieser Krieg und der Friede fiel in die Regierung der berühmten und berüchtigten Kaiserin Katharina II. Dieser und ihrem ge treuen und gewissenlosen Günstling Potemckin kam es aus Menschenopfer nicht an und so sind denn sür diesen Krieg und die Landerwerbung ungezählte Tausende, sogar Hunderttausende gcopsert worden. Und das Alles nicht etwa in einem noth- wendigen Kriege, der um eine Idee oder um eine neue Staats ordnung oder als Abwehr eines Angriffes ausgekämpst werden mußte, sondern lediglich zum größere» Ruhme der übermüthigen Kaiserin. Was damals möglich tvar, ist übrigens auch heute noch im „heiligen Rußland" möglich. 10. Januar. In unserer Zeit des gesteigertsten Verkehrs wird die Frage der Eisenbahnzonentarife pro und oontrn vielfach er örtert und wie zu allen Zeiten, in denen eine große Erfindung, eine große Reform in's Leben treten sollte, nehmen die soge nannten maßgeblichen Kreise auch der neuesten Forderung der Verkehrserleichterung gegenüber eine ablehnende Stellung ein. Nun könnte man ja mit Dutzenden und Hunderten von Beispielen auswarten, in denen vom grauen Alterthum bis in die Neuzeit hinein es saft regelmäßig die Fachkreise waren, die sich den besten Reformen entgegenstellten, allein eS genügt wohl ein klares und gleichsam ein zu den Eisenbahnen ein Seitenfiück bildendes Beispiel. Das ist die am lv. Januar 1840 in England erfolgte Einführung des Penny-Portos: d. h. es wurde, in Kürze gesagt, das Durchschnittsporto von 7'/., auf 1 Penny bis zum Gewichte von etwa IS Gramm herabgesetzt. Wer war der kühne Reformator? Ein Mann, der Lehrer, Schreiber, Expedient einer Versicherungsgesellschaft war, Rowland Hill. Bereits 1827 machte er seine Vorschläge, die der Fachveestand natürlich als „undurchführbar" zurück wies und erst IS Jahre später drang er durch, früher als das anderweitig möglich gewesen wäre, im praktischen England. Das „Undurchführbare" ist uns Allen, wo es eine „Post" giebt, etwa« so Selbstverständliches geworden, daß wir gar nicht mehr daran denken, daß es einmal anders gewesen. Und Rowland Hill hat man Denkmäler gesetzt und hoch geehrt, obwohl er kein Fachmann war. Vermischte Nachrichten. — Marggrabowa. Dem „Gesell." wird von hier erzählt. Unsere Grenzbewohner, die durch die Lebensverhältnisse gezwungen sind, mit den russischen Grenzsolvaten recht oft in nähere Berührung zu treten, haben es jetzt im Verkehr viel schwerer als vordem. Während früher jeder russische Grenzsoldat der polnischen Sprache mächtig war, findet man jetzt, da die Soldaten aus dem Innern von Rußland nach der Grenze verlegt worden sind, und umgekehrt die polnischen Soldaten nach dem inneren Rußland, unter tausend Mann kaum einen, der polnisch sprechen kann. Darum verständigt man sich nunmehr meistens nur durch Zeichen und spielt hierbei der Branntwein (votlen) und Tabak (todulia) eine größere Rolle, denn je vorher, doch müssen zum größten Leidwesen unserer Grenzbewohner die Portionen jetzt noch größer ausfallen, wa« schon manchem öfter« zu stark in den Beutel riß. Ein Schlaukopf kam nun auf einen höchst findigen Einfall: Au« denaturirtem Spiritus berei tete er einen SchnapS, um denselben den Grenzsoldaten zu schenken. Diesen tief aus dem Innern Rußland« gekommenen Söhnen, die an scharfe Getränke von Jugend auf gewöhnt sind, mundete dieser Trunk ganz vortrefflich, einer nur, sich dabei vor Behagen die Kehle reibend, soll bemerkt haben: „Der SchnapS schmeckt sehr gut, nur ein Bischen stark nach „Wald meister!" — Einen eigenartiges, leider sehr bezeich nenden „Zug des Todes aus dem Jahre I89l," Hal sich die „Bert. Ztg." zusammengestellt. Derselbe lautet: I) Schnöckel, Kommerzienrath in Berlin, Selbstmord. Grund: Unterschlagung. 2) Wolff, Kommerzienrath in Berlin, verhaftet. Grund: Un terschlagung. 3) Felix Sommerfeld, Hosbankier in Berlin, erschossen. Grund: Unterschlagung. 4) Sieg fried Sommerfeld, Hofbankier in Berlin, erschossen. Arund: Unterschlagung. 5) I. Leipziger, Bankier in Berlin, verhaftet. Grund: Unterschlagung. 6) Ed. Maaß, Bankier in Charlottenburg, verhaftet. Grüne: Unterschlagung. 7) Dittmar, Bankier in Berlin, ver haftet. Grund: Unterschlagung. 8) Friedrich Ab«- hamson, Bankier in Berlin, verhaftet. Grüne: Wucher. 9) Löwy, Bankier in Berlin, verhaftet. Grund: Un terschlagung. 10) Paarmann, Fabrikant in Berlin, erschossen. Grund: „Schlechte Geschäfte." 11) Cohn, Fabrikant in Berlin, erschossen. Grund: Schlechte „Geschäfte." 12) Heinrich Herbrecht, Bankier in Unna, verhaftet. Grund: Wechselsälschung. 13) Hertrich, „Buchhalter" in Unna, erschossen. Grund: Wechselfälschung. 14) Emil Mayer, Bankier in Hil- dcsheim, erschossen. Grund: „Falsche Spekulation." 15) Sordmeyer, Bankier in Stade, verhaftet. Grund: Wechselfälschung. 16) Michael, Bankier in Stade,