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ES ist anzunehmcn, daß diese Anregung bei unserer Küstenbevölkerung Verstiindniß und Förderung finden wird. — Der Weltausstellung in Chicago wird wie in den industriellen und künstlerischen Kreisen, so auch seitens der deutschen Landwirthschaft ein wachsendes Interesse cntgegengebracht. Namentlich in Schleswig-Holstein, Oldenburg und Ostpreußen besteht die Absicht, Rindvieh und Pferde, und zwar insbesondere vorzügliches Zuchtvieh, zu dem inter nationalen Wettbewerbe nach Chicago zu entsenden. Die Frage der für eine derartige Ausstellung gelten den Sonderbedingungen und der zu gewährenden be sonderen Preise ist von Seiten der Vertretung dcS Deutschen Reiches mit dem Chicagoer Ausstellungs- Komitee eingehend erörtert worben und wird, wie zum Theil bereits geschehen, unzweifelhaft einer befriedigen den Lösung zugeführt werden. Da überdies auch Sämereien, landwirthschaftliche Maschinen, Weinbau und Gartenbau in Chicago vertreten sein werden, so dürfte die deutsche Abthcilung ein ziemlich vollständiges Gesammtbild unserer Landwirthschaft enthalten. — Der Jahreswechsel ist nicht vorüberge gangen, ohne daß die friedlichen und ruhevollen Aspecte, die die politische Situation beherrschen, auch beson ders betont worden wären. So hat König Umberto von Italien bei der Gratulationscour am Neujahr S- tag der Abordnung der Kammern seiner Freude über den Abschluß der Handels-Verträge Ausdruck gegeben und dazu bemerkt, das Jahr, in das wir eingetreten seien, verspreche zuversichtlich, der Wirkung des neuen handelspolitischen Werkes volle Entfaltung und Ent wickelung zu belassen. Auch in Frankreich hat das Staatsoberhaupt in ähnlichem Sinne sich ausgelassen. Es geschah bei dem Empfang des diplomatischen Korps. Ehedem lauschte ganz Europa mit bangem Hcrzem der Kunde von dem Verlauf des Neujahrs empfanges an Frankreichs Hofe. Das ist nun zur tröstlichen Beruhigung des Erdtheils seit Jahrzehnten nicht mehr nöthig. Der feierliche Apparat, den eine solche diplomatische Neujahrsparadc an der höchsten Stelle der Regierungsgewalt Frankreichs entwickelt, ist aber noch immer der gleiche, überaus glänzende und prunkvolle. Der päpstliche Nuntius sagte als Sprecher des diplomatischen Korps: „Meine Kollegen vom diplomatischen Korps und ich, wir haben das Glück, Ihnen, Herr Präsident, mit unseren Huldig ungen zugleich unsere Wünsche vollsten Wohlergehens für Sie uns für die erlauchte französische Nation, deren höchste Amtsverwaltung Ihnen anvertraut ist, darzubringcn, indem wir die göttliche Vorsehung bitten, diese Wünsche im reichsten Maße zu erhören. Ich bitte Sie, Herr Präsident, im Namen des diploma tischen Korps, den aufrichtigen und chrsurchtvollen Ausdruck dieser unserer Wünsche zu genehmigen." Präsident Carnot dankte dem diplomatischen Korps für seine Wünsche und Gesinnungen gegenüber Frank reich und dem Präsidenten der Republik und fügte hinzu: „Das Jahr 1892 wird für uns, wir hoffen und wünschen es Alle, ein friedliches und frucht bringendes Jahr sein, während dessen die Regierungen sich den wirthschaftlicken Interessen und den sozialen Aufgaben widmen können, welche sich ihrer Fürsorge immer dringender empfehlen. Wenn die Republik das Bewußtsein der Rechte und der Traditionen Frankreichs hat, so ist sie nicht weniger fest der Po litik des Friedens und internationalen Eintracht er geben. Versichern Sie dessen von Neuem die Re gierungen, welche Sie bei uns vertreten." — Frankreich. Die Stadt Toulon ist in diesem Augenblick der Schauplatz „imposanter russen- freundlicher Demonstrationen", welche lebhaft andievergangenenfranzösisch-russischenVerbrüderungen von Cherburg und Brest erinnern. Die russische Fregatte „Minin", welche sich im Hafen von Toulon aufhält, ist die Veranlassung zu diesen neuen Kund gebungen, bei denen allerdings die Freundschaft auf den Siedepunkt getrieben zu sein scheint. Offizielle Besuche von hüben und drüben, Empfänge, Fest mähler reihen sich aneinander. Bei einer Gala vorstellung, welche die -statt für die Besatzung der Fregatte im dortigen Theater veranstaltete, wollte der Beifall Angesichts der reichlich eingestreuten Anspie lungen kein Ende nehmen, die Marseillaise und die russische Hymne wurden stehend ««gehört und die Rufe: Es lebe Frankreich! Es lebe Rußland! er schütterten das Haus. — Man weiß garnicht, was man für Feste ersinnen soll, um bald der Mannschaft, bald den Unteroffizieren, bald dem Offizierkorps des russischen Kriegsschiffes zu gefallen. Sogar klassische Konzerte werden von der dortigen musikalischen Ge sellschaft zur Feier der Verbrüderung veranstaltet, weiche noch ca. eine Woche lang andauern dürfte. Wünschen wir, daß der Katzenjammer, welcher diesem ganzen Freudenrausch über kurz oder lang folgen muß, kein allzu schwerer sein möge. — Rußland. Dem Londoner „Standard" wird aus Sebastcpol gemeldet, daß innerhalb der letzten 14 Tage zwei Jnsanterie-Divifionen nach der öster- reichischen-russischen Grenze dirigirt worden seien. Beinahe 90,090 Mann seien seit dem Monat August an der Grenze zusammengezogen nnd täglich treffen noch Verstärkungen ein. Locale und sächsische Nachrichten. — Eibenstock. DaS geschiedene Jahr 1891 läßt, wie wir glauben, wenig Freunde zurück. ES war ein launisch-verdrießliches Ding mit seinem langen, kalten Winter, seinem nassen Sommer. Die durch Mißernte und schamlosen Wucher geschaffene Theuer- ung, der wirthschaftliche Stillstand auf vielen, so auch auf dem Gebiete unserer heimischen Exportindustrie, Bankbrüche in der Nähe und der Ferne mit ihren unausbleiblichen Folgen, alles das war nicht angethau, eine behagliche Stimmung zu erzeugen. Namentlich sind durch letztere in weite Kreise quälende Gefühle des Mißtrauens getragen worden, die sobald nicht zu weichen scheinen. Trotzdem ist es billig zu berück sichtigen, daß ähnliche Vorkommnisse häufige Erschei nungen im Leben der Völker sind und daß ihnen immer gesunde, gedeihliche Zustände wirthschaftlichen Aufschwunges folgen. In dieser Hoffnung treten wir ein in das neue Jahr, gehen wir mit Freuden an die Arbeit, welche uns das neue Jahr auferlegt. — Dresden, 2. Jan. Wie die „Dr. N." hören, steht die schwere Erkrankung Sr. Königl. Hoheit keines wegs im Zusammenhang mit dem Schlüsselbeinbruch, den sich der Prinz kürzlich bei dem Sturze mit dem Pferde zugezogen hat. Die Heilung dieses Bruches nahm einen überaus günstigen Verlauf und konnte als nahezu beendet angesehen werden. Se. Königl. Hoheit hatte aber am Dienstag bei einem Spazier gang im Garten das Unglück, anszugleiten und un günstig zu fallen. Hierin dürfte der Anlaß zu der neuen schweren Erkrankung zu suchen sein. — lieber das Befinden des hohen Patienten sind folgende Nachrichten eingegangen: Dresden, 2. Jan. Se. Königl. Hoheit Prinz Georg hat in vergangener Nacht weniger gut geschlafen. Puls regelmäßig, Kräftezustand befriedigend. Die besorgnißerregendcn Erscheinungen bezüglich des Dar mes dauern an, ohne bisher einen bedrohlichen Cha rakter angenommen zu haben. — Mittags 1 Uhr war das Befinden wieder etwas besser. Dresden, 2. Jan. Das heute Abend 6 Uhr auS- gegebenc Bulletin lautet: In dem Befinden Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Georg ist im Laufe des heutigen Tages keine wesentliche Veränderung einge treten, jedenfalls aber keine Verschlimmerung. Das Fieber ist mäßig, der Puls kräftig. Der hohe Kranke hat leidliche Ruhe gehabt. Dresden, 2. Jan. Nach dem heute Abend 6 Uhr ausgegebenen Bulletin, welches keine wesentliche Ver änderung in dem Befinden Sr. Königl. Hoheit dcS Prinzen Georg konstatirte, ist sehr bald eine wesent liche Besserung eingetreten. Se. Maj. der König, welcher heute Abend '^9 Uhr im Prinzlichen Palais erschien, war hocherfreut darüber. Dresden, 4. Jan. Das Sonntag irüh 8 Uhr über das Befinden Sr. Kgl. Hoheit Prinz Georg veröffentlichte Bulletin lautete: „Nachdem gestern noch in späterer Abendstunde Erscheinungen einge treten waren, welche auf eine wiederkehrende THLtig- keit des Darmes hinwiesen, so ist heute morgen eine genügende Erleichterung auf natürlichem Wege er folgt. Die Nacht haben Se. Kgl. Hoheit Prinz Georg zwar nicht gut verbracht, auch besteht noch etwas Fieber (38,?), jedoch läßt sich hoffen, daß gegenwärtig die bis vor Kurzem noch bestehende Gefahr beseitigt ist. — Das Sonntag Abend 6 Uhr veröffentlichte Bulletin lautet: Obwohl im Laufe des TagcS Se. Königl. Hoheit Prinz Georg sich sehr angegriffen ge fühlt hat, der Appetit mangelhaft und eine Ermäßigung des Fiebers noch nicht cingetretcn ist (39 Gr.), so darf doch der Zustand als befriedigend angesehen werden. — Dresden, 2. Jan. Durch das in Böhmen und Sachsen seit einigen Tagen herrschende Thau- und Regenwetter ist nicht nur ein plötzliches Steigen des ElbstromeS eingetreten, sondern auch ein wei teres Steigen desselben zu gewärtigen, wie aus fol genden im Laufe des Tages eingegangenen Depeschen bei der Königl. Wasserbau-Direktion ersichtlich ist: Leitmeritz: Am 1. Jan. früh 8 Uhr 1b Centimeter über Null, den 2. Jan. 8 Uhr Vormittags 180 Centi- meter über Null, 4 Uhr Nachmittags 216 Centimeter über Null; Dresden: den 2. Januar 12 Uhr Mittags 32 Centimeter über Null, 6 Uhr Nachmittags 104 Centimeter über Null. — Dresden. Se. Majestät der König hat dem Herrn Staatsminister von Thümmel den Vorsitz im Gcsammtministerium und gleichzeitig den Vorsitz bei den in livungeliei» beauftragten SlaatSministern übertragen. — Leipzig, 31. Dezember. In Gegenwart des Geheimen RegicrungsratheS AmtShauptmann Ur. Platz mann, des Oberbürgermeisters Ur. Georgi, des Polizei direktors Bretschneider nnd einer weiteren Anzahl ein geladener Personen erfolgte heute Vormittag der An schluß der Gemeinde Neusellerhausen an Leipzig. ES bedeutet dieser Akt den Schlußstein in dem großen Einverleibungsprozeß, den die Stadt Leipzig im In teresse ihrer weiteren gedeihlichen Entwickelung unter nommen hat. Im Ganzen sind nun 15 Vororte an Leipzig angegliedcrt, die Einwohnerzahl ist auf gegen 400,000 gestiegen. In absehbarer Zeit wird kein weiterer Anschluß von VorortSgemeinden an Leipzig erfolgen. — Leipzig. Im Gegensatz zu den Nachrichten, daß Winkelmann sterbenskrank sei, theilt die „Leip ziger GerichtS-Zeitung" mit, daß derselbe sich ver- hältnißmäßig wohl befindet und daß sein Zustand in keiner Beziehung die Erwartungen rechtsertigt, die man bei seinem Eintreffen hegte und mit Rücksicht auf sein elenreS Aussehen hegen mußte. Dasselbe entsprang in der Hauptsache der völligen Erschöpfung von der laugen, unbequemen Reise. Sein Leiden be steht zunächst in nicht« anderem, al« in einem heft igen Bronchial-Katarrh mit Asthma-Ansällen. Viel leicht hat er sich noch in Argentinien ein Leberleiden zugezogen, das zunächst aber noch nicht erkennbar ist. Wie man aus Bremen schreibt, hatte Winkelmann auf dem Schiffe sich sehr wohl gefühlt, wenigstens im Gegensätze zu seinem Aufenthalte im Gefängniß zu Buenos-Aires. Dort habe er in einem grauen vollen Loche, im täglichen Kampfe mit Ratten und Mäusen, Monate zubringen müssen und schon die Aussicht, davon befreit zu werden, habe ihn froh sein lassen, nach Leipzig transportirt zu werden. — Reichenbach. Ein junges, unternehmendes Bürschchen, das sich auf der Flucht nach der Schwei; befand, ist am Donnerstag Vormittag auf hiesigem Bahnhof augehaltcn und dingfest gemacht worden. Der I4jahrige, aus Sorau gebürtige junge Mensch, war aus seiner Lehre in Breslau entwichen, um mit dem gestohlenen Gelde nach der Schweiz durchzu brennen. Sein auf der Fahrt hierher zur Schau getragenes auffälliges Wesen indeß lenkte bald die Aufmerksamkeit auf ibn, bis er denn hier auf Veran lassung des diensthabenden Assistenten angehalten und seine Arretur vermittelt wurde. — Auerbach, 2. Jan. Kaum hatte sich das Neujahrsfest zum Schlüsse geneigt, als ein schriller Ton die Freude verstummen machte. Punkt 12 Uhr Mitternachts war es, als aus dem Dache der in der Nähe des Bahnhofs gelegenen neuen Scheune des Herrn Spediteurs G ö tz Flammen hervorbrachen, das Gebäude mit Inhalt (Getreide, Stroh, Ernte wagen rc.) zerstörend. Ein neuer Rennschlitten war durch vorheriges Hcrausfahren der Vernichtung glück lich entgangen. Herr Götz hat, wie wir hören, mit diesem Brandunglück schon zum fünften Male Feuer schaden erlitten. — Zittau. Ein ergötzliches Zollkuriosum wird von der sächsisch-böhmischen Grenze berichtet. Der Meiereipächter Haase in dem böhmischen Städtchen Groitau lieferte seit Jahren Zuckerrüben an die Zuckerfabrik in Löbau in Sachsen und dieser sandte ihm später die Schnittlinge, wie dies meist üblich, lowrywcise zurück, die dann als Viehfntter verwandt wurden. Nachdem die Schnittlinge Jahre lang zoll frei über die Grenze gegangen waren, ist neuerdings ein österreichischer Zollbeamter auf den seltsamen Gedanken gekommen, dieselben als „getrocknetes Ge müse" zu verzollen. — Limbach, l. Januar. Unser Bürgermeister Johannes Ernst Otto Hofmann ist heute Nachmittag nach kurzer Krankheit im Alter von 41 Jahren an der Influenza verstorben. Er war der erste Bürger meister unseres Ortes nach dessen Erhebung zu einer Stadt mit revidirter Städte-Ordnung. Während seiner neunjährigen Amtsthätigkeit hat derselbe rastlos an dem inneren und äußeren Ausbau unseres Ge meinwesens gearbeitet und sich dadurch Verdienste erworben, die ihm ein dankbares Andenken über das Grab hinaus sichern. Aus vergangener Zeit — für unsere Zeit. Am 5. Januar 1867 begann sich das Geschick des un glücklichen Kaisers Maximilian von Mexiko zu erfüllen, wie es jeder Mensch mit nüchterner Ueberlegung voraussehen mußte. Vor 25 Jahren also begab sich der bereits von allen Seiten bedrohte Kaiser von Orizaba nach der Hauptstadt Mexiko und danüt besiegelte er sein Schicksal. Er hatte in erstgenannter Stadt seine Minister und den Staatsrath zusammenberufen, um ihre Entscheidung gegenüber dem Ausstande der Republika ner zu hören. Unglücklicherweise lautete diese Entscheidung, obwohl man der französischen Hilfe schon damals nicht mehr sicher war, auf Erhaltung des Kaiserreichs. So blieb denn der Habsburger im Lande, anstatt diesem jo rasch als möglich den Rücken zu kehren und so hat ihn denn später der Tod in Queretaro ereilt. 6. Januar. Es war eine merkwürdige Zeit, die von 1815—1825, die Zeit nach Deutschlands Befreiung von französischem Joche. Nachdem das Volk nicht nur für seinen eigenen Herd, sondern auch für die Fürsten und die Erhaltung deren Throne geblutet hatte, nachdem man geglaubt hatte, einer srcien Zeit entgegen zu gehen, in der auch Volksrechte Geltung erlangen sollten, da brach die Zeit einer schweren Reaktion herein, als ob das Volk die Thorne umzustürzen beabsichtige, die es wieder aufgerichtet. Der Umstand, daß der König von Preußen sein Ohr bewährten Rathgebcrn verschloß und auf Fremde hörte, trug viel zu der unerquicklichen Situation bei. Zu jener Zeit, am 6. Januar 1816 wurde auch der „Tugendbund" verboten Es war das eine Vereinigung von Männern noch aus der Zeit der Befreiungskriege her, die, wie sie das Banner der Frei heit damals hochgehaltcn, es auch jetzt nicht durch Servilismus und Liebedienerei zu ersetzen gedachten. Dieser 1806, zur Zeit des tiefsten Unglückes Deutschlands gegründete Verein, der 1808 auf Napoleons Befehl verboten wurde, woraus allein schon seine Wichtigkeit für Deutschlands Befreiung hervorgeht, war nach den Befreiungskriegen wieder aufgelebt und hatte allerdings an das gegebene Versprechen einer Verfassung er innert. Hauptsächlich deshalb wurde er, „demagogischer Um triebe verdächtig", aufgelöst und seine Mitglieder wurden zu rückgesetzt und verfolgt, während das Schmeichlerthum sich vor den Thronen breit machte.