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Der fünfte Kammerabend findet Dienstag, den 8. Dezember, im Künstlerhaus statt. Beginn 19 Uhr Alltag (Fritz Woike) Alltag muß sein und Sorge und Leid; ob wir auch lieber im Feierkleid gingen in sorgloser Fröhlichkeit, blütenumkränzt. Alltag muß sein. Ja, weißt du es nicht? Wäre das Leben lachendes Licht ohne Lasten und ohne Pflicht, könntst du dich so auf das Stillosem und auf die Sonne und den Sonntag freun? Alltag muß sein und Kampf und Last, drunter der trügerisch schim mernde Glast, drunter der täuschende Wahn zerschellt. Kampf muß sein, der den Willen stählt, und Sturm, der das Morsche bricht und knickt und hackt, da man betend nach oben blickt. Alltag muß sein, und weißt du, es liegt nur an uns. und er ist schon besiegt ... Stählt uns der Alltag Willen und Mut, trägt er sinnend Sehnen im Blut, malt uns goldner den Sonnen schein, sagen dankend: „Alltag muß sein!*' Vater Wald (Johannes Linke) Geheimnisreichster Erdenraum voll Vogellied, Gebraus und Schweigen, wo über Ranken, Strauch und Baum die Wipfel ineinanderzweigen im Himmels traum. An tausend Stämmen hast du Halt. Dem Grund vermählt und nah der Wolke wächst du verjüngt und ewig alt im Heiriiatland gleich unserm Volke, du Vater Wald Unsterblich duften die Linden (Ina Seidel) Unsterblich duften die Linden. Was bangst du nur? Du wirst vergehn, und deines Fußes Spur wird bald kein Auge mehr im Staube finden. Doch blau und leuchtend wird die Sonne stehn und wird mit seinem süßen Atemwehn gelind die arme Menschenbrust entbinden. Wo kommst du her? Wie lang bist du noch hier? Was liegt an dir? Unsterblich duften die Linden. Pfeifen (Hermann Hesse) Klavier und Geige, die ich wahrlich schätze, ich könnte mich mit ihnen kaum befassen; mir hat bis jetzt des Lebens rasche Hetze nur zu der Kunst des Pfeifens Zeit gelassen. Zwar darf ich mich noch keinen Meister nennen, lang ist die Kunst und kurz ist unser Leben. Doch alle, die des Pfeifens Kunst nicht kennen, bedaure ich. Mir hat sie viel gegeben. Drum hab ich längst mir vorgenommen, in dieser Kunst von Grad zu Grad zu reifen und hoffe, endlich noch dahin zu kommen, auf mich, auf euch, auf alle Welt zu pfeifen. O welche Pein, wenns fehlt am Wein Frisch auf, laßt uns ein guts Glas mit Wein einander bringen und fröhlich singen! Gut Gesell, den will ich dir gar ausbringen: All Freud soll sein beim kühlen Wein. Ach, wie ein große Pein, wann Mangel ist am Wein! Audite nova! Audite nova! Der Baur vom Eselskirchen der hat ein feiste ge ga Gans, das gi ri ga ga Gans! Die hat ein langen, feisten, dicken, weidelichen Hals. Bring her die Gans, hab dir’s, mein trauter Hans! Rupf sie, zupf sie, sied sie, brat sie, z’reiß sie, friß sie! Das ist Sankt Martins Vögelein, derb können wir nit Feind sein! Knecht Heinz, bring her ein guten Wein und schenk uns tapfer ein; laß umher gähn, in Gottes Nam trinken wir gut Wein und Bier auf die gsotten Gans, auf die braten Gans, auf die junge Gans, daß sie uns nit scha—den mag. Die Henne Ein Hennlein weiß mit ganzem Fleiß sucht seine Speis bei einem Hahn uqd hub zu gacksen an: Ka ka ka ney, das Hennlein legt ein Ei. Backen wir ein küchelein, Mäuselein und Sträubelein, und trinken, ach, den kühlen Wein. Ka ka ka ney, das Hennlein legt ein Ei.