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516 9. Physiologische Akustik. oder combiniren. Nicht einmal ein Wort aus einzeln langsam vorgesagten Buchstaben vermag er zusammenzusetzen. Demnach dürfte die Sache so liegen: „Alle Klangbilder und Schriftsym bole werden successive wahrgenommen im Gegensatz zu den Objectbildern, welche uuter gewöhnlichen Verhältnissen nahezu momentan wahrgenommen werden. Die einzelnen Theile der Klangbilder entsprechen den einzelnen Theilen der zugehörigen Symbole und umgekehrt; die einzelnen Theile eines Objectbildes aber entsprechen nicht den einzelnen Theilen des zugehörigen Klangbildes oder des zugehörigen Symboles“. — Ein nur kurz im Bewusstsein vorhandenes Klangbild ruft das zugehörige Ob jectbild momentan hervor, was umgekehrt unmöglich ist, weil die Klangbilder successive entstehen. Erleichtert wird jedoch letzteres, wenn jenes durch längeres Betrachten einige Zeit auf recht erhalten bleibt. Nacheinander entstandene Theile eines Klangbildes verschwinden freilich sehr schnell wieder; dagegen haften diejenigen eines Symboles länger. Daher kann, was ohne Hülfe unaussprechbar erscheint, beim Niederschreiben abgelesen werden. — Es giebt Fälle von Aphasie, welche nicht auf Func tionsunfähigkeit der Centreu oder Leitungsunvermögen der Verbin dungsbahnen beruhen, sondern auf Verminderung der Dauer der Sinneseindrücke und dadurch bedingter Störung der Wahrneh mung und Association. Uh. G. H. Schneider. Die Spracbentwickelung beim Kinde. Westermann’s illustr. d. Monatshefte 1884, Septb., 825-831. Das Schreien der Kinder ist nicht bloss mittelbar als Zeichen von Bedürfnissen, sondern direct wegen der Beziehung zur Athmung und Muskelkraft zum Leben nothwendig. Nach dem Sclireilaut uä entstehen die Urlaute ma, am, pa, ap, ta, at, indem die Kehlkopf-, Mund- und Zungenmuskeln ererbte Uebun- gen ausführen. Dann folgen ha, hu, ör, rö, gö, ob, om, kö. Alle Lautäusserungen des ersten Lebensjahres geschehen ohne Verständniss unabsichtlich. Ebendies sind die ersten Beactionen auf gehörte Laute und gesehene Bewegungen. Die beginnende Nachahmung setzt voraus richtige Auffassung und treue Wieder-