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410 0. Physiologische Akustik. Wenn man in eine Höhle von begrenzter Capacität, die oben offen und der Erweiterung wie Verengerung, sowie der willkür lichen Oeffnung und Verschliessung fähig ist, Luft bläst, werden ähnliche Geräusche hervorgerufen, wie bei Vocalen der Flüster stimme. Die Luftsäule kann gebildet werden durch Ausathmung des Luftvorrathes der Lungen oder durch ein Gebläse, dessen Röhren der Windzuführung am Ausgang so beschaffen sind, dass solche Erscheinungen hervorgerufen werden können, wie an den Stimmbändern. Derartige Höhlen erhält man an Kautschukkugeln oder -birnen, oder besser in Glas- und Metallröhren, deren Höbe und Mündungsweite viel leichter veränderlich ist. — Grosse Höhlungen dieser Art bringen die Vocale hervor: ou, 6, o, ä, ä in geschlosse nem und offenem Klange; die mittleren: u, eu, e (e wie eu in fleur); die kleinen: i, offnes wie geschlossenes e. Eine offene Röhre giebt bei gradueller Verminderung der Höhe der Ordnung nach ä, ä, e, eu, u, e, e, i. Verschliesst man die obere Mündung der Röhre in drei verschiedenen Stufen, so erscheinen ou, 6, o offen. - Röhren von wechselnder Weite produciren bei derselben Länge Töne von verschiedener Capacität. Röhren, 0.067 m hoch, und beziehentlich mit einem inneren Durchmesser von 0.028 m oder 0.026 m gaben mi bernol und fa. — Wenn bei Verschluss der oberen Oeffnung man sie ganz allmählich stufenweise öffnet, wird eine Reihenfolge von Vocalgeräuschen erzeugt, deren Noten nach Halbtönen variiren im Masse, als die Mündung sich er weitert. Dieser Wechsel der Tonalität zeigt die Richtigkeit der Gesangregel, welche anordnet, die Mundöffnung zu erweitern, wenn die Töne in aufsteigendem Gange einander folgen. Man bringt hiermit lauter reine Vocale hervor längs der ganzen Reihe derselben. — Es fliesst aus dieser neuen Theorie, 1) dass die Vocale keine charakteristische Klangmassen sind, wie man gewöhnlich an- giebt, sondern Töne von bestimmter verschiedener Höhe am näm lichen Instrumente, dem des Wortes, ganz verschieden von demjenigen des Gesanges, 2) dass man ihnen zahlreiche Klang farben mittheilen kann: dunkel, klar, sliss, hart, guttural, nasal, welche verschiedene Klänge gebildet werden mittelst der Thätig-