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Beiblatt zur Eilpost für Moden. 16. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. 1842. Neuestes Dülletin der Moden. Paris, den 10. April 1842. Wie in der Natur, so ist jetzt auch eine Krisis in der Mode, die sich zur Frühjahrsaison zu schmücken beginnt. Die hiesigen Magazine bieten einen Reichthum von Neuigkeiten, der kaum glaublich ist. Einen wahren Triumph feiert die er finderische Industrie durch die Fabrikation der köstlichen Shawls, welche mit der Schönheit der indischen wetteifern. Aber welche Mühe hat man sich auch gegeben, um den Indiern das Ge heimnis ihrer Webekunst abzulernen! Die Shawls werden in diesem Frühjahr eine große Rolle spielen; am beliebtesten sind jetzt die langen, welche auch in der Regel die feinsten und ge schmackvollsten sind. Im Magazin des Minar et findet man die herrlichste Auswahl. — Mit Hüten zeichnet sich Madame Lcjay, rnv Uiebelieu Nr. 77, aus. Ihre netten und durch scheinenden Eapots fesseln die Aufmerksamkeit aller jungen Da men. Diese Eapots sind weniger niedriger, als sonst. Aller liebst sind die von coulissirtem Crep garnirt mit einem Bouil lon von Tüll, eine Schnur von kleinen Blümchen ist zweimal ringsherum gewunden; dieselben Blümchen sind im Innern des Schirms angebracht. Ein ganz besonderes Talent hat Madame Lcjay in der Anordnung von Schleifen, die jetzt sehr gebräuchlich sind. Sammctausputz kommt wenig mehr vor. Die gesuchtesten Bänder für Hüte sind die vo^ chinesischem Crep und Gaze-Tüll mit Atlasbordürcn. Sehr schöne Roben und andere Bekleidungen sieht man bei Madame Trcillaud, rne cicoiseul Nr. 4. Herrlich ist der Schnitt der neuen Uebcrröcke; man trägt sic von brochirtem Atlas mit glattem Corsagc, welches drapirt ist. Am gesuch testen sind die Mänrelchcn von Gros de Naples oder von ita lienischem Taffctas, mit einem großen Volant Umgeben. Eben falls außerordentlich beliebt sind die schonen Echarpes von schil lernder Seide in zarter Farbe, über welche sich eine wie hin gehauchte weiße oder schwarze Spitzenbekleidung hinwegzieht. Man hat diese Mäntelchen auch von schwarzem glacirten Mohr, umgeben von fünf Falten, gleichfalls mit Spitzen verziert. Markt -cs Lebens. Der Gräfenberger Wasserarzt Priessnitz, der sich durch seine Euren ein sehr beträchtliches Vermögen erworben hat, was man ihm wegen der vielen Wohlthatcn, die er dem Menschengeschlecht erwiesen, wohl gönnen mag, soll dem Ver nehmen nach auf seinen Gütern Weißbach und Hahncnbcrg Bier- und Branntwein-Fabriken errichtet haben, welche gut rcntircn. So weit wir den von wahrem Ernst für seine Wissenschaft erfüllten Mann kennen, halten wir ihn einer solchen Inkonsequenz für unfähig. Eugvne Sue. In einem Aussätze, den die „Börsenhallc" mittheilt, heißt es unter andern über den berühmten franzö sischen Romantiker: „Seitdem Eugene Sue ein bedeutender Mann geworden ist, sind über ihn und seine Lebensweise viele absonderliche Erzählungcü in's Publikum gekommen. So z. B. soll er die Manie besitzen, in seiner Wohnung die Fenster und Fensterladen fortwährend verschlossen zu halten; auch will man wissen, daß er sich täglich in Opium berauscht und nur dadurch seine Einbildungskraft auf der erforderlichen Höhe zu erhalten vermag, kurz, man erzählt von ihm tausend originelle Züge." — Ein Cousin Sue's ist Vaudevillenschreibcr, Mit glied eines Comitü dramatischer Schrifsteller und — Unterneh mer von Leichenbegängnissen. Eine Verwechslung. Derselbe Romanschriftsteller war von seinem Vater zum Arzte bestimmt, gleichwie unter den deutschen Dichtern Schiller, hatte aber keine Neigung für seine Wissenschaft. Einmal jedoch hatte E. Sue seine Wundarznei kunde zur Anwendung zu bringen. Es gibt in Frankreich einen Mann, der wegen seiner Ausgelassenheit sehr berühmt war. Man hatte ihn für den lustigsten Mann in Frankreich erklärt, und darauf beschränkten sich ungefähr alle seine Titel und Ansprüche, bevor man in ihm die Eigenschaften eines trefflichen Verwaltungsbeamten erkannt hatte. Dieser Mann ist Herr Romieu, jetzt Präfect des Departements der Dordogne. Herr Romieu hatte zu der Zeit, als er nur noch der lustigste Mann in ganz Frankreich war, eine sonderbare Manie; er besaß nämlich niemals eine Wohnung für sich, sondern quartirte sich auf vierzehn Tage oder drei Wochen bald bei diesem, bald bei jenem Freunde ein und machte auf diese Weise die Runde im ganzen Jahre. Eugene Sue war ein sehr genauer Freund des Herrn Romieu, und wenn die Reihe an ihn kam, auch sein Gastfreund; Abends nach dem Theater trafen sie dann gewöhnlich im Cale anxlais zusammen. Eines Tages oder vielmehr eines Nachts kehrten die beiden Freunde in einem Ca briolet in ihre gemeinschaftliche Wohnung zurück: sic kamen von einem Trinkgelage. Als Herr Romieu aus dem Wagen steigen will, tritt er fehl, fällt und verletzt sich das Bein. Eugene Sue denkt noch zur rechten Zeit daran, daß er Unter- Stabs - Wundarzt in der königlichen Marine ist, bringt seinen Freund mit Hilfe des Kutschers auf sein Zimmer, zieht ihm