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man mit Recht und fand jenen Zusatz lächerlich. Aber das Lächerlichste kam hinterdrein: ein Prager Theaterrefercnt ver wahrte allen Ernstes den Verfasser vor dem Verdacht der Theilnahme an dem Zusätze auf dem Theaterzettel, Michael Beer werde wohl von demselben nichts wissen! Wenn ein Franzos sich solch' eine Blöße gegeben hätte, wie würden da die deutschen Journale lachen! „Ich glaube selbst kaum," sagt ein Corrcspondcnt im Stuttgarter Morgenblatte, „daß in jener bessern Welt, welche Michael Beer seit acht Jahren be wohnt, der Prager Komödienzettel angeschlagen wird." Rossini'ö Gcdächtniß. Eine der staunenerregendsten Eigenschaften des Compositeurs von „Wilhelm Teil" ist sein außerordentliches Gedächtniß. In einer Soirüe, welche beim Baron Elmar stattfinden sollte, wollte man ein Terzett aus Donizetti's <Ij kioma singen. Man suchte das Rotenheft lange und konnte es nicht finden. Rossini war gerade zugegen. „Ich habe das Trio," sagte er, in Italien gehört, warten Sie einen Augenblick," und er setzte sich nieder und schrieb in erstaunlicher Schnelle das ganze Terzett aus dem Gedächtniß nach. Und als man später dieses Manuskript mit der Partitur Donizetti's verglich, war keine Rote gefehlt. Unter den deut schen Komponisten besitzt wohl Mcndclsohn-Bartholdy das stärkste Gcdächtniß; er spielte in einem Privatzirkel ein Ca priccio von kißzt nach dem ersten Anhören sogleich fertig auf dem Piano nach. Ein thcurcr Traum. Die für künftigen Herbst pro- jectirte Aufführung des „Sommernachttraums" in Berlin, wird, wie der Telegraph meldet, etwa 12 bis 15,000 Thaler kosten. Ehre dem großen Briten; aber hatten die deutschen Bühnen nicht erst Verpflichtungen gegen die deutschen Dra matiker, ehe sie Summen auf eine Darstellung verwenden, die doch, wie die Dinge jetzt stehn, an unscrm Publikum nur wie ein „Traum" vorübcrziehcn würde. Sonderbares Studium. Der Gesellschafter erzählt Folgendes: „In Boston hat man neulich einen gewissen Arthur Lovell vom Trau-Altare weg, wo er sich eben zum elften Male in wissenschaftlichem Interesse wollte trauen lassen, ver haftet, weil seine zehn früheren Weiber, sämmtlich mit Kin dern, allzumal noch lebten. Diese zehn und respective elf Frauen bestanden aus allen möglichen Menschcnracen und Farben: Weiße, Mohrinnen, Mulattinnen, Mestizen, Braune, Rothe, Gelbe, und auch die Sprößlinge dieser verschiedenen Ehen trugen alle mögliche Farben und Physiognomien. In gerichtlicher Untersuchung bekannte der Mann, er habe diese verschiedenen Frauen aus verschiedenen Raccn nur genommen, um zu sehn, was aus diesen verschiedenen Mischungen für Resultate an Kindern hcrvorgingen. Nachdem er genug solche physikalisch-genetisch-anthropologische Experimente würde ge macht haben, habe er dicß in einem wissenschaftlichen Werke der Welt zum Besten geben wollen." — Klingt doch etwas unglaublich. Boz (Charles Dickens). Den berühmten Autor der „Pickwickier" u. s. w. beschreibt der Verfasser des jüngst er schienenen Buchs: „Englands Ruhm und Schande," der Ame rikaner Lester, folgendermaßen: „Das Portrait, das sich von ihm in der in Philadelphia herausgekommcnen Ausgabe seiner Werke befindet, ist ähnlich, aber kein Gemälde vermag den Ausdruck seiner Gesichtszüge während einer ihn interessirenden Unterhaltung wieder zu geben. Es liegt alsdann ein gewisses Etwas in seinen Augen, das nicht abgebildet zu werden ver mag. Sein Körper erreicht wohl nur etwas mehr, als mit telmäßige Größe, aber seine Haltung ist edel und läßt ihn größer erscheinen, als er wirklich ist. Seine Figur ist sehr anmuthig, weder zu mager, noch zu stark. Sein Gesicht ist hübsch, seine Hautfarbe zart, in der Regel etwas blaß, aber wenn seine Gefühle erregt werden, so überzieht sich sein Ge sicht mit einer Hellen Röthe. Mir kommt es vor, als sei er etwas eitel auf sein Haar; indcß kann man ihm das verzeih». Es erinnert mich an Sidney's Arcadia: „Sein schönes nuß braunes Haar, welches er sehr lang trug, gab ihm ein herr liches Ansehn." Von seiner Stirn würde ein Phrenologe (zu mal wenn ihm sein Charakter bekannt wäre) sagen, daß sie Hellen glänzenden Verstand andeule und daß die Organe der Auffassungsgabe, Munterkeit, Jdealisirung und Vergleichung prädominiren. Ich möchte sagen, daß seine Nase ursprünglich eine entschieden römische Richtung genommen, sich aber zeitig genug bedacht habe, um das klassische griechische Profil anzu nehmen. Der Zauber seiner Persönlichkeit aber liegt in seinen vollen, sanften, strahlenden Augen, die den Ausdruck jedes vorüberziehcndcn Gegenstandes in sich aufnchmen; man kann in ihnen stets den halb schlafend im Hinterhalte versteckten Witz spielen sehen, wenn sie nicht ihre Fcuerstrahlen in voller Kraft von sich geben. Dessenungeachtet macht sich in seiner Unter haltung nur selten ein glänzender Ausbruch des Witzes be merklich." Die Barke des Sultans. In den „Bildern aus der türkischen Hauptstadt" (im Morgenblatte) findet sich folgende interessante Schilderung: „Eine für uns Ausländer besonders merkwürdige Erscheinung, die uns bei unfern Spazierfahrten auf dem Hafen öfters aufstieß, war ein großes, weißes Kaik, reich vergoldet, dessen sauber geschnitzter, buntgemalter Schna bel sehr lang und spitz war. Auf demselben, beinahe am En de, befand sich ein goldener Vogel mit ausacbreitcten Flügeln, der einen Ring im Schnabel hielt, von dem zwei dicke, seidene Schnüre bis an die Spitze des Boots gingen und es zu leiten schienen. In der Mitte des Fahrzeugs trugen vier oder sechs vergoldete Säulen ein Dach von rothem Sammet mit Gold stickerei, unter dem ein rcichgeklcidetcr junger Mann saß, der etwas bleich aussah. Er trug ein Fez, welches ein großer Stern von Diamanten schmückte. Er war der Sultan Abdul- Medschid. Vorne im Schiffe neben dem Vogel war ein etwas erhöhter Sitz angebracht, auf dem einige vom Gefolge des Sultans saßen. Am Hintertheil befand sich die Dienerschaft. Der Sultan hat zu seinem Privatgcbrauche drei solche Kaiks, eines mit vierzehn, ein anderes mit acht und zwanzig, das größte mit sechs und fünfzig Rudcrknechtcn, die weiße Jacken und Beinkleider trugen und auf dem Kopfe ein rothcs Fez; ihre Rudcrstangen sind ebenfalls weiß, mit goldenen Blumen verziert. Man sagte uns, in der Anzahl dieser Bootsknechte sei absichtlich die Zahl sieben, als eine heilige, enthalten. So-