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Beiblatt zur Gilpost für Moden. ^25. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. 1842. Neuestes Dülletin -er Moden. Paris, den 8. Juni 1842. Zu den unerläßlichsten Modeartikeln gehören gegenwärtig die — kleinen Hunde (Windhündchen und vor allen die Kings-LIwrles), zu deren Zierde und als Leitband auch schon S orre - De lisl e, rue Vivionne Nr. 33, eine allerliebste Schnur von soie <i'.4Iger inventirt hat. Dem Enthusiasmus für diese neue Eaprice der Mode halten vielleicht nur die in dischen Eachcmires die Wage, welche seit Kurzem, alle bezau bernden Reize ihrer seltenen Neuheit entfaltend, bei Brousse, rne liiclwiieu Nr. 82, ausliegen. Ihr Grund ist orange, und zwar — nach dem Kunstausdruck des Modehandels — ä sogt guarls xlein. Sie machen -erstaunliches Glück und fangen daher schon an selten zu werden. Eine Dame kann jetzt un bedingt den Sieg über Alles behaupten mit Hilfe eines Orange- Eachemir, eines Kings-DImrles und des Schönheitswaffers von Gowland. Diese drei Stücke neben einander machen ihr Moderecht gleichzeitig, jedes in seiner eigenthümlichcn Sphäre, geltend. Der CHLle ist nämlich für die Elcgancc, das Hündchen für das sentimsnt, die lotion <is 6o«Ianü für die Schönheit. In gleiche Reihe sind aber auch noch zu stellen die Corsets der Madame Elementen, welche der Taille jene zarte, elegante Formenschönheit geben, ohne welche Jugend und Schönheit gar nicht ihren vollen Werth haben. Eine Menge der geschmackvollsten, kunstreichsten Eoiffüren hat Breidenbach gefertigt, gegenwärtig zu London, Darck- ditreet, 6rosvenor Square Nr. 88. Durch ihn sind auch die reizenden 70-epIüne-Kämme nach England verpflanzt worden. Von ganzen Anzügen sind besonders die aux armes ä'Ang- lelerrs, rue cke la Daix Nr. 22, gefertigten hervorzuheben, unter Anderm eine Toilette üe petit bal, von weißem Organdie mit doppeltem Leibchen, das obere auf beiden Seiten zurück geschlagen, je mit einem Bouquet von violette <le Darme, von welchen aus ein gewundenes lila und weißes Band geht, das an dem Gürtel befestigt ist; um die Berthe herum eine doppelte Rüsche von Tüll, vorn offen und auf der Seite dieser Oeffnung ein Violette-Bouquet; kleine Aermel mit dreifacher Reihe Rüschen, oben durch ein Violette-Bouquet zusammen gehalten; als Kopfputz ein violettes Band. Vorzügliche Nankin-Taschentücher zur Toilette üe Keglige, zum Reiten und für das Land sind zu finden in la sublime Dörte, rns äs la i'aix Nr. 7. Diese Taschentücher sind all gemein angenommen. Markt -cs Lebens. Frau Charlotte Birchpfeifcr. Von dieser Dame, die bekanntlich das Züricher Theater dirigirt, erzählt H. Scherer (s. elegante Zeitung „zwei Bilder aus der Schweiz") — „Wer hätte nichts von ihr gesehen und gehört, von diesem weiblichen Proteus der Dicht-, Schauspiel- und Regicrungskunst? Ge rade in letzterer Eigenschaft ist sie ein Muster für jede Hof intendanz, die Verstand, Geschmack und Oeconvmie bei ihr lernen kann. Lebhaft spielte ich mir Pfefferrösel und den Frei knecht Hinko in der Erinnerung ab, und trat vcrehrungsvoll den Weg zur Verfasserin an. Sie war aus der Stadt gezo gen und machte in Wallishofen, einem Dörfchen am Seeufer, behagliche Villaggiatura. Ich landete und ein netter Schwci- zerbue, der meine Absichten merken mochte, leitete mich un aufgefordert in das Sanssouci der Frau Birchpfeifcr — ein schmuckes, einfaches Bauernhaus, nach Landcssitte gebaut, mit Schober und Gallerie, am Fuße des Ludliberges, dessen letzter Abhang in grünen Wiesenmattcn zur See sich senkt und na türliche Terrassen bildet, von wo sich ein unbeschreiblich schö nes Panorama über die Nähe und Ferne breitet. Ein wohl gepflegter Garten schließt sich in weiter Ausdehnung längs des Ufers an das Haus. Die ich suchte, war im Bade, und mich empfingen zwei junge Damen, die mit Rollen in der Hand sich als Scholaren der Altmeisterin ankündigten. Die Dramaturgie der Frau Birchpfeifcr hat unserer Bühne schon manches hübsche Talent aufgezogen. Mitten unter das Ge plauder, worin ich mich ungesäumt verstrickt hatte, trat sie selbst, zwar keine Anadyomene, aber eine stattliche Frau von junonischem Wüchse, mit der hohen Stirn und dem sinnigen Auge der liebsten Tochter Jupiters begabt. Freilich schien be reits die Zeit ihr zerstörendes Werk beginnen zu wollen, allein noch immer hatte sie mit schüchterner Furcht vor dem Frevel, den sie begehen muß, länger, als sonst gewohnt, gezögert. Die Lippen haben ihr Aeolus und Minerva entsiegelt, denn die Redefluth strömt überschwänglich. Sie spricht mit prak tischem Verstand, gekleidet in das bunte Colorit der Poesie. Ihre dramatische Sprache mahnt an die Schauspielerin. Aber alle Achtung dem Wirkungskreise, welchen sie sich auf so undankbarem Boden einzig und allein durch die geistige Be häbigkeit, worin sie unübertroffen ist, verschaffte. In einer Stadt von nicht mehr als 20,000 Seelen hat sie eine deutsche Bühne hcrgestellt, die sich sehen lassen darf, und das Publi kum in ein Bündniß mit dem Institut gebracht, das ihm zu mehr als zur Gewohnheit, das ihm zum geistigen Bedürfniß geworden ist,"