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besonders große Rolle aber spielt sie unter einer Klasse, der wir sehr häufig in unsern Journalen begegnen, ich meine Die rcccnsirenden Kunstenthusiasten. Es gibt Zeiten, wo eine ganze Stadt zum recensirenden Kunstenthu- siastcn-Institut wird, wie neuerdings Berlin unter Lißt. Welchen köstlichen Beitrag zur komischen Literatur der Deut schen hat die Kritik da geliefert! Alt und Jung trieb das Metier während dieser bedeutungsvollen Lißttage. Das Re- censiren wird heutzutage frühzeitig cingeübt, und Saphir hat recht, wenn er in seiner Vorlesung über den Witz unter An derem sagt: „Ich bin überzeugt, wenn ein Bub fünf Mo nate alt wird, der Papa schickt ihn unter die Recensenten, und viele unserer Journale haben gern eine kleine rcccnsirende Kleinkinderbewahranstalt; sic betrachten die Recensenten wie die Gurken und sagen: wenn sie scharf sein und beißen sollen, müssen sic unreif eingelegt werden. Unsere Recensenten sind von Kindesbeinen auf schon mit und unter Recensenten groß geworden, und man kann von den meisten sagen: sie sind unter der Kritik aufgewachsen." — Sind die beißenden Recensenten schon so komisch, wie viel mehr die schwärmerisch gutmüthigen, die enthusiastischen. In einem Concerte, in welchem eine liebenswürdige Künstlerin sang, sah ich solch' einen recensirenden Enthusiasten vor Entzücken außer sich ge- rathen; einige Lage daranf konnte man eine Recension von ihm lesen, in welcher es z. B. hieß: „Man lauschte verge bens auf einen falschen Ton!" Ist das nicht gutgebrüllt von dem Kunst-Lion? Als ob man in ein Concert ginge, um auf falsche Töne zu lauschen! Freilich ist man bei der gleichen Schwärmern zu fragen versucht, ob sie überhaupt die falschen Töne von den richtigen zu unterscheiden wissen; aber darauf kommt es ihnen auch nicht an; trunken von ihrer Begeisterung, gleichen sie dem Eulenbök in der Tieck'schen Novelle — in ihrer Trunkenheit rührt sie Alles, es sei, was cs wolle und wer cs wolle: ein Lied von Proch oder eine Symphonie von Beethoven, eine Maultrommel oder eine Or gel, eine Schröder-Devrient oder die vierzig Bergsänger, ein Lißt oder ein Klitschnigg, eine Laglioni oder eine Seraphine Lustmann. Daß der Enthusiasmus sich in Reccnsionen er gießt, ist ein wahres Glück; denn erstens wird dadurch die unbewußt komische Literatur der Deutschen bereichert, und zweitens wird die Enthusiastenperiode desto schneller ihr Ende erreichen, jedesfalls mehrt sich der Stoff zu der einstigen wirklichen komischen Literatur. Bis dahin wollen wir über die unfreiwilligen Komiker lachen. Bei dieser Gelegenheit müssen wir noch eine den recensirenden Kunstenthusiastcn nahe verwandte Sippschaft erwähnen, nämlich Die poetischen Kunstenthusiasten, die den Gegen stand ihrer Begeisterung „anzusingen" gewohnt sind. In der Regel wählen sie dazu die Form des Sonetts, das sic z. B. beginnen: Mir war's, als ich Dein süßes Bild erblickte, u. s. w. oder objektiver: Die Grazien standen schon an Deiner Wiege! oder auch: Ein Engel stieg aus Himmclsräumcn nieder. Die gute Zeit für diese Art von Poeten ist eigentlich schon vorüber; denn die Redactionen sind schwieriger geworden; doch so lange die Jntelligenzblättcr noch die Zeile mit zwei Groschen berechnen, ist das Talent immer geborgen. Es be zahlt die Druckkosten und kann von dem Kinde seiner Muse in doppelter Beziehung sagen, „es sei ein thcures Kind." Nimmt es die Redaction in ihre Spalten auf, nun, so ist der Effect um so größer. So brachte vor Kurzem ein Hamburger Blatt bei Gelegenheit des dortigen Gastspiels des Fräulein Piris ein Gedichtlein, das einzig in seiner Art ist. Der Verfasser läßt nämlich die beiden Damen Kunst und Natur, die sich um den Besitz der Sängerin lange gestritten, in's Hamburger Stadttheatcr gehen, um die Gefeierte als Amine in Bellini's Somnambule zu sehen, und dort versöhnen sie sich. „So stritten sie; da sahen beide Jüngst als Amine dich. Und beide sanken in die Arme Einander schwesterlich." Ein wichtiger Umstand ist noch hervorzuheben. Da die heutige Lyrik bekanntlich stets auf der Bilderjagd ist und nichts in der Welt anschcn kann, ohne es zu vergleichen, was mit unter auf die seltsamste Weise geschieht (ein Dichter nannte, um ein Beispiel anzuführen, vor Kurzem die Nacht „ein braunes Perlhuhn") — so kann es natürlich nicht fehlen, daß die poetischen Gelegenheits-Kunst-Enthusiasten, dem Gcschmacke der Zeit huldigend, sich in jenem Genre ganz be sonders hcrvorzuthun bemüht sind. Wir können uns nicht enthalten, zum Schluß unfern nachsichtigen Lesern auch ein Beispiel dieser Art mitzuthcilen. Die letzten Strophen eines Gedichtes an Fann» Elsler, das, leider nur als fliegendes Blatt gedruckt, uns zufällig in die Hände kam, lauten näm lich, wie folgt: „Du schwebst — ein Hauch ist's nur; — auf leichtem Wellenschaume Wiegt so die tändelnde Libelle sich. Die wie ein Elfenkahn, in holdem Frühlingstraume Mit einem Schatten buhlt, der schnell entwich. Noch wehen träumerisch die schlummertrunknen Glieder, Vergeistigt durch der Anrnuth Zauberschein, Und nun, wie sinket leis ein Blüthenblatt hernieder. Auf weichem Moos schläft Hand und Fuß Dir ein. O stört die Göttin nicht; wir sehn sie mit Entzücken Bon ihrer Kunst erhab'nem Palmenbaum Das goldns Diadem des höchsten Ruhmes »stücken. Der unter Sternen glänzt am Himmelsraum!" Schade, daß wir den Namen dieses sublimen Poeten nicht kennen! Fräulein Elsler hat ihn gewiß mit — einem Lächeln belohnt. « Französische Literatur in Deutschland. I.e ennsvillOr kpi-ztvlnire ü I »sag« <lo Is jen- nesse, pur 41.V1. X<Ner- stlesnarck et l,. kouuvsis. Koriin, II. 8c!>ultre, 1841. — Dieses Büchlein wurde, wie wir in der Widmung sehen, durch den Wunsch eines angesehenen Pä dagogen in Berlin, wo Herr Beauvais Lehrer der französischen Sprache und Literatur ist, veranlaßt. Es enthält Briefe ver-