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könne und zugleich wisse, wie viel man wieder geben muß im Fall einer ähnlichen Einladung. Wenn Jemand, durch Umstände gehindert, nicht selbst gehn kann, so muß er doch sein Fen - zst) schicken, im entgegengesetzten Falle wird alle frühere Verbindung abgebrochen. Selbst bei den Armen, z. B. bei den Soldaten, macht das Fen-zsi) nicht unter zwei bis drei Thalern aus; bei Leuten von mittleren Vermögen beläuft cs sich auf Hun derte und bei den Großen geht es in die Tausende. So ver derblich diese Geschenke für die Herrn sind, so vorthcilhaft sind sie für die Bedienten, welche in allen Häusern ziemlich be deutende Summen als Trinkgeld bekommen. Auch steht das, was man dem Bedienten für das Ueberbringen der Geschenke zahlt, im Verhältnis! zu der Stellung der Herren, so daß man z. B. dem Diener einer Ministers oder Fürsten nicht weniger, als ein halb Pfund Silber geben kann; selbst dem Diener des letzten unter alten Bekannten und Freunden kann man nicht unter sieben bis acht Lhaler unsers Geldes geben. — Wie oft hört man bei uns über die Last der Trinkgelder klagen, welche doch keineswegs mit chinesischer Freigebigkeit verabreicht werden! „Sonst gab man eincn Gulden Fürs 'Nunlerleuchlen her; Jetzt sagt man zu d,m Matl: Gut' Nacht, mein liebes Kathl! — Es thutö halt nimmermehr." Die Vergrößerung von Paris macht immer bedeu tendere Fortschritte; man wird noch ein Neu-Paris außer halb der Befcstigungsmauern erstehen sehen. Es ist im Werke, vier große Friedhöfe anzulegen und die umliegenden Dörfer in das Weichbild der Hauptstadt zu ziehen. Buchcrfabrikation in Nordhausen Ucbcr dieselbe gibt ein Corrcspondent im „Kometen" folgende interessante Aufschlüsse: „Wie die Literatur, schreibt er, insbesondere aber die belletristische, hier vertreten wird, ist leider bekannt genug. Der Besitzer unserer Aomanfabrik ist gegen alle Angriffe der Kritik und Journalistik gleichgültig und lacht sich in's Fäustchen, wenn er überrechnet, daß ihm ein Ritterroman von 15 Bogen, wofür er dem Autor vielleicht einen Louisd'or gegeben, ge wöhnlich zu 3 —äOO THaler einbringt, da er 400 Exemplare, als bestimmte Abnahme von Leihbibliotheken, stets los wird. Be trachten wir nun die Verfertiger der Ritter- und Banditcn- Mordgemälde etwas näher, so erfahren wir, daß ein Fleischer spscud. Barthels), ein Seifensieder (Tanne), ein Buchdrucker lehrling (Loden) und ein Doctor pdilos. (Seoper) die vier Hauptschreiber der Fabrik sind. Ja, es läßt sich schon was Ersprießliches für die deutsche Literatur erwarten, wenn ein Fleischer Schlachten schildert oder ein Doctor der Philosophie mit telalterliche Ritter mit philosophischen Redensarten im Munde vorführt! Dieser Doctor hat denn nun auch, als er noch hier wohnte, den Scandal auf's höchste getrieben; er besaß ein Verzeichniß von 150 Büchertiteln, welches er den Buchhändlern mit der Bitte übergab, eine Auswahl zum Verlage zu treffen. War dicß geschehen, so schrieb er in einigen Tagen das ge wünschte Buch, und cs war wirklich spashaft, in kurzer Zeit so verschiedenartige Producte der schreiblustigen Feder des Doctors enteilen zu sehen und auf seinem Titelverzcichniffe unter anderm zu finden: Rallo Rallini, der furchtbarste Bandit Italiens — Die Kunst, Blutegel zu fangen — Der Roßkäufer, für Pferdeliebhaber — Untrügliche Mittel wider allcs Unge ziefer — Der blutige Geist des Ritters von Schauerfels, u.s.w. Dieser Doctor schrieb auch unter dem Namen Ledebour eine homöopathische Thicrarzncikunde, fand aber weder als Lehrer, noch als theoretischer Thierarzt, noch als Romanschrciber hier sein Brot und siedelte sich nach Quedlinburg über." Ein seltener Fall. Vor Kurzem starb in Dresden ein sehr verdienter Mann, der Hofbaumeistcr Thormcyer; dieser Fall ist zwar betrübend, aber nicht selten, denn auch ausge zeichnete Leute sind sterblich. Der im sechsundsechzigstcn Jahre verstorbene Thormcyer hatte sich seit ungefähr einem halben Jahre eines muntern Urenkels zu erfreuen. Auch das gehört nicht zu den Raritäten; doch ein seltener und seltsamer Fall zugleich ist es zu nennen, daß der Vater des Urenkelchens über einDutzend Jahre älter ist, als der Urgroß vater war. Der Vater ist der würdige Greis, Geheimrath von Wiebekind (aus dessen Namen man ein bezügliches Wortspiel herleiten könnte), der Gemahl der Tochter des Diaconus Wagner in Dresden, dcr Schwiegersohn des Da hingeschiedenen. Thormeyer ist übrigens, beiläufig gesagt, dcr Erbauer der großen Treppe vor dem Brühl'schen Garten, einer der schönsten Zierden Dresdens. Lessing vor den Türken. Die „Rosen" theilten neu lich folgende interessante Notiz mit: Die griechischen Schau spieler, die jetzt in Constantinopel auftretcn, haben eine Ucber- setzung von Lessings: „Nathan der Weise" auf die Bühne ge bracht. Ein Herr Kaliourgos, der früher in Deutschland studirte, hat sie besorgt und scheint dem Originale ziemlich treu geblieben zu sein. Die erste Darstellung des Stücks fand am 26. März statt. Es waren bei derselben nur wenige Türken zugegen und das meist Polizeibeamten. Bei der Wie derholung des Stücks am folgenden Tage war hingegen das türkische Publikum das überwiegende, und dicß würde in einem noch höhcrn Grade dcr Fall gewesen sein, wenn mehr Türken griechisch verständen. Ihre Aufmerksamkeit und Spannung war außerordentlich. Bei den Verhandlungen mit Saladin schienen sie zwar manchmal geneigt zu sein, den Freimuth der Rajahs vor dem Throne etwas weniger großmüthig aufzu nehmen, als der Sultan. Die Erzählung von den drei Ringen erregte hingegen einen beispiellosen Enthusiasmus. Sie ist auch ganz im Geiste des Morgenlands gehalten und diesem selbst entlehnt. Am Schlüsse derselben brach ein Jubel aus, in den auch die schweigsamsten Moslemins begeistert einstimmten. Das Stück wird öfter über die Scene gehn. Es führt hier Len Titel: „Der weise Judengreis." Naives Wortspiel. Als jüngst die Zuschauer in Fran- coni's Kunstrciterbude ihre Ungeduld wegen verspäteten An fangs der Vorstellung durch Stampfen mit den Füßen zu er kennen gaben, äußerte eine Dame zu ihrem Nachbar: „Dieses Publikum scheint sehr poetisch, — es drückt seine Ungeduld mit Fersen aus." (Eisenbahn.) X —— 2- H-