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14. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von E. P. Melzer in Leipzig. L840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 26. März 1640. Um sich von den bcinanstrengcndcn und börsenlecrenden Carncvalsfreuden stufenweise zu erholen, haben wir in letztern Tagen die Mehrzahl der schönen Welt und an ihrer Spitze die Löwenhäupler in den Theatern und Concertcn angctroffen, und wir entnehmen diesen Localitäten unsere heutigen Betrachtun gen, denn Sie können und mögen sich wohl leicht vorstellen, daß ein gewisser ziemlicher Stillstand hinsichtlich der Ballfcste cingctreten und daß das Thcewasscr wieder mehr auf dem Markte des Salonslebens als die Tanzmusik im Preise steigt. Conccrte haben namentlich in jüngster Zeit sich eines recht zahlreichen Besuchs zu erfreuen gehabt, und wir müssen ge stehen, wir haben hier nicht ohne Neid vernommen, wie ge genwärtig der berühmte, generöse, den Mammon dieser Erde hassende Pianist Liszt in Ihrem gemüthlichen Leipzig das Publikum entzückt. In den zahlreichen musikalischen Reunionen, welchen wir beiwohnten, brillirte am meisten ein blühend-junger Violi nist, Herr Dubois, und wie sehr wünschte ich cs, hier mehr über ihn zu sagen, wenn es nur der Raum gestattete. So aber darf ich hier nur von den dort angetroffencn merkwürdi gen Anzügen sprechen. — Vor allem Andern muß ich einer ausgezeichneten Robe aus weißem Caschemir Erwähnung thun, welche mit Rosen knöpfen en clienille brodirt war und fünf kleine Volants zeigte, die ebenfalls, wie der Fond, mit einer Reihe solcher Knöpfe verziert waren; der Obertheil dieser Robe war sehr weil ut einem doppelten Falbalas geschmückt, welcher shawlförmig bis zur Spitze des Leibchens herabstieg. Dreifache Spitzenränge umgaben den Halsausschnitt dieses von Demoiselle Mouton, Rue St. Honore 246, angcfcrtigten prachtvollen Kleides. Die Dame, welche diese Robe trug, halte sich auch noch mit einem sehr niedlichen, geschmackvoll gearbeiteten Bonnet aus Rosagaze geschmückt. Nur der Scheitelprn ' des Haars war coiffürt. Drei schräge Reihen von röhrenförmig gebilde ter Rosagaze umzogen einen kleinen Grund und formirten gleichsam eine Art Diadem oder Aureole auf der Spitze des Hauptes. Eine ähnliche Garnitur verlor sich hinterwärts herabfallend. Was die Seiten- oder Wangengegenden betraf, so war an der einen ein großer Knoten von Satin mit flattern den Landenden angebracht und auf der andern eine Rose. Dann bemerkten wir noch eine köstliche Robe von Crepe de Palestine, rosa und weiß glacipt, mit geradem Leibchen und vicrbauschig garnirt, eine Berthe umgab Schulter- und Brustgcgcnd. Die Aermcl waren sehr kurz, mit drei Bouillons versthen und mit leichten Spitzen gar zart besetzt, Dcn Untertheil der Robe umkreisten sieben feine Spitzcnstreifcn. Auch liefen um das Leibchen außerdem noch Seidenschnürchen. Ist das nicht eine köstliche Erfindung? Wir verdanken sie der Madame Potti er, Rue des Moulins Nr. 16. — Die Dame, welche sich mit dieser Robe präscntirtc, war mit einer Blätkcr- guirlande en cllenille coiffürt, die noch mit Spitzcnbarbes vermischt und besetzt war und graziös aus den blendend wei ßen Schwanenhals herabsicl. Viele Vorbereitungen sieht man auch jetzt in dcn Moden magazinen treffen; sie kcmmen mir zuweilen wie die unsere Zeit am meisten charaktcrisircnden modernen Arscnäle vor, und mein beklommenes, neugierig pochendes Herz fragt, wozu diese gewaltigen Rüstungen? Und wenn ich mir auch nicht ganz diese Frage beantworten kann, so vermuthe ich doch den größ ten und hguptsächlichsten Thcil derselben lösen zu können. Nach Ostern ist ja die Hochzeit des schönen königlichen Her zogs von Nemours! und obwohl diese Vermählung still und entfernt von unserer festesüchligcn, gespreizten Hauptstadt ge feiert werden soll, so kann und wird der Hof späterhin cs doch wohl nicht unterlassen, eine Reihe von Soireen zu geben, in denen nun das elegante, löwenmähnige Paris glänzen und hervorragcn will. Daher die Zurüstungen! — Sobald ich nur das Geringste darüber erforscht habe, werde ich cs Ihnen gewiß im Vertrauen miltheilen und ich sage Ihnen, ich habe gar schlau meine Anstalten getroffen. — Die Herren müssen sich doch ganz besonders in die Pa letottracht verliebt haben, denn einem sehr glaubwürdigen Ge rücht zufolge sollen diese formlosen Zwittcrröcke auch im Som mer fortgctragen werden! Denken Sie sich nur! Man wird sie nämlich aus leichtern Stoffen anfertigen und sie statt mit Pelz mit Seidenzcugen verbräme». Einen ähnlichen Rockau- zug hatte schon einmal vor Jahren ein deutscher, hier ansässi ger Klciderkünstler componirt und ihn Immer mantel ge nannt, aber da ihn die Löwen nicht unterstützten, so fand seine Erfindung keinen großen Anklang. In letzterer Zeit habe ich hier auch niedliche Hausrvcke be merkt, welche aus grauem Köperzeugc bestanden und deren Schooßtheile vielfach gefaltet waren. Der Kragen und die Aermelaufschläge von Sammet. — Wie ich soeben vernehme, werden nächsten Sommer halb mondförmige Sonnenschirme en vvgue sein. Das wäre doch sonderbar; nicht wahr? Soll das eine Anspielung auf den Orient sein? Himmelblau und grün sind die mulhmaßlichen Farben dieses nöthigen Artikels. Bald zeichnet wieder u. s. w. Ihre Melanie.