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Der Tohn von Arsijkiiholz. Der bekannte preußische Officier von Archcnholz, dessen literarische Thätigkeit in man cher Beziehung sehr schätzenswcrth war, der die Zeitschrift Minerva' gründete und über Großbritannien und britische Zu stände viel auf scharfsichtiger Beobachtung Beruhendes publi- cirtc, hat einen einzigen Sohn hinterlassen, der vcrheirathet in Finnland lebt. Dieser einzige Erbe eines Namens, der in unsrer Literaturgeschichte sortleben wird, lebt, von schweren Unglückssällcn betroffen, in unverschuldeter Dürftigkeit in Finn land und bittet Menschenfreunde und Verehrer der Schriften seines Vaters, ihn mit einem Scherflcin in seinen kranken Ta gen zu erfreuen. Die .Börsenhalle' in Hamburg sammelt die Beiträge. Weinlese in Ungarn. Aus allen Ortschaften der Ebene, aus den Gegenden weit jenseits der Donau und der Dais strömen die Landleute, besonders die Frauen und Mäd chen, herbei, um bei der Lese in den unzähligen Weinbergen zu helfen. Gegen Abend beginnt der Zug aus den Weinber gen, das Einbringen der Trauben und des Mostes. Alles geht und fährt willkürlich. Dennoch gestaltet sich das Ganze zu einer gewissen Svmmctric, zu großen Gruppen. Zuerst eine Reihe eilender Kinder mit Körben voll Trauben. Dann die Landmädchcn, die zu zweien einen Stock auf den Schultern tragen. an Trauben in hcrabhängcndcn Pyramiden zu auben von Jericho vereint sind. Nun kommen vw .. mit den offenen Butten und Fässern voll Most, mit Ochsen bespannt. Der Fuhrmann, vorn aufsitzend, bläst auf der Flöte, in deren Töne sich das Singen, Lachen und Jauchzen der Menge mischt. Bürger und Bürgerinnen folgen den Wagen. Dieß war der Zug aus einem Weinberge. Nun iedcr Kinder, Traubcnträgcrinncn, Wagen und Bürger; und geht der frohe Zug fort. Da fast Alles zu der einen Straße reinzieht, so dauert der Zug von Einbruch des Abends bis in die Nacht fort und vier Wochen lang wird täglich auf diese Weise cingebracht. In den Weinbergen wechseln Gastereien, Gesang, Tanz und Feuerwerk bis spät in die Nacht und uner müdet beginnt täglich aufs neue die Lust. Während der Lese schon, sobald einiger Most herein ist, treiben die Hausfrauen ihr geheimnißvollcs Wesen. Sie bereiten noch ein Arcanum, an, ", "c zu Familie forterbt, den berühmten Tropf würzreichen Wein, der bei allen Festen den e sie fädeln die Hälften der welschen Nüsse i ein Gemisch von eingesottncm Most und ,v lange, bis das Ganze eine zuckerartige Crystallrinde bekommt, und erhalten so die für den Nachtisch unentbehrlichen Mostwürste. Fleißige Winzer sind auch die Studenten, deren Hauptferien in diese Zeit fallen und die sich bemühen, dem Gan zen einen möglichst klassischen Charakter zu geben. Städtische Feste beschließen diese Jahresfeier, und war der Ertrag einiger maßen genügend, so sieht Alles dem Winter fröhlich entgegen. Nach dem Aufhörcn der großen var eine große Fruchtbarkeit der - Dieselbe großartige Erscheinung, zncn Seuche das Walten einer höher» Macht in der Richt, ng des organischen Gcsammtlebens überzeugend boveist. Die Ehen waren fast ohne Ausnahme gesegnet und häufiger als sonst wurden Zwillinge und Drillinge geboren, wobei man der sonderbaren Sage gedenken muß, daß nach dem großen Sterben die Kinder weniger Zähne erhalten haben sollen, als früher, worüber sich die Zeitgenossen gewaltig entsetzten, oder auch spätere leichtgläubig in Verwunderung gerathen sind. Chinesisches Theater. Geprügelt wird auf dem chine sischen Theater nach Noten. Jeder Abgang ist eine Schlä gerei. Ein Actschluß ohne Prügel ist undenkbar. Der Bruder schlägt die Schwester, diese den Bruder. Wenn ein Richter aus dem Verhöre nichts hcrausbckommt, läßt er schlagen. Das ist in der Ordnung. Aber wenn ein Obergensd'arme einen Untergensd'armen prügelt, so kann dieser nach der Ordnung nicht wieder schlagen; allein ihn hindert nichts, seinen Gefange nen die Schläge seines Obern entgelten zu lassen. Ein Wein händler erhält keine Bezahlung von seinen Gästen, aber Schläge dafür und das ist Alles in der Ordnung. Vergiftet wird fast eben so viel als geprügelt. Die Mut ter will den Sohn vergiften, weil er sich unterstanden, es un ehrbar zu finden, daß siine Schwester die Familie mit ihrer verkäuflichen Schönheit unterhält. Die Frau vergiftet den Mann, wenn sie mit ihrem Liebhaber leben will. Das ist Alles in der Ordnung. W Verbrechen gräßliche und gräßlichere werden überall began gen und die Poesie hat sie ausgenommen. Die totale Gleich gültigkeit gegen die Sünde, die Abwesenheit jedes erhabenen Gefühls macht die chinesischen Dramen so unbeschreiblich wider wärtig und empörend, wiewohl sie nebenher eben so lächer lich sind. Der Tätiger Rubini. II Dalismano, Oper von Pac- cini, machte auf dem großen Mailänder Theater Furore. Nu- bini trat darin mit einem instrumcntirten Eingangs-Recitativ, das mit Enthusiasmus ausgenommen ward, auf. jDer bewun dernswürdige Tenor zeigte sbesonders seine Kühnheit durch ein hohes li, das er im kecksten Aufschwünge anschlug; aber mit so ungeheurer Kraft und doch so hinreißender Weichheit, daß es in allen Ohren wiedcrtönte. Man strömte in die Scala, um dieses triumphircnde L mit wüthendcm Beifall zu krönen. Kaum war es erklungen, als auch das Publikum ausschrie: „En altera volta!" Der große Sänger hatte schon vierzehn v seinen Zuhörern geschenkt. Sie waren zur achten Vorstellung herbcigeströmk, um die Passage zum fünfzehnten und sechzehnten Male zu hören. Das Orchester hatte das Präludium gespielt, welches dem Auf treten Rubini's vorausging. Der Sänger beginnt die Lieblings phrase. Die mit Ungeduld erwartete Note soll ertönen. Zn dem Himmel hebt der Held die Lugen, streckt die Arme aus, richtet sich auf den Zehen in die Höhe, öffnet den Mund — und bleibt stumm, stumm wie ein Fisch. Das rebellische Sang instrument versagt ihm das so Heißersehnte. Rubini befand sich in der Lage der Unglücklichen, von denen der Psalmist sagt: Sie haben einen Mund, aber er öffnet, ohne das Schweigen zu unterbrechen. Unaufhörliche Bravos er schallten bei dieser unerwarteten Katastrophe; das Publikum wollte Rubini über seinen Unfall trösten; „un altera volta!" schrie die Menge, „un altera volta!" wiederholte das Publikum,