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Der Salon. ^51. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von E. P. Melzer in Leipzig. 1840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 3. December 1840. Das ist ein Wetter bei uns! Es scheint, als wolle der Herbst, bevor er dem Winter mit seinem Schnee und Eis weichen muß, uns noch einmal seine nasse Gewalt fühlen lassen. Der Himmel gießt Ströme auf Ströme herab und die Wogen der Seine steigen von Tag zu Tag. Soll eine neue Sünd- fluth zur Strafe für unsre Sünden hercinbrechen? Es wäre kein Wunder, aber wahrlich, Jammerschade, wenn unsre Weltstadt Babylons Schicksal hätte. Wenn alle die Herrlich keiten zu Grunde gingen, die prächtigen Gebäude, die Denk mäler, die Gallerien und vor Allem — die Modemagazine. Wovon sollte Ihnen dann Melanie schreiben? Doch lassen wir die Hoffnung noch nicht sinken, es wird ja wohl so schlimm nicht werden. Aber das arme Lyon, das uns die schönen seidenen Stoffe liefert! Madam Dorval, die liebenswürdige Schauspielerin, von der sie ohne Zweifel gehört haben, kam neulich auf ihrer Reise nach Lyon, oder vielmehr nach der Stelle, wo Lyon stehen sollte. Sic sucht die Stadt und findet nur einen ungeheuren See; sie sucht das Hotel <Is I'Lnropo und sieht nur noch die obern Stockwerke. Ihr Fahrzeug schwimmt bei der ersten Etage vorbei; mit Mühe steigt sie aus — Alles öde und ausgestorben. Dankt dem Himmel, ihr Pariser, sagte Madame Dorval bei ihrer Rückkehr, daß er euch mit seinem Zorn verschont hat. Ihr könnt euch ruhig in eure bequemen Wagen setzen, um nach den komfortablen ma- xasins ckes Italiens zu fahren, könnt die schönen Seidenstoffe kaufen, die prächtigen Sammete und wenn ihr eure Augen an der Pracht und Eleganz weidet, dann denkt: „Ihr armen Arbeiter von Lyon, ihr sollt uns neue Stoffe schaffen, wir wollen uns putzen, damit ihr euch wieder erholt und leben könnt!" Jetzt ist cs eine heilige Pflicht der eleganten Welt von Paris, den Gesetzen der Mode zu huldigen, die niemals einen edlcrn Zweck gehabt hat! Verzeihen Sie mir diese lange Abschweifung von dem, was Sie erwarten; die Franzosen sind ein mitleidiges Volk und ich bin mit ganzer Seele Französin! In dem Magazin Minaret (Loulevarck I'oissoniere) sieht man die herrlichsten Cachcmirs, vom Lacliemire trancais, dem einfachen, schlichten, bis herauf zu dem prächtigen, indi schen Cachemire. Eben war von den letztcrn eine Sendung in allen Farben angekommen, zu dem Preis von vier bis fünf hundert Francs. Diese Eachemirs werden jede Mode über leben, das ist gewiß, und vorzugsweise die indischen Shawls. Das Orange und das Weiß sind die beliebtesten Farben bei der Abendtoilette. Wir haben in diesem Genre hinreißende Sachen. Die orangenfarbenen Dessins auf einem Grunde von Seide oder repsblano machen einen Effect wie Gold und wer den gewöhnlich bei großen Festen getragen. Die Blonden gesellen sich auf liebliche Weise zu diesen hübschen Rüben, die mit dcnselbei >I>rnirt sind. Der orientalische Mohr (la moirs ü'Orient), der pelcin renaissance und der reps äupiler sind Stoffe, welche jetzt am allerbeliebtesten sind. Man trägt sie bei Visiten und Soireen. Das sogenannte robo llaupkine wird nicht minder ge schätzt. Dcmoiselle Lenormand hat so eben eine neue Robe für den Ball und für Visiten aufgebracht, welche wahrschein lich diesen Winter den Vorzug vor allen übrigen erhallen werden. Die künstlichen Blumen vervollkommnen sichi von Tag zu Tag. Die sogenannten bouguels und guirlanlles üe kiancee sind das Geschmackvollste in diesem Genre, was man haben kann. Die Phantasieblumen, welche man an Ballkleidern an bringt, oder mit denen man Sammet- und Seidenstoffe ziert, harmoniren auf die schönste Weise mit der ganzen Toilette. Wir haben Roben von weißem Orüpe mit doppelter Jupe ge sehen, welche mit Guirlandcn von rosenfarbenem, blauem und gelbem Sammet geschmückt waren, wodurch der ganze Anzug eine bewunderungswürdige Frische und einen herrlichen Lustre erhielt. Soll ich, wie ich versprochen, noch ein paar Worte über Herrenmoden sagen, so muß ich ausrufcn Paletots, Paletots und immer Paletots! Doch diese werden in hundertfältigen Modifikationen getragen. Die weißen Paletots sind die elegantesten. Der Besatz ist an manchen srhr reichhaltig; die paletvts lloublvs ck'astralean werden immer beliebt sein. Doch muß ich eine Art erwähnen, welche diesen Winter wohl allge mein aufkommcn werden. Dieß sind nämlich die Paletots mit Knöpfen und langen Knopfreihen. Die lange Taille wird ebenfalls mit zwei großen Knöpfen bezeichnet, wie die großen Seitentaschen. Außer der weißen Farbe dominirt noch das amerikanische Grau und das Dunkelgrün. — Die Gilets trägt man gewöhnlich ä cüLle mit einigen unbedeuten den Variationen. Für die Stadttoilettc sind Gilets mode, welche man bis zur Cravatte zuknöpfen kann. Die Hutmode ist jetzt die willkürlichste; jeder nimmt die Form, die ihm ge fällt und die ihm am besten zu Gesicht steht. Am Allge meinsten sind hohe Hüte mit breiten Krempen. Die ClaqueS sind mit einer Seidentreffe und einer Kokarde besetzt. Und nun — für heute genug! Ihre Melanie.