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Der Salon. -M40. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 17. September 1840. Auf einige Zeit werden uns nun viele jagdlustigc Mode helden verlassen, um lheils die Felder und herbstlichen Wälder zu durchstreifen, theils auch die nahgelcgenen Schlösser zu be leben und in dem pittoresken Jagdcostüme Aufsehen und Be wunderung zu erregen. Es ist recht schade, daß die Damen welt nicht allgemein den Jagdfrcuden sich hingiebt; nur wenige unserer Tages- und Modcheldinnen zeigen sich als reizende Dianen; gewiß aber würden weit mehr elegante Damen dem freien Lagen durch Au und Hain huldigen, wäre diese ritter liche Beschäftigung nicht mit allzu vielen und -verschiedenen Mühseligkeiten verknüpft. Dagegen zeigt sich die elegante Welt jetzt als Zähmerin und Lenkerin der schönsten und stolzesten Rosse; namentlich liefern Palmyra und Victorine die prächtigsten Reikanzüge. — Die Modekünstlerinnen sind immer noch nicht über die Aermelfrage hinaus; die Losung ist immer noch: „eng oder weit!" — ich bin sehr begierig auf die Entscheidung des Kampfes, der entweder der leichtfertigen Mode huldigt oder sich ängstlich an die Natur anschließen wird. — Wie veränderlich und also zugleich auch wiederkehrend viele unsrer Moden sind, zeigen jetzt die Roben, die man fast ganz so sieht, wie im Zahre 1820. Ich sah in den letzten Tagen mehre Damen in olivengrünen Roben, die in jeder Hinsicht nur als ein Wiederauftauchen einer ältern Mode zu betrachten sind. — In den letzten schönen Tagen befand sich der Hof in St. Cloud und natürlich konnte man daselbst eine ausgesuchte Eleganz bewundern. Vorzüglich zeichnete sich ein Kopsputz der Infantin von Spanien aus, den Madame Seguin ge fertigt. Die Coiffüre bestand durchaus aus blauem Crepe und geschickt und zierlich angebrachten Spitzen; das Ganze schmückte nur eine einzige blühende Rose, an der der flüchtige Thau- tropfen nur noch fehlte, so treu war dieselbe der Natur nach gebildet. Die einzige Blume war aber so geschmackvoll ange bracht, daß man vor Entzücken zum Räuber dieser unnach ahmlichen hätte werden mögen. Später bewunderte man noch allgemein einen andern Kopfputz der Infantin, der wegen seiner Aehnlichkeit mit chinesischer Coiffüre den Namen ü la Llan- ilarins erhalten hat. Diese Coiffüre ist äußerst piquant, graciös und neu und cs ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß sie in diesem Winter einen bedeutenden Anklang finden wird. Dieß chinesische Genre ist ebenfalls durch Madame Seguin wieder aufgesucht und vervollkommnet worden. — Besonders bemcrkenswerth war aber die Robe, welche die Infantin trug, und durch ihre Einfachheit so ausnehmend ansprach. Sie hatte einen weißen Grund mit kleinen Streifen, übersäet von einem reizenden blauen und weißen in Cachemir- wolle cingesticktem Muster. Von drei Reihen der zartesten Spitzen war die Robe garnirt. Die unterste Reihe ging rings herum; die beiden andern wendeten sich nach vorn und bildeten gleichsam eine Tunica, die wie die Aermel gleichmäßig mit Spitzen verziert war. — Bei jedem Brautschmucke befinden sich jetzt kostbare Koral lenarbelten ; namentlich im Frühjahre trägt man viel Korallen schmuck und besonders ist er bei einer weißen Toilette von großer Wirkung. Die glücklichen Pariser Bräute aber verab säumen auch in dieser Jahreszeit die ausgesuchtesten Korallen arbeiten nicht, und sind oft mit den schönsten Cameen ge schmückt. — In allen Ateliers, welche der Mode unterthänig sind, herrscht jetzt die größte Thätigkcit und doch ist mir seit meinem letzten Briefe kein Modenwechscl von Bedeutung kund geworden; aber gewiß, wenn der Erfolg aller Arbeiten einen gleichen Schritt mit den Anstrengungen hielte, so müßten wir Wunderdinge im Reiche der Moden und des Luxus vernehmen. Am Sonnabend wurde das Hiüütro-k'ranoais wieder geöffnet und dieser Abend war reich und herrlich für Auge und Ohr. Man glaubte sich in die Opöra-Comigue versetzt, wäre man nicht durch Demoi- sclle Rachel, welche in den Horaziern die Rolle der Camilla meisterhaft spielte, an eine der vorzüglichsten unsrer klassischen Tragödien erinnert worden. — Es ist wohl nun anzunehmen, daß in diesem Winter die Hüte klein getragen werden, und ich gestehe cs offen, hat auch meinen ganzen Beifall; freilich wünsche ich auch, daß man nicht allzu kleine Hütchen dem Winter entgegensetzen möge; aber die Mode ist launisch und gefällt sich selbst in Uebertreibungen. — Von Bändern sieht man in den reichhaltigsten und elegantesten Magazinen: Cachemirebänder, damastene, Pal- mcnbänder, Cröpebänder, gestreifte Gazebändcr mit Gold rand u. s. w. Ucber viel Neues und Interessanteres erhalten Sie in wenigen Lagen einen umständlichen Bericht von Ihrer Melanie.