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1840 Neuestes Bulletin -er Moden Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Druck von C. P. Melzer in Leipzig Paris, den IZ. August 1840, Die Mode unserer ziemlich großen Weltstadt hat in diesen Augenblicken auch etwas mit der Türkei zu schaffen; aber erschrecken Sie nur nicht, geehrtcste liebenswürdigste Damen Deutschlands, denn glücklicherweise ist der Gegenstand hierzu blos ein Artikel der — S'ickcrci und nicht der Diplomatie. Nämlich ein sehr charmanter Stoff hat sich in der letzten Zeit in allen feinen Estaminet's, Boudoirs, Toilettenrecevoirs u. s. w. blicken lassen; man nennt ihn point turc und ist von Sorre-Delisle in Canevas und allen andern Ge weben ausgeführt worden. Es ist merkwürdig, welche Unsumme von Liebhabern dieser Stoff bereits gefunden hat! Man wen det ihn zu Wollen- und Scidenarbciten, zu Bordüren der Rollcaur, zu Jalousieverzierungen, zu Bcttbehängniffen, zu Wandtaschcn, zu Phantasiekörbchcn u. dgl. an und bringt ihn mit Goldschnüren oder Scidcnbcsätzen von conlrastircndcn Far ben in Verbindung. Auch Pantöffelchen der reizend sten Art werden mit Hülfe dieses goint tu re angcscrtigt und sind sehr beliebt und verbreitet. Ausgezeichnet fein und elegant sind die langen blauen Scidenshawls, welche wir in einer glänzenden Reunion bei der Gräfin von I— y gesehen haben, sie sind unten mit den feinsten Quasten versehen, die sich so zart wie in Dämmer schein verlieren. Diese blaue Farbe ist ganz eigen, es ist mehr milch - als preußisch-blau. Der Seidenstoff dazu ist gepreßt und an den Kanten quadratförmig.verziert. Auch die Schärpen sind in jüngster Zeit sehr en vogus geblieben. Namentlich bemerkten wir in eben jener Reunion rosafarbene und kelibrigrüne in sehr geschmackvollen Verschlin gungen. Sie fallen nicht zu tief herab. Roben in Organdi in gestreiften Mustern mit blauem oder violettem Grunde und hcllrothen Quadraten, oder auf weißem Grunde mit blauen odcr hellbraunen Quadraten wer den wohl am häufigst»» angctroffcn. Das Leibchen dieser Ro- cn ist jetzt gewöhnlich mit gefalzten Bandköpfchen, welche der färbe des Gewandes natürlich entsprechen müssen, zweireihig inaufsteigend besetzt. Die Aermel waren in voriger Woche ist halbknapp, jedoch die Schulter sehr berücksichtigt. Da »erden Ihnen reiche Verzierungen angebracht! Bouillons mit chtcn Spitzen oder Scidenscknürcn, Bögen von Satin, die nit Spitzenfalten verziert sind, odcr lang hcrabfallende Schnüre mt Goldtroddeln der niedlichsten Art. Der Rocktheil ist sehr weit und schneppcnartig nach hinten hcradfallcnd, er ist zumeist :»it vielen Volants besetzt odcr cs stcigcn mehre Reihen Band- r°setten bis zum Leibchen hinauf; cinc Comxosition, die sich wunderschön ausnimmt und unstreitig an frühere Zeiten er ¬ innert. Die Juschnürparthie der Roben hat ebenfalls manche schöne Verbesserung in den jüngsten Lagen gefunden. Man hat da verschiedenartige Verzierungen angebracht, die jeden Gedanken, daß hier das Gewand offenbar sei, v rnichten. Bei allen Roben schlägt sich mindestens eine breite Leiste von dein Hauptstoffe da über und dann sind Fältchen eingelegt, die nach den Schultern tendircn, — Die Hüte werden noch immer sehr einfach getragen. Wir sahen einen Hut von paill« n la lorains, der sehr klein und blos mit einer Strohtcrsadc verziert war. Zwei andere Stroh- torsaden bildeten den Bavolrt. Nur ein kleines B ümchen der Phantasie wogte an der linken Seite herab. — Dann sahen wir einen Hut von Reisstroh, welcher aus dem Atelier der Madame Dasse in der Richelicustraße Nr. 38 stammte, und mit dunkelgrünen Bändern, mit einer mit Stroh vermischten Torsade und an der Seite mit einer Gruppe dun kelgrüner Marabouts verziert war. Unter dem Schiffchen waren Moos - und Safranblüthcn mit einigen Blättern, welche ohne Zweifel aus der berühmten Blumenfabrik der Madame Lain nee, Rue Richelieu Nr. tO8, entnommen wa ren. Noch sahen wir einen ganz ähnlichen Rcisstrohhut, wel cher mit weißen Traubenguirlanden garnirt war, zwischen welchen sich einige Röschen der zartesten Art befanden. Die Blumen waren aus derselben Fabrik. Die weißen Canezous werden mit farbigen Leibchen, gewöhnlich aus dunkler Seide getragen. Die Aermel daran sind zumeist knapp und lang, aber auch kurze Aermel haben wir hin und wieder bemerkt. Was nun noch die Herren moden betrifft, so muß ich heute vollkommen mit der Ansicht eines der achtbarsten hiesigen Modenlöwen übereinstimmen, der da sagt, sie habe sich in diesem Sommer fast gar nicht verändert. Die großen Stimm führer sind auf dem Lande, im Bade, oder auf der Reise und die Kleiderkünstler sehen mit Sehnsucht dem in dieser Hinsicht viel günstigern Winter entgegen. Die kleinen Redingotes mit einer Reihe Knöpfe, mit schmalem Halstheil, halbbreitcm Revers; die Habits mit Basquen, welche unten sehr breit sind, keine Taschen unter den Batten haben, an dem Endrande „englisch" gerundet, so wie mit ciselieten goldenen Knöpfchen verziert sind, — werden überall als erste Herrentrachten bemerkt. — Pantalons werden ziemlich weit gefertigt; die Hauptmodefarbcn sind jetzt blau und wcißgclb. — Die Neglige-Beinkleider trägt man gemeiniglich aus Halbheiten Stoffen, die klein quadrirt oder gestreift sind. — Die Gilets noch immer mit Shawlkragen, Der Stoff Piques in kleinen Zeichnungen. Auch die von Sa tin, brochirtcr Seide, von Psirdchaar und Valencia sind en graml vogue. — Cravattcn werden mcistentheils mit