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399 die Kaiserin, welche über den Wohlgeruch eines Blumenstraußes, den sie im Gürtel trug, entzückt war, im Kreise herumgcsetzt. Da raffte Napoleon, ohne das Jemand es bemerkte, eine Hand voll Sand auf und streute ihn auf den Blumenstrauß seiner Gemahlin. ES läßt sich leicht denken, daß die Blumen dadurch beschädigt wurden, denn als Josephine den Sand abschütteln wollte, fielen die Blätter aus. „Mein Gott, Bonaparte!" rief sie mit jenem sanften Tone, der ihr so eigen war, „was bist Du für ein Schadenfroh? WaS hab' ich Dir gelhan, daß Du meinen Blumen so mit- spielst?" „Welch ein Kind bist Du," entgegnete der Kaiser, „erräthst Du denn nicht, daß ich cs deßhalb that, um Dir andere, fri schere und von meiner Hand gepflückte Blumen zu geben?" Mit diesen Worten eilte der Kaiser nach den Blumenbee- * ten und kehrte bald mit einen prächtigen Rosensträuße zurück, den er mit der größten Galanterie seiner Gemahlin überreichte. Josephine ncrtheilte die Hälfte dieser Rosen unter die Damen mit den Worten: „Ich verpflichte Sie, gleich mir diese Blu men so lange als möglich aufzubewahren und niemals die Hand zu vergessen, welche sie Ihnen gegeben, und welche sie ge pflückt hat." ' , Gutrnbergs-Transpareut. In Leipzig las man bei der Gutcnbergs-Jllumination vor einer Weinh a ndlun g auf der Katharincnstraßc folgende Verse: x „Herein, Ihr Leute, kommt zum Wein, Er ist von der Presse und auch vom Rhein, Läßt er von der Schwärze auch eine Spur, So leidet er doch nicht durch die Censur, Auch hab' ich vortrefflichen Rothen, Der ist in Deutschland nicht verboten." Ausserordentlicher Appetit. Die Schärfe der Berg- ' lüft, welche die Hochländer von Socotra einalhmen, schärft auch ihren Appetit zu einem außerordentlichen Grade'. Die Europäer werden erstaunen beim Anblick des Rcishaufen, welche sie die Indianer verzehren sehen. Doch ist dieser Appetit noch nichts gegen den jener Hochländer, wo der Wohldabcnde all wöchentlich seine vier Hammel aufzehrt, ohne deßhalb auf eine folide Hauptmahlzeit zu verzichten. Eine Sprachmnschine. Es giebt in unsrer Zeit für s die Mechanik fast kein Problem mehr, das sie nicht zu lösen T vermöchte. Sie hat den Eingang, die Werkstätte der Natur, die Jahrtausende lang alle Zugänge abgcsperrt hatte, um ihre Gebilde insgeheim zu bauen, Mfgcfunden. Die Patente, in < deren Besitz die Natur so lange war, fangen an zu erlöschen. Der Geist läßt sich von der Nachforschung nicht mehr zurück schrecken. Eine der interessantesten und merkwürdigsten Ent deckungen ist die Sprachmaschine des Herrn Faber. Die be rühmtesten Mechaniker waren zeithcr an vollkommener Lösung dieser schwierigen Aufgabe gescheitert. Herrn Faber ist es endlich nach siebenjährigen Bemühungen, nach vielen mißglückten und wieder aufgenommencn Versuchen, nach häufigen anatomischen Studien, gelungen, das große Problem zu lösen. Diese Sprachmaschine spricht nämlich nicht nur alle Buchstaben des deutschen Alphabets deutlich aus, sondern sic gestattet auch . die Verschmelzung der Buchstaben auf eine Art, daß von der selben jeder Satz auf eine gar nicht unangenehme Art so ge sprochen werden kann, wie der menschliche Mund denselben svlbenwcise ausspricht. Die praktische Anwendung dieser Ma schine wird hauptsächlich bei dem Unterricht der Taubstummen von Nutzen sein. Selbstmörder. Die Vergleichung der über Sellbstmör« der geführten jährlichen Listen zeigt, nach Angabe französischer Blätter, folgendes Ergebniß. Ganz besondere Fälle abgerechnet, giebt sich ein Viertel der Selbstmörder den Tod aus unglück licher Liebe, ein anderes aus Noch, ein drittes in Folge körper licher Leiden, die von Ausschweifungen hcrrühren', und das vierte wegen Unglück im Spiel. Ebenso hat man beobachtet, daß in den heißesten und kältesten Tagen die meisten Selbst morde statlsinden, woraus zu schließen ist, welchen traurigen Einfluß die äußersten Temperaturen auf das Gemüth derer haben, die zum Selbstmorde geneigt sind. Man hat übrigens in verschiedenen Ländern bemerkt, daß der vorsätzliche Selbst mord gewöhnlich während der Nacht und kurz vor Tagesan bruch begangen wird, der zufällige und unvorsätzliche während des Tages als augenblickliches Ergebniß innerer Leiden, Ver luste im Spiel, entdeckter Untreue oder schlimmer Nachrichten. Ferner, daß der Mensch sich nach seinem Alter auf verschiedene Weise den Tod giebt. Bei der Jugend kommt das Hängen häufig vor, das männliche Alter wählt das Fcuergewehr. Im vorgerückten Alter ist das Ersäufen gewöhnlicher. Das hin fällige Alter wählt wieder das von der Jugend vorzugsweise ergriffene Mittel und der unglückliche Greis führt durch Er hängen um einige Tage früher das Ende seines Daseins herbei. Wunder oder nicht Wunder. Margaretha, Gräfin von Holland, so erzählt die Sage, eine strcnggcstnntc oder au genblicklich verstimmte Dame, verwies einer zudringlichen Bett lerin, die mit Zwillingen ihr in den Weg trat, daß sie zwei Kinder zur Welt gebracht, da sie doch kein Brod für sic habe und die licsgekränkte Mutter wünschte zu Gott, Ihrs Gnaden, deren Schwangerschaft sichtbar war, möchte auf einmal so viel Kinder gebären, als Lage im Jahre. Dieser keck ausgespro chene Wunsch erregte einiges Auffchn, wirkte vielleicht auf dar Gemüth der Gräfin und galt für erfüllte Prophczeihung, als die Gräfin am Charfrcitage l276 wirklich von so viel Kindern entbunden ward, als das Jahr Tage zählt und im schweren Kindbette verschied. Davon zeugt ein Denkmal, zwei Jahr hunderte später errichtet, dessen Inschrift ergicbt, im unten stehenden Becken hätten 365 zugleich gcborne, bald verstorbene Kindlein das Bad der Taufe empfangen. Die Sache löst sich übrigens ziemlich natürlich auf; denn das wirklich vorhandene Grabmal der Gräfin Margaretha läugnet nicht, daß solche im 46 Jahre ihres Alters, am Charfrcitage l276 von Zwillingen entbunden und im Kindbett verstorben sei. Nun erkannte man, am Schlüsse des löten Jahrhunderts, den Ostertag für den Anfang des Jahres. Da dieses alo am Charfrcitage nur noch zwei Tage zu leben hatte, so durste ein Witzbold jener Zeit wohl behaupten, die Gräfin habe gerade so viel Kin der schoren, als Tage dem Jahre zukommen. Der künstlichste Tanz. Ein französischer Equilibrist wurde Diebstahls halber in England gehenkt, „SS ist unglaub lich," sagte einer seiner Land-fleutc, als er ihn zappeln sah,