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31. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 23. Juli I84V. Heute muß ich meinen Bericht mit der Nachricht beginnen, daß in voriger Woche auf den Promenaden und in den Lust gehölzen auffallend viele Amazonentrachten zu scheu waren. Die Damen scheinen entweder die edle Reitkunst recht protegi- ren zu wollen, oder lieben jenen graziösen, denn doch eine Selbstständigkeit verrathcnden Anzug, von dem ich Ihnen frei lich hinsichtlich seiner Eomposition und Schnittes nicht viel auf fallend Neues mittheilcn kann. Merkwürdig waren mir blos dabei die Farben, die alle sich in's Dunkele verloren und das weiße Damenanllitz allerdings sehr begünstigten. Die meisten Trachten dieser Art liefert das Haus Popelin-Ducare, Rue Vivicnne Nr. 41. Man trägt sie jetzt nicht zu lang und zu faltenreich, es scheint mir überhaupt, als wolle man bei . den hervorstechendsten wichtigern Gewandungen der Na tur mehr freien Spielraum lassen und die eigenen Formen, den Rcalschcin des inner» Seins, mehr bethätigen. Wir würden uns sehr freuen in dem lieben Paris, wenn das aufrecht lange Zeit wahr würde. Es ist übrigens gar merkwürdig, daß diese Modenartikcl immer des Sommers, also dann, wenn die Thea ter minder srequcntirt werden, sich der Statur mehr nähern und ihnen überhaupt in ihrer Intensität mehr Rücksicht ge- schenke wird. Vorige Woche war hier eine Vermählung aus den höheren Ständen. x Es gab da in Bezug auf Mode sehr viel zu be wundern. Ausgezeichnet war die Ausstattung der liebenswür digen Braut. Man fand da die feinste Wäsche, an der es be sonders zu rühmen war, daß sie diesmal nicht sehr mit Spitzen überladen worden; nur die Betttücher waren reich mit hollän dischen Points verziert. Unter den zahlreichen Roben, welche dem Kunstsinne und der Meisterhand der Palmyra ihren Ursprung verdankten, hebe ich zuerst eine Robe hervor, die eigentliche Lraurobe, welche aus einem ganz neuen, soeben aus Lyon cingetroffcnen Seidenstoffe, 8atin üivin, in silbergrauer Farbe bestand. Das Leibchen daran war im strengsten Sinne des Wortes glatt und faltenlos und hatte an seinem Auslauf einen merkwürdig künstlich gearbeiteten Bug. Die Acrmel waren oben mit ganz feinen schrägen Bouillons versehen, die wiederum mit den fein sten Brüsseler Points geschmückt und garnirt waren; dann wären diese Aermel ganz cngp und unten liefen sie in kleine Umschläge aus, die mit Henkellos cle Orepnsnnlv besetzt wa ren. Der Rocktheil dieser Robe war nur mäßig weit und seine Faltenlagc concentrirte sich an den Seitentheilcn. Es waren zwei, vorn aufsteigende Volants aus schweren Points, die noch dazu ziemlich breit waren, angebracht und die ganze Robe mit Salinade Loublirt. - Eine andere Robe, zum Stadtneglige bestimmt, wies mit nicht minderer Anerkennung seine Vcrfcrtigerin nach. Der Stoff dazu war Perkal, welcher nun namentlich sich so wil lig den Formen schmiegt und eben in diesem Betrachte war das Leibchen der zu beschreibenden Robe amazonentrachtartig geschnitten. Es war gerade wie gegossen, eine wahre Meiler hastigkeit ! Die ganze Welt war erstaunt darüber. Der Hals- theil desselben war tief eingeschintten, die nach den Schultern zu gehenden Parthieen waren mit leichten Curven versehen und verschmolzen sich endlich, oben angekommen, mit zackigen Spitzcnbauschcn. Der Schneppenthcil lief weit nach unten herab und endigte sich nur mäßig spitz. Die Acrmel waren knapp und hörten unten in mit Knöpfen besetzten und gespal tenen Aufschlägen auf. Der Rocktheil bot nur einen Volant aus Damascencrspitzen dar. — — Der Raum erlaubt mir nicht, nun auch noch die übrigen prachtvollen, geschmackreichcn Roben aus Sammet, Lustrinc, Jouy's u. s. w. einzeln zu schildern, obwohl sic es sehr würdig wären. — Eine neue Art, dieStrohhüte zu verzieren, die sehr beliebt geworden, besteht darin, daß man die Passe mit einem breiten Sammctbandc umlegt und die ganze Form mit einer turbanarligcn Torsadc garnirt, oder mit schottischen Bändern und einer kleinen Blumengruppe. — Sehr viel getragen und deshalb en vogne sind die Spiz- zencapoten, womit das Magazin von Leclere, Rivoli- straße Nr. 10, einen sehr großen Erfolg eingeerntet hat. Die Faoon und Eomposition sind eben so wie bei den früher» Da- mcnhüten; cs ist nur die kleine Form hier noch besonders in's Auge zu fassen und der Bug des »ordern Theiles. Die Wan- genparthieen daran sind zumeist nicht sehr breit. — Obgleich, was die Coiffüren betrifft, nichts absonderlich Iteues auf unserm Modenschauplatze erschienen ist, so muß ich dennoch schließlich bemerken, wie merkwürdig lange sich die Seidcnlocken bei den Damen in Beliebtheit erhallen. Es ist wahr, vielfach wird das Haar glatt hinaufgcstrichen getragen, vielfach wird es schief gescheitelt* oder an den Seiten rosetren- artig verwunden, aber die Haupttracht desselben, namentlich für die reizende Jugend, bleibt immer das Lockengewinde desselben. Das wahrhaft Schöne behauptet für immer seinen Werth, sagte ein großer Autor, und ich muß ihm heute vollkommen bcipflich- ten. Die Stirnbänder aus edlem Metalle werden nur an den Lagen der Reunionen getragen, sonst sicht man mehr einfache Sammetbändcr von verschiedenen Farben ihre Stelle vertreten. — Genehmigen Sie die Versicherung u. s. w. Ihre Melanie.