Volltext Seite (XML)
.1? 27. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von §. P. Melzer in Leipzig. 1840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 25. Juni 1840. Immer leichter und leichter werden die Stoffe, aus denen man die Sommertcachten componirt, denn noch ist der Som mer im Steigen. Ich muß gestehen, dießmal hat sich un'ere Weltstadt Paris sehr erfindungsreich und geschmackvoll in dieser Hinsicht gezeigt. Es ist hier zum feinsten l>on ton geworden, daß man Roben trägt, die etwa aus entsprechenden comxaktern Zeugen gefertigt sind, aber auf denen eine leichte Uebcrrobe ruht aus den feinsten, leisesten Geweben, so daß es dem prü fenden Beschauer oftmals vorkommt, als sähe er um eine frische geschmückte Dame Dämmerwolken in graziöser Vcrfaltung schweben. Merkwürdig genug mußte hiezu nun noch der Ein fall der tonangebenden Modisten kommen, knappe Acrmel mit einer Naht cinzuführen, ein Schritt, wofür sich wahrlich die hier so vielfach verkannte und gcmißbrauchte Natur zu bedan ken hat. Jetzt müssen die Damen, ob freiwillig oder nicht, den zarten Rundbau ihrer Arme selbst vertreten. Die Jugend ist da wieder im Vortheil. — In der so glänzenden Soirüe, welche der Graf von M — z am vergangnen Diensttage auf seinem Landgute gab, hatte ich recht passende Gelegenheit, die Nuancirungen jener erwähnten leichten Stoffe zu Ucberroben zu betrachten. Ich sah da die Marquise de Liboinc angethan mit einer Robe aus Lüstrine Laval.tte, einem Zeuge, welches rosa Grund hatte, auf dem braune Streifen senkrecht hinabliefen, — über derselben war eine halblange Ucberrobe angebracht aus einem gazeartigen, höchst zartem Stoffe, den man Crepe d'Air nennt, und milchweißer Färbung. Sie könn'cn sich nicht verstellen, welchen milden, anzi.henden Eindruck dieß auf das Auge macht. Frei lich gehört dazu eine graziöse jugendliche Gestalt. — Eine andere Dame, die Baronesse de Molebau, trug eine Ucberrobe von dem ncucrfundencn Linon penetrant, der einen centifolienfarbcnen Anflug hatte. Unter diesem Ge wände befand sich die eigentliche Robe aus Gaze electorale, graublau mit weißen Punkten. — DieseUcberroben, gewiß eine sehr empsehlenswerthc, elegante und nicht zu kostspielige Tracht, werden größtentheils tunika förmig angefertigt und reichen ungefähr bis an's Knie. Um die Taille windet sich gewöhnlich eine lang herabfallende schot tische Schärpe, oder eine Art Gürtelband in passender Farbe. — Merkwürdig bleibt es, wie in unserer so sehr verände- rungs- und vcrsuchslustigenModenstadt sich die Oudinot'schen Haarzeugunterröcke so stabil erhalten. Unsere Löwinnen scheinen sehr umfassend begriffen zu haben, daß man diesen Röcken gar vieles in der Gestaltungstheorie zu verdanken habe und sie bilden demnach die treuen Begleiterinnen jeder Dame von Geschmack.— — Die Sammclspencer in violetter und himmeblauer Farbe sind auch noch sehr en vogue; sie werden ebenfalls einnäthig und mit knappen Aermeln gefertigt. Unten sind diese Aermel mit drei cifllirtcn Silberknöpfen geschmückt. Der Halslheil ist tief-oval ausgeschnitten. Auf dem Rücken sind die Zu- schnürparthieen mit Posamentierarbeiten in Seide von passender Farbe verziert. — — In den Magazinen von Lcclöre, Rue de Rivoli Nr 10 bis, -bin ich ich in dieser Woche wirklich vor Bewun derung fast verstummt über die schönen Hütchen, welche man dort ausgestellt findet. — Wollte ich hier in's Einzelne gehen, so müßte ich unmaßgeblich den Raum dieses Berichtes über schreiten. Möge es genügen, wenn ich sage, daß man in diesem Modensalon Reisstrohhüle vorsindet, die mit blauen Crüpc- fchärpen geschmückt sind, und Capoten, auf's feinste bouillonirt und mit einer Guirlande von bloßen Marabouts versehen, oder Hütchen von rosa, blauem, weißem und auch blaugrüncm Tüll, geschmückt mit den kleinsten aber geschmackvollsten Blumen gruppen. Auch bemerkte ich daselbst sogenannte Negligöhüte von feinem Strohgcflcchte, mit Scidenpoullcn doublirt, mit Spitzen zur Seite des Buges garnirt und mit schwarzem Sam met rings um die Faeon. — Noch einer Neuigkeit muß ich gedenken. In dieser Woche lieferte dos Haus Popelin Ducarre, Rue Viviens Nr. 41, die Stoffe zu der Robe und dem Mantel, welche der König und die Königin von Dänemark bei der bevorstehenden Krönung tragen werden. Es ist eine Art weißer Satin mir Gold in überreicher und höchst geschmackvoller Weise brodirt und einer so imposanten Feierlichkeit ganz würdig. Wir wer den noch näher darauf zurückkommen. — In diesem Augenblicke vernehme ich noch, daß Augustine, jener berühmte Künstlername, sehr elegante kurze Acrmel er funden hat, die nur halbknapp sind und bis zum Ellnbogen reichen. Sie werden an Mousselineroben getragen. Der bal dige Abgang der Post verbietet mir heute mehr davon zu spre chen. Genehmigen Sie u. s. w. Ähre Melanie. Feuilleton. Die unsterbliche Visitenkarte. „Wie es mir auch ergehen mag, ich habe meine Visitenkarte bei der Nachwelt zurückgelasscn," sagte der große Champollion sterbend und zeigte auf seine ägyptische Grammatik.