Volltext Seite (XML)
All* ll 1 6 u. ^21. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1840. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 14 Mai 1840. Oftmals habe ich Ihnen gesagt, meine Damen, daß nur der Tag von Longchamps Gesetze der Mode giebt. Im ei gentlichen Sinne sind cs nur Vorläufer, leichte Bestrebungen, den Schleier des Sommermodenhimmels zu lüsten. Dermalen gewahrt man den eigentlichen Putz en vogue auf den Pro menaden; und da komme ich unwillkürlich auf die Roben zu sprechen. Sie wünschen gewiß zu erfahren, welche Formen die Roben erhalten werden, ob mit weiten oder engen Aermeln? Es ist dirß eine große, eine Lebensfrage! Camille in der Rue Choiseul Nr. 15, dieser Künstler pnr «xoollence, kehrt zu Len engen Aermeln zurück und wählt die dichlern Stoffe. Jene Acrmel werden schräg geschnitten sein und nur eine Naht haben, um die Schultcrnblöße möglichst und kunstvoll halb zu verbergen. Auch die Leibchen erhalten eine knappanliegcnde Tendenz mit drei Nähten; eine Reihe Knöpfchen in der Form eines V werden zweien dieser Nähte als Besatzung folgen. Der Schooßtheil wird redingoteartig geöffnet und in der Mitte mit Knöpfen besetzt sein, oder es werden Posamentirarbeiten in griechischen Formen, in Arabesken verwendet werden, auch Knötchen, Eicheln und Phantasieblumen u. s. w. Stoffe: Taffet, Cröpc Rachel, Palästinastoffe, Nankin, Caschemire. Garnituren werden, nach dieses Modisten Ansicht, nur in schrä ger Richtung geschmackvoll sein. Patmirc, diese Königin des Modcnrciches, läßt hingegen ohne Widerspruch die engen Aermel mit zwei Nähten zu. Sie fügt noch Falbeln bei, aber von einer unverhältnißmäßigen Höhe und die bei Vielen noch bis zum Knie auf spanische Weise herabgehen. Ihre Leibchen nach dieser Mode sind mit Spitzen besetzten Basquincn verziert, zuweilen schräg geschnitten und weiß auf dunkelm Grunde. * Die koquetlesten Hüte, die man jetzt bemerkt, sind die von der Madame Baren ne, glacs <I<- mnlleleine Nr. 2. Sic zieren auf eine sehr sinnige Weise das edle Damenhaupt. Der Stoff ist grauer oder louisenblauer Crüpe. Es sind Blumen- Dgruppen darauf angebracht, namentlich spielen die weißen Kirsch- und die Apfelblüthen, doppelt gewunden, eine Hauptrolle. Bouillons von Rosagazc, die sich in Spitzenwellen verlieren. In einem letzthin abgehaltenen Gartenthee war die reizende Gräfin Sidonia de PH.... auffallend schön geschmückt. Der Hut dieser Dame war von Reisstroh und von bewun- dernswerthem Schnitte. Auf diesem von der Madame Lejay, Rue Richelieu Nr. 77, angefertigten Hute wogte graziös der Menunphar mit grünen Büscheln, unter welchem eine kleine Schärpe, milchweiß, angebracht war und auf die Wangentheile herabsiel. Die Robe dieser Gräfin bestand aus grüner Zephyr- gazc der crccll,»testen Art, war mit einer Taffctschärpe, lang herabfallend, und wcran lange Franzen befindlich, verziert und auch mit enganliegenden Aermeln versehen. — In den jüngsten Tagen lieferte Tulasne in der Rue St. Honcrü Nr. 348 Fichus mit kleinen Jabots, mit rechtseitig ge tragenen Halsthcilen und Amazonensvelten. Dieser Kunsthänd ler ist auch noch außerdem durch seinen reichhaltigen Betrieb mit den feinsten und elegantesten Wäscheartikeln'in der Haupt stadt berühmt. — — In dieser so entscheidenden Periode für die Moden, wo alle nur möglichen Phantasien an die Oberfläche der Stoffe und Gewebe treten, können, wie Sie gewiß schon erralhen haben, auch die Herren unmöglich leer ausgehen. Daher- hier noch Einiges über Herrenmoden: Am überraschendsten"ist wohl, daß man dicßmal nur sehr wenig Redingotcs antrifft. Die Phantasicanzüge sind sehr be liebt geworben und variiren in's Unendlich^ Die mclirten Tuche spielen die Hauptrolle. Die Knöpfe werden übergoldet und eisclirt getragen. Breite Basquen mit Scidenbcsatz. Zum Morgenanzuge und für den Landaufenthalt haben wir eisengraue Habits gesehen mit Papiermache-Knöpfen in mannigfachen Nuancen. — Die Abendanzüge halten noch bis jetzt die Ver gangenheit in Ehren. Nur die Basquen werden außerordentlich breit getragen. — Tricotpantalons in recht zarten Farben wurden wir ansichtig. Namentlich gefielen uns solche aus englischem Zwillich und die Jsabellenfarbencn, enganliegenden und bis auf den vordem Theil des Stiefels herabfallenden. — Piquöwesten sind schon sehr en vogue. Schwefelgelbe und stahlgrüne mit entsprechenden Punktationen sind am beliebte sten. Es werden Crinolinknöpfc daran getragen. — Die Chapeaurbas sind durch die brillanten Hüte von Desprey, Boulevard des Italiens Nr. 28, verdrängt worden. Ihre Form ist sehr vage und läßt sich demnach schwerlich be schreiben. Sie sind etwas groß und ausgeschweift. Leben Sie wohl u. s. w. Ihre Melanie. Feuilleton. Merkwürdige Sympathie. Man gab einst auf einem Theater Englands ein Trauerspiel. Im dritten Akte kam eine Scene vor, wo die Primadonna einen Schädel zu berühren hatte, j Die Schauspielerin fühlte sich aber von dieser Berüh rung dermaßen ergriffen, daß sie ohnmächtig wurde und nach Hause gebracht werden mußte. Am andern Morgen befand