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12 l gcnen etwas der Art folgen mußte, einige Beruhigung. Der fünfte Akt hat viele Opposition gefunden, aber doch wohl sehr unpassend. Ein Werk voll Graus, wie soll es anders schlie ßen? Auf der Höhe der Leidenschaft, des Schreckens, dasselbe zu enden, hieße den Zuschauer wahrhaft peinigen; es blieb also nichts anderes übrig, als zum Schluß des Werkes auch das Ende der am höchsten gesteigerten Fürchterlichkeiten vorzuführen, und dieses Ende ist das Aufhören der Pest. Ist hier nicht Stoff genug für Danklicdcr, die dem Componisten wohl Gelegenheit geben, sein Talent zu zeigen? Das Wieder finden der lange Getrennten, sind die daraus entspringenden Gefühle nicht ein Gegenstand für die Tonkunst? Wir können demnach diesen von Hr. Scribe gewählten Schluß in keiner Beziehung matt nennen, sondern im Gegentheil wissen wir ihm Dank, daß das Ende versöhnender Natur ist. Was nun die Musik anlangt, so beginnt die Oper, ohne Ouvertüre, gleich mit der Introduktion. Ein Zug, von Pfei fern angeführt, wallfahrtet nach dem heiligen Bilde, um dort leine Andacht zu verrichten. Der Tert dieses Chores, der im Verfolge eine heitere Freude ausdrückt, ist vom Componisten ernst und schwer wicdergegebcn. Die Arie des Fortebraceio in L-llloll verlangt eine sehr geläufige Zunge, und eine große Geschicklichkeit, das Wort mit dem Tone zu verbinden. Manche sonderbare Wendungen müssen den Mangel von eigentlich Neuem verdecken, will man diese Wendungen, die lediglich ab strakter Natur sind, nicht schon für Originalitäten ausgeben. Die etwas lange Scene, welche mit Recitativ und Chor un termischt ist, endigt mit dem Auftreten der Ricciarda und des Herzogs von Ferrara. Ricciarda hat eine Arie ziemlich ge wöhnlicher Construction vorzutragen. Nachdem tritt Guido auf und es folgt ein Trio und Romanze, welche letztere vom Guido gesungen, sich dem Besten der Oper anschließt. Die Handlung gewinnt durch das Auftreten der Hauptfiguren; Ginevra wohnt verkleidet dem Feste bei, einiges Interesse; in der Musik wird nur thcilwcise dasselbe durch das sehr lang ausgcsponnenc Duett erlangt. Das hier mit dem Chor (L->loII) der Freibeuter beginnende Finale ist nicht ohne Charakter; der in dcmscldcn angebrachte fallende Baß macht gute Wirkung, überhaupt kommt cs heut zu Tage auf cin Paar Quinten nicht mehr an. Die im Verfolge des großen Finale vorkom menden Chöre, Zwischensätze, Rccilalive u. si w. zeugen alle von guter Gcwandhcit des Componisten, der die Form zu be herrschen weiß; von Erfindung ist uns wenig ausgefallen, die Motive halten sich alle im Gleise gewöhnlicher Opernmusik, d. h. wie sic jetzt in Paris gebräuchlich ist. Den zweiten Aufzug beginnt eine verbrauchte Figur mit Nachahmung in der Oktave; es ist dicß eben ein Anfang um anzusangcn. Der Componist scheint uns hierbei recht seine Klugheit zu be weisen, indem er wohl weiß, daß Alles beschäftigt ist, die neue Dekoration zu bewundern, so demnach Niemand auf die Mu sik achtet. Rach einem ziemlich langen Recitativ conccntrirt sich die Musik erst in der Arie (Ls-Dur) der Ginevra, von gewöhnlichem Interesse. Dieser folgt der Chor (O-Vur), der, namentlich was Instrumentation betrifft, an Meyerbeer erinnert. Das hier angcreihtc Quartett erregt auch nur ge ¬ ringe Theilnahme. Zu den bessern Nummern der Oper rech nen wir das jetzt folgende Duett zwischen Ricciarda und For- tebraccio, ist dasselbe auch nicht ohne Längen. Ein leichrer Anflug von Humor, den der Componist in diesem Stücke er ringt, hebt dasselbe unserer Ansicht nach auf günstige Weise, Ebenso enthält das kurze Recitativ, wo Fortebraccio erzählt, daß er cin schnclllödtendcs Gift kenne, einen glücklichen Zug, indem die Singstimme den einen Ton beharrlich fortsührt, wogegen die begleitenden Clarincttcn die Harmonie, mit Vor haltstönen verbrämt, weiter ausfüllen. Der Chor und Marsch, so wie die Balletmusik, füllen ihren Platz auf genügende Weise aus. Mit dem Beginn des zweiten Finale erhält die Musik, wenn auch kein kühner Anflug der Phantasie bemerklich wird, schon durch den Text und die Handlung cin spannendes In teresse. Der dritte Akt ist der Höhepunkt der Oper; er be ginnt mit der Tonart II erst minor«, dann ins major« über gehend. .Der Ucbergang nach dem Gebet L-irioll ist kurz und gut. Das Gebet selbst ist hübsch, nur erscheint uns bei den Worten: „aus meines Kindes frühes Grab," der Rhyth mus etwas sonderbar, was wir glauben dadurch gemildert zu sehen, wenn der Accord L j bei dem Worte „ertrag" ein wenig accentuirt einträte. Die Modulation nach der Tonart 8-Dur zurück ist wieder eben wie vorhin kurz und gut; verminderter Septimen - Accord, Quart - serl- Accord und Dominant-Accord; der erste Chor wiederholt sich darauf, mit einem Schlußsatz versehen. In der folgenden Scene fin den sich eigene Harmoniefolgcn, die nicht ohne Wirkung sind; aber die Glanzscenen sind die des Guido (>'c>. l6.) und der Ginevra (l>lo. 17). Hier findet sich eine lobens- werthe Auffassung; leidenschaftliche Empfindung und tiefer wahrer Schmerz drücken sich unverholcn aus 'nw- leiten, die aber nur in dem Willen des < Grund haben, wollen wir hier, wo so «r finden ist, nicht rechten. Das Finale, wo d -s Moments wieder minder hervortritt, geht auch die Musik in die Schranken zurück, welche dieselbe in den vorigen Akten ein nahm. Die Effecte, welche noch Vorkommen, gehören mehr der Handlung, als der Musik, wie z. B. das nochmalige Eintreten des den dritten Aufzug beginnenden Chors, die ver meintliche Erscheinung eines Geistes in der Figur der Ginevra, bei welcher Gelegenheit jener Chor nochmals benutzt wird; Alles dicß ist nicht ohne Wirkung. Der vierte Akt beginnt wieder in einer gewöhnlichen Art; etwas würde diese Scene durch cin recht lebhaftes Tempo gewinnen.' Im Ganzen ist uns in der sehr großen Nummer nichts alifstefallcn, was hin sichtlich der musikalischen Behandlung beachtenswert!; erschiene, als die Gcwandhcit, die der Componist auch hier wieder bei thatigt. Der Chor (k§c>. 20) L-älolt ist wieder nach Meyer- bccr's Vorbild gedacht; ebenso der Gesang des Fortebraccio (^s-vur); auch das Allegro mit Chor (L-iUoU) ist nicht ohne Lebendigkeit. Das Recitativ (blv. 21) der Gi- ncvra hat wirkungsreiche Momente. In der folgenden Scene des Guido klingt die Romanze desselben aus dem ersten Akte wieder an; im Duette zwischen Beiden ebenfalls. Es ist die ses Duett das gelungenste dieses Auszugs; der oben erwähnte