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^-18. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1839. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 13. November 1839. So nahet denn allgemach der Winter auch für Frankreich heran und keine berühmte Rede eines Journalhcldcn, aus so öeißcm, leidenschaftlichen Herzen sie auch kommen mag, kein -trahlcnblick eines Madonncnauges, keine Patcntofcnfabrik rmöchtc ihn wirklich zu verbannen, und weshalb auchf Ist doch Bedürfniß geworden der Mode und ihrer pflichtigen iaven und Söldner, leihet er doch triftige Ursachen her, e schwankenden Börsen unserer Clcgans und bchahnreiten een Hausherrn in Bewegung zu setzen und sie geleert machen. So breiten sich denn wohlthätig für das Auge d die umgebenden Räume unter unfern Füßen die herrlichen ) reichen Teppiche von Salandrouzc aus. So sehen wir n die brillanten und köstlichen indischen Damaststoffe, die hemire, den Sammt, wie sie sich alle unter den Künstler- den eines Rattier gestalten und das Getäfel unserer lons bedecken, ihre Fenster drappircn, ihre Thürcn und fluren, und der Kälte in elegantem Ernste jeden Eintritt ehren. welche schönen Möbles werden für unsre feinen Wintcr- nmlungcn verfertigt. Ich kann cs Ihnen kaum bcschrei- Da sehen Sie Stühle, die in ovaler Biegung nach in Schlangenköpfcn auslaufen und welche vergoldete el im Munde tragen, die sich bei der Abcndbcleuchtung .sich ausnehmcn. Das Holz zu diesen Stühlen ist aus ika zu uns gekommen und namentlich in Algier zu Hause, n nennt cs livis äs Vulers und es zeichnet sich durch seine öde Härte besonders aus. Diese Stühle werden gewöhnlich t einem Flechtwcrk aus Pfcrdehaar versehen und die Füße rselbcn schweifen etwas aus, sind jedoch im Ganzen in rund- hcr Ferm angebracht. Auch Tische, von eben jenem Holze runder, halbrunder und Luadratform werden in hiesigen Verlagen zum Verkauf ausgcboten, deren Obcrplatte mit .-eckig durchschnittncn Furchen versehen sind, in denen Bronce- e sehr sauber und genau eingelegt worden, die an ihren ndcrn einen leisen schwarzen Strich haben und sich zu der uncn Politur des Ganzen herrlich und harmonisch aus sen. Tritt man nun in einen mit solchen Möbeln verzierten, llstrahlenden Salon und sieht man da nun eine ausnehmend ,e Elite pariser Modenträgcr und eleganter Damen, so äen Einem namentlich diesmal die herrlichen Blumen auf, ie überall in den Fensternischen und auf den Kaminvorsprün- zcn angebracht sind. Clethra, Cactus, Magnolia, Tamarin, Myrthen, Camelien. Nun kommt die Musik mit ihren be zaubernden, Beine erzitternden Tönen, das Spiel mit seinen icbcrvcrursachendcn Ereignissen und die Liebe, welche Alles inrcißt. Alles verschönert und erhaben macht. Im Winter sind die Erndten des Gemüthes unstreitig reicher. Manche Ballrobe hat den lieben Männern schon den Verstand geraubt und das Gewissen der leidigen Mode wohl manchmal zum schweren Sünder gestempelt. So bemerkte ich eine zarte blaue Tüllrobe, welche über einem Untcrkleide gezogen war, das eben jene Farbe hatte und aus Gros de Naples bestand. Das Leibchen dieser Robe, oder vielmehr die Leibchen, denn ich zählte drei, lagen schief über einander und machten einen sehr interessanten Effect. Denn diese dreifache Uebercinanbcrlage der Leibchen ist eine ganz neue Erfindung unserer weltverdrehcnden Artisten. Sodann gewahrte ich eine drcirängige Garnitur am untern Theile von Tüll oder Gaze. Sie tragen sich ganz leicht. Ueber diesem Tüllbesatz läuft ein gefaltetes Satinband. Ge wöhnlich trägt man um den Schwanenhals Perlen mit An goraquasten. Die Aermel der Roben sind meistentheils kurz, flach, und mit kleinen, abgesonderten, Fadenbesätzcn versehen. Ein seidener Spitzenvolant geht gewöhnlich von der Schulter aus und läuft bis zum Arm durch alle diese Faltenbesätze, was sich sehr schön ausnimmt. Die Herrenmoden sind bis dato noch auf dem alten Fuße, man müßte denn ganz kleine Umänderungen in Betracht ziehen. Kleidröcke in dem beliebten englisch-französischen Schnitte werden sehr viel getragen in Russischgrün oder Eng lischblau. Man trägt dazu bcvicrcckle Sammtgilcts in Hellen und dunkeln Farben, doch ist Grün vorherrschend. Beinkleider werden meist in Hellgrau oder Dukatengold farben getragen, doch verdrängen sic keineswegcs die schwar zen Pantalons. Nächstens mehr von Ihrer u. s. w. Melanie. K>lerne Weltschau. Geht's so fort, so fahren unsre Nachkommen auf Eisen bahnen den kürzesten Weg zu unscrn Landsleuten in Amerika durch den erleuchteten Mittelpunkt der Erde hindurch. Die Tunnels oder unterirdischen Wege werden immer mehr Mode. Ein italienischer Ingenieur Votta hat jetzt sogar den Plan, eine Eisenbahn von dem Züricher See an durch die mächtigen Gebirge hindurch nach Mailand zu bauen, so daß man dies seits im Schnee einsteige, und nach einigen Stunden drüben unter dem milden italienischen Himmel wieder ausstcige. — Auch die Frisirkunst steigt immer höher. An dem Hause eines berliner Friseurs ist die Anzeige zu lesen: „hier werden alle Tage die Haare drei Treppen hoch frisirt."