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dem goldncn Thor, und soll denn ein so deutlich bezeichnetes Verbrechen unbestraft bleiben? In Rußland gibt cs noch Gegenden, wo die Sitten und Gebräuche an die Vorzeit erinnern. So z. B. gehen im Kreise von Bogorodigk die Mädchen bis zu ihrem scchszchntcn Jahre mit einem Hemde bekleidet, das mit einem rothcn, wollenen Gürtel festgchalten wird; erst nach dieser Zeit erhalten sie die Panirma, nämlich einen vollständigen Anzug, der sie als mann bar erklärt. Die Ccrcmomc, mittelst welcher dieser Actus ge schieht, ist recht komisch; sie wird gewöhnlich an dem Namens tage des Mädchens vorgcnommen und im Beisein der ganzen Familie. Das Mädchen stellt sich zuerst auf eine Bank und läuft dann von einer Ecke des Zimmers zu der andern. Ihre Mutter folgt ihr mit einem offenen Nocke in den Händen und ruft: „Spring hinein, mein Kind!" Die Tochter gibt anfangs kein Gehör den Worten der Mutter, endlich aber thut sic den verhängnisvollen Sprung und wird mit Jubel begrüßt. — Ein Fchlsprung zieht einen jährlichen Aufschub nach sich, und die Mädchen paffen daher wohl auf, daß ihnen nicht so etwas passtet; eine Jede sehnt sich insgeheim darnach, das Recht zu haben, einen Liebhaber zu erhalten — und dann den Marn. Prälaten-Jdcal. Der! gelehrte Abt von Formbach, An gelus Rumpler, gibt folgendes Bild seines Vorgängers, des durch dreißig Jahr regierenden Prälaten Lob Hard Strasser (1474 —1L04): Ein Bär an Leib und Seele, auf den ersten Blick zum Entsetzen, eine glatte Mauer von einem Schädel, ein Thurm von einer Nase, hcrunterhängende Schweinsohren, ein hervorstechendes, in der Mitte völlig gespaltenes Kinn, Kinnbacken wie Lhürangeln, einen Wald von Augenbrauen, suchsrothen Barth, am ganzen Leibe gleich fett und schwapp- lich, dabei unruhig, sich allerwärts herumtreibend, ruhmredig, plauderhast, hart, unbillig, unversöhnlich, alles umstürzend und verachtend, was nicht von ihm ausging und zu alledem ein unbändiger Fresser und Säufer. In Batavia haben die chinesischen Bewohner den Gebrauch, auf den flachen Dächern ihrer Häuser Töpfe aufzustellcn, welche entweder mit dem Boden oder der Oeffnung der Straße zuge kehrt sind. Im ersten Falle zeigen sie an, daß noch junge Töchter im Hause sind, die noch nicht vergeben werden können, im zweiten, daß es mannbare gebe. Also eine öffentliche Auf forderung an heirathslustige Freier, sich um solche zu bewerben, ohne Jntelligenbzlatt, wie in Europa. Das Leipziger Tageblatt ließ neulich Jemanden an der Wasserkunst, statt an der Wassersucht, sterben. Fast sollte man in unseren Tagen dies für keinen Druckfehler ' fahren, was auf wichtige Begebenheiten schlie ßen läßt." In der Biographie Chamisso's, die Hitzig bald veröf fentlicht, wird von einem der Brüder dieses deutschen Dichters erzählt: Als er bei seiner-gezwungenen Emigration von den Bürgern einer kleinen französischen Stadt als Adeliger insul- tirt worden sei, wäre er aus dem Wagen gesprungen, und habe diese auf das Herzlichste also haranguirt: „Mais, Mes sieurs, tont le monlle ne pent pas avoir I'Iionneur ll'etrs ne bourgeois!" Das Argument wirkte; man lachte und ließ ihn ziehen. Ein Unternehmer einer Thcaterclaque in Paris bestellte unlängst Lachen in den Varietes und Weinen in der Renais sance; unglücklicher Weise verwechselte er aber die Billets, so daß die Claque in der Renaissance lachte, und in den Varietes weinte. In dem jetzigen Feldlager bei Fontainebleau befinden , sich Eaffeehäuser, Conditoreicn, Bibliotheken und alle gesellige Icr- streunisse; auch ein Schauspielhaus ist jeden Abend dem zahl reichen Publikum geöffnet, worin Künstler des Variötös- Lheaters aus Paris spielen. Die Wallfahrten nehmen, zur großen Freude der Wirthe und der liederlichen Dirnen, allenthalben in Baiern und am Rhein wieder zu, und es soll gar fromm und lustig dabei her gehen. Als das französische Schiff „Favorite" — so erzählt uns der Humorist — auf seiner letzten naturwissenschaftlichen Ex pedition auch Jsle de France berührte, konnten die Reisenden nicht umhin, die Orte auszusuchen, welche durch Bernardin de St. Pierre's reizende Erzählung so berühmt geworAr.-e. Begleitet von einem jungen Kreolen, machten sich ihrer vier in einer eleganten Kutsche nach dem Pampclmus-Wäldchen auf den Weg, das in jenem Roman eine Hauptrolle spielt. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, die Luft mild und rein und die Landschaft entfaltete alle Ucppigkeit einer südlichen Vegetation. Von Zeit zu Zeit wurde die Gesellschaft durch den Ruf der Palankin-Träger und durch den frohen Gesang der Negerinnen, welche Feld- und Gartenfrüchte nach der Stadt trugen, aus ihren Träumereien geweckt. Gegen sechs Uhr ging die Sonne aus und nun erkannte man deutlich das Thal, der „Priester-Grund" genannt, wohin der Verfasser vo" und Virginie" das Haus der Frau von Latov" ser Ort ist mindestens drei Stunden Kirche entfernt und Bernardi",