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Der Salon. 39. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1839. Neuestes Bulletin der Mode«. Paris, den I I. September ISNS. Auch hier beklagt man sich jetzt, daß die niedlichsten Mo den gleich so allgemein werden. Kaum glaubt man, dieser Schnitt, dieser Stoff oder diese Farbe besitze man allein, so sicht man das theure, für nur einmal vorhanden seiend gehal tene Kleinod den andern Tag schon allenthalben. Und das ist doch gor gefährlich für schöne Damen, das heißt mit an dern Worten: für alle Damen! Aber der nie ruhende Gi gantengeist der Mode hat auch hier ein sehr gutes Aushülfs- mittel herbeizuschaffcn gewußt, ja noch mehr, er hat in seinem erwählten Gegenstände fast alle Schöpfungen dir neuesten Romantiker beschämt oder sie übertroffen: denn er predigt tat sächlich die Einfachheit! Alle ausgezeichneten Toiletten unserer reizenden und hochgestellten Pariserinnen, enthalten eine elegante und zarte Einfachheit. So z. B. sahen wir einen Anzug, der aus einer Organdi-Tunika, auf einem ähn lichen Unterkleide ruhend, mit rosa-, blau - oder strohgclbsci- denen besetzten ausgeschweiften Bolans bestand. Das sah wirk lich ungemein frisch und anziehend aus. Diese Tunika-Roben können sich auch niemals so sehr verbreiten, sie bleiben immer aur ein Attribut der bessern Damcnklassen. Die Rcisstrohhütc ind auch immer noch sehr beliebt, und Alexandrine, die Sap- aho des Putzes, weiß sic in tauscnd reizenden Formen der Frauenwelt vorzulegcn. Desgleichen werden die kleinen Crcpp- fapotcn viel getragen. Aber ich sage Ihnen auch, meine deutschen Schwestern, ich sah letzthin mit einer solchen Capotc ein schlankes Fräulein mit rothem Munde und schwarzen Au- zcn und glanzvollen Rabenhaaren, die mir wahrlich wie ein Engel der Liebenswürdigkeit vorkam. — Das Haus Gagelin hat auch schon Wintershawls bezogen, auch Mäntelchen und Halbmänlcl ganz neuer Fa<;on. Vie Farben sind dunkelbraun mit Hellen Blitzstrahlcn-Streifen mrchzogen und mit Sammctbüscheln oder Wollenspitzcn besetzt, vann zeigt man auch Foulard's und Wollcnmouffeline zu ncdlichcn Roben anwendbar, bei kleinen Thee-Abendcrgötzlich- eiten. Die von mir schon erwähnten Unterröcke aus Pfer- »ehaarstoff von Oudinot-Lütel werden ungemein ge- obt, will man sich ihrer bedienen — und warum das nicht? — o muß man sie sehr genau der persönlichen Natur anmes- en, versieht man es darin, so erzeugen sic wirklich eine konische Mißgestaltung-, auch dürfen sie nicht zu kurz sein. Sehr out ist cs, darüber noch ein Unterkleid von Gros de Nantes oder de percal anzulegen, dasselbe schimmert erstlich durch das Obcrkleid, und zweitens macht cs die Falten und den Sitz des Anzugs viel regelmäßiger und natürlicher. — Für Herren sind besonders Sammctwcstcn mit Sciten- theilen, so wie Jagdröckchen, sehr in Mode. Für den nahen den Winter will Robin hiesclbst Patelots in Ausnahme brin gen, die mit Pelzwerk besetzt sind und sich sehr fein machen. Die Crinoline-Knöpfe von Oudinot werden jetzt von den ersten Schneidern der Weltstadt adoptirt, sie sind wirklich sehr elegant and schön gearbeitet. Auch Cravaten liefert Oudinot, die ausgezeichnet sind, sie sind auf Hellem Grunde mit Vergiß- meinnicht-Blumen bestreut, und contrastiren reizend mit den modernen Bärten, die hier en vogue sind. Die Hüte werden jetzt cylinderförmig getragen, besonders sind die grauen sehr beliebt. Sicherm Vernehmen nach werden künftigen Winter die Llmpsauxras sehr in Mode kommen. — Nächstens wird weit interessantere Nachrichten miltheilcn Ihre w. Melanie. Kleine Weltschan. Athen. Hier hat man feierlich den Grundstein zur Univer sität gelegt; König und Königin waren gegenwärtig, der Platz von der ganzen Garnison und der Volksmenge umschlossen; Kanonendonner, Gesang, Rede des Professor Soutzo, worauf der König unter feierlichem Gesang den Grundstein mit eigener Hand legte. Möge auf diesem Grün!,,.-ine wieser ein griech, schcs Volk cmporblühen. An Hoffnungen fehlt cs nicht. Ein Heller Stern, den man am Tage sah, belebte sie und rief die prophetische, wahrscheinlich Sage bleibende Sage des griechi schen Volks wieder hervor, daß cs 1840, von einem Lä^-t^or- (Ausländer) geführt, in Constantinopel einrückcn und sich das Blättchen wenden werde. — Die achthundcrttausend Griechen entwickeln bereits eine tüchtige Lebenskraft in Wissenschaft und Literatur. Biele Zeitschriften, besonders „Athene", von An- toniades redigirt, englisircnd, opponirend, constitutione!; der von Philaimon redigirtc „Aeon", Kapodistrionisch-Russischj der „Courier" („Tachvdromos") erscheint griechisch und fran zösisch, wird von Wallys verwaltet und ist das Organ der Re gierung, in Lpecie des Ministers des Innern Glarakis; ferner der „Sokrates", von dem liberalen Sophianopolos redigirt, und endlich „Sotir", Chamäleon". Außerdem gibt cs manche wissenschaftliche Zeitschriften, Uebcrsctzungen wissenschaftlicher Werke aus dem Französischen und Deutschen. Dies Alles ist geeignet, geistig zu wecken, zu beleben, zu bewegen, wird aber doch erst fruchtbringend und heilsam sein, wenn cs einheimische Keime, die Nationalität aus dem eigenen Innern hervorgehendc