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Der Salon. M37. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Eilpost. Druck von C. P» Melzer in Leipzig. 1839. Neuestes Bulletin der Moden. Pari« , den 4. September 183S. Der strenge Machtspruch der Mode befiehlt in diesem Mo mente seinen Dienern, Paris zu verlassen; und blindlings ge horchen sie oder scheinen wenigstens zu gehorchen. „Alles verläßt die alllenkcnde Hauptstadt des schönen Frankreichs!" so tönt es in den wogenden Straßen, und die Wagen werden bespannt und die Rosse schnauben und die Postillone lassen ihr Horn weithin erschallen; sie reist ab, die schöne Welt, nach Italien oder nach den Bädern der Pyrenäen, oder nach denen von Dieppe oder Vichy oder Mont d'Or, oder Baden oder wohl gar nach St. Petersburg. Doch oftmals geschieht es auch, daß der Reisewagen nur den Staub bis Versailles emvorwirbelt und daß, wenn die Nacht erschienen und ein langer Rabenschatten über die Trot toirs dahingleitet, man die Dunkelheit absichtlich sucht, man das Tageslicht vermeidet und in ein Hütet daselbst eintritt, um hier die Reise nach Italien oder Vichy zu verleben. Dann bleiben die Pcrsiennen geschloffen, die Rollcaux heruntergelasscn und alle Besucher abgewiesen. Hier bereitet man sich vor, vom Oriente oder Neapel, von den Fährlichkeiten der Gebirge, von dem Besuche der Schweizerischen Käsehüttcn, von den wei ten, sehr weiten und gefahrvollen Exkursionen mit Begeiste rung und mit dem hinreißenden Feuer siegender Wahrheit zu erzählen, wenn der Herbst gemahnt und man die schöne Sommerzeit in einem dunklen Salon einsam verbracht hat, um jener Mode zu huldigen. Beinahe todt vor Ennui, wagt man endlich, hervorzuschlüpfen in vollkommenster Reisctoilctte, und jedem der überrascht Entgegcntretenden zu antworten: „Ich kam gestern aus den Bädern und werde morgen nach Turin reisen." Eine um so größere Ueberraschung war eS daher für uns, bei der letzten Vorstellung von Lu cie de Lammermour im Renaiffancctheater so viele schöne, junge und elegante Da men mit so reichen, glänzenden, von gutem Geschmacke zeugen den Toiletten anzutreffen, wir glaubten wahrlich anfangs, daß wir auf einer italienischen Soirs wären. Der ganze Saal schien ein Blumenbouquet zu sein. Daran ist blos die geniale Madame Lainnö schuld, die die niedlichsten Guirlanden, die reizendsten Blumcnsträußchen zusammensetzt. Mehre Frauen hatten auch auf den Schultern und in den Haaren natürliche Blumen. So zeigte uns auch Herr Maurice Beauvais ganz auffallend, daß die Mode immer noch in Paris ihren Sitz habe und nur ihre Altäre momentan zerstreut seien, indem er vor einigen Tagen den köstlichsten Putz nach Baden, Wiesbaden, Aix und Mont d'Or sandte. Wir erwähnen davon unter andern eine Arme nien ne, eine leichte Coiffüre mit Spitzen und Purpurblu men besetzt; eine The bat ne mit Silberblonden und langen, feinen Büschelspitzcn besetzt; einen Turban von weißer Gaze, die von Schnuren aus eben diesem Stoffe durchstreift wurden. So haben wir auch reizende italienische Strohhüte, verziert mit weißem oder gelbem geglätteten Crepp und ganz niedrig angebrachten weißen Federn gesehen. Roben. Madame Doucet lieferte eine von der Pal- myre angefertigte Robe aus sehr feiner Guipure, mit erhabe ner Zeichnung, und der Volant war ihr in schönster Harmonie angemessen. Das Ganze wallte auf einem Lilaunterkleid. Ueber dem Volant war eine Torsade von Lilaband, die sich am Buge des Volant in zwei Knoten desselben Bandes en- digk und eine, der Untcrrobe bemerken lassende Draperie bil dete. Eine andere, vielleicht noch prachtvollere Robe war ganz gestickt, mit gestickten Volans in den ausgcwähltesten Zeichnun gen und Vernetzungen. Unterkleid rosa; Rosabandbesatz, um welchen Spitzen gewunden waren. Noch muß ich Ihnen schließlich die wichtigste Neuigkeit mittheilen, sie besteht in den Unterröcken aus Roßhaa ren, erfunden von Oudinot, und drohet allen orthopädi schen Anstalten den Untergang, da ihre Elastizität jeden Man gel und jede Lücke des Körpers verbirgt, und ein wahrhaft bildhauerisches Ebenmaaß hcrstellt. Nächstens mehr davon. Melanie. Kleine Welt scharr. Rom. Seit einiger Zeit waren Gerüchte hier im Umlauf, daß in den Abruzzen eine Hyäne sich gezeigt habe, die aus Neapel entsprungen sein sollte. Wenn auch gerade keine Hyäne, haust doch ein anderes unbekanntes wildes Thier in jenem Gebirge. Man will jetzt ein großes Treibjagen halten, um dieses furchtbare Thier zu erlegen. Paris. Von Amburgh hat nun im Theater der Porte St. Martin seine erste Vorstellung als Lhierbändigcr, unter großem Zulauf gegeben. Das Stück hieß: „Die Tochter des Emir"; ein kleines Mädchen wird unter die Bestien ge bracht, aus deren Bereiche sie Amburgh errettet. Die Be hörde gab aber ihr Erscheinen nicht zu; auch hätte, sagt ein Blatt, keine französische Mutter ihr Kind zu einem so schreck lichen Spiele hergegebcn, wozu das Phlegma einer englischen Mutter gehöre. Statt des Kindes erschien ein Lamm, das unversehrt aus dem Käfige wieder hervorging.