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Der Salon. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. L839. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 2N. August I8SS. Merkwürdiger Weise sucht Paris in diesem Augenblicke seine Moden von auswärts her, denn in der großen Welt ist jetzt die Auswanderung in ihrer schönsten Glanzperiode. Man geht um diese Zeit eben so sehr nach dem Auslande, um den Luxus der Mode zu ergänzen, wie man im Winter den Luxus der Frühlingsblumen von dem Hause Chagot-Lainnö oder Cartier entnimmt. Aber auch diese Mode, die alles Schöne, Glänzende und festtäglich Gekleidete flieht, versteht cs stets, ihre Gönner, Schmeichler und Schüler unter ihren Schutz zu nehmen. So scheint sie den Namen Mathias mit dem Hei ligenschein des guten Geschmackes und Stückes in den aus sei nen Händen hcrvorgchendcn Neuerungen, Launen und Pracht objecten umgeben zu wollen. Und wahrlich, die Mode hat mit diesem Namen eine gute Eroberung gemacht, er wird sie zu den größesten Männern und zu den schönsten Frauen Europa's führen. Stoch bewundert in diesem Augenblicke der Norden die allerliebsten Schöpfungen desselben, und da wir alle die Sachen vorher gesehen, so brauchen wir wohl nur zu sagen, daß jene Fürstin glücklich und schön sein muß, die sich mit diesen schö nen Geweben, diesen schönen Roben — so prachtvoll und luxu- stös, als seien sie zu einem Königsballc bestimmt — schmückt, tnd nun erst diese Cachcmir-Shawls, diese Moussclines und wldbewirktcn Stoffe, die wahrscheinlich die Pracht einiger . chönen Soirües steigern und die Majestät erfreuen sollen, ferner, jene bezaubernde Coiffuren, die weithin den Luxus und kamen der ausgezeichnc^n Häuser tragen werden, die eine ge rankte und umsichtige Wahl hiezu bestimmten. — Vergangenen Dienstag zog eine imposante Familien-Reu- ion die Aufmerksamkeit auf sich. Fräulein Leonie de t"'ze erschien in einfachem Luxus als Verlobte. Nichts ist izender, als die naive Coqucttcrie ein:» jungen Mädchens, die n Heirathscontract unterschreiben im Begriff ist. Das .-auletn, höchstens siebzehn Jahr alt, konnte wohl Blumen agcn. Bis an jenen Abend würde man Mühe gehabt haben, s ihrer kindlichen und bescheidnen Toilette zu crrathcn, daß die Erbin eines großen Vermögens sei und jährlich vier- dzwanzig Tausend Livres Renten zum Nießbrauch habe, re Robe von weißem Organdi, mit doppeltem Leibchen, über em Rosa-Unterkleid, war mit einem ziemlich breiten Saume ' dirt, um den ein Rosaband geschlungen war. Zwei Garm en von Mouffeline, mit Rosasäumen, bedeckten den Arm bis i Ellenbogen. Das Ucbrigc war dem ebenfalls angemessen, den Haaren befand sich unweit der Schläfe ein Zweig der Rosen in Sammet. Eine kleine venetianische Kette war zweimal um den Hals geschlungen und endete in einen tür kischen Knoten, der in einem Perlenbüschel herabsiel. — Die Stoffe bieten dies Jahr nur wenig Verschiedenheiten dar, und nur die Details und die Phantasicstücke dürften die Aufmerksamkeit fesseln. — So weiß man, daß das Haus Brvusse in der Richelieu straße Ko 32, nicht nur Geschmack in den Shawls, sondern auch in allen den schönen und reizenden Stoffen zeigt, die un sere französischen Manufacturcn hervorbringen. Lyon sendet ihm alle neu erfundenen Auswahlen. Ganz schön nehmen sich die schwarzen Tüllshawls mit durchsichtiger, punktüter Zeichnung aus, wenn sie mit Seide, lila, grün oder strahlgclb gefüttert und mit Spitzen garnirt sind, wie ich dies neulich bei einer schönen, schwarzäugigen Jüdin (Fräulein Sid —e) gesehen habe. — Mäntelchen in einfarbigem oder n pois Tülle, mit lila Untcrfuttcr und doppelter ähnlicher Garnitur, mit einer breiten Bordirung, an dem ein dem Untcrfuttcr gleichfarbiges Band herumläuft, bilden recht niedliche Negligö's besonders für junge Personen, und endigen mit drei kleinen Knoten auf der Brust. Wie dies die Madame Dcmouy sinnreich ausge führt. Die Ncgligö's aus dem Modcnlagcr von Nedou und Frerlet sind so graziös, daß sie stets dem pompösesten Schmucke vorgezvgcn werden. Weiße Organdi-Robe, gefaltet an jeder Seite des Leibchens. An den Bauschen ein Rosaband herum laufend, und ein breiter Gürtel mit schottischem Lilabande, vorn mit einem weißen Knoten 'darunter. Kleine gebauschte, mit Lilablau umgebene Aermel, vorn mit gestickten Manchet- ten besetzt, bildeten, der Hauptsache nach, diesen artigen An zug. — Die kleinen Einzclnhciten einer Damcntoilette zeigen oft mehr Eleganz, als die kostbaren zusammengesetzten Gegen stände. Wie z. B. die Vollkommenheit der Handschuhe, der Rcichthum in den Schnupftüchern, die kleine am Gürtel hcr- abhängende Börse u. s. w. Auch habe ich dieser Tage sehr niedliche Fichü's gesehen, die bequem unter dem Shawl getragen werden können und vorn mit dem Gürtel sich vereinen; sic bestanden aus Organdi oder Tüll ü pois, oder Grasgrün. Auch sehr schöne englische oder brüsslcr Schleier, an dem Rande einer Capote von Or gandi, oder an einem Crepp- oder Strohhut befestigt, kann ich meinen süßen Leserinnen empfehlen. Die Madame Gui- chard-Pavie verfertigte ebenfalls Rcisstrohhüte von sehr reizender Form, auf denen sich glacirtc Federg und ein Helles derartiges Band befanden. Auch auf den Crepp-Capoten neh men sich jene Federn sehr schön aus. Sonst trägt man ge wöhnlich sehr einfache Hüte, man fürchtet ordentlich Effect zu machen, und nur in Spitzen liebt man noch den Luxus.