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Der Salon. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von C. P. Melker in Leipzig. 1839. Nerrestcs Bülletin der Moden. Paris, den 16. August 1839. Es ist keine rechte Productionslust mehr unter unfern Mo distinnen. So unerhört es klingen mag, seit einem Monat ist die Mode auf einem Fleck stehen geblieben. Wenn das so fort geht, bekommen wir noch, statt durch unsere genialen Schnei der Europa zu civilisircn, eine fixe, altväterische Nationaltracht, wie sie einst die Deutschen hatten, als sie noch mehr Nation waren. Das wäre so übel vielleicht nicht, aber den liebens würdig flatternden Leichtsinn können wir dann auch von den Türken und Bulgaren lernen. Dazu kommt noch Indifferenz von Seiten des Publikums; der Enthusiasmus des Volkes für eine neue Haube steht aus Null, das ist kein gutes Zeichen in Paris. Die Spitzen sind halb und halb in Ungnade. Eine edle Engländerin, Lady Lhistl eth ornwise, ein weiblicher Tal- leyrand an politischem Prophetenblick, hat mit einer alten Mo distin tausend Flaschen Rum und hundert Wciberreputalionen gegen einen Schooßhund und hundert Prisen Schnupftabak gewettet, daß die Vogue der Spitzen nicht das türkische Reich, nicht einmal das jetzige Ministerium, oder die Unsterblichkeit Lewald's überleben wird. Allerdings kann dies Ereigniß eine furchtbare sociale Reform herbciführcn, vielleicht eine engere Allianz mit England, wenn dies auch der Korrespondent y-j-a in der Augsburger Allgemeinen Zeitung aus leicht zu errathcn- dcn Sympathien nicht zugeben will. Dafür blühen die Cachcmire. Wir bewunderten bei Ga- gelin einen Cachcmirshawl, und konnten uns bis jetzt vor Erstaunen noch gar nicht fassen. Er ist aus weißem Grund stoff und von solcher Elastizität und Feinheit, daß er, trotz seiner sieben Viertel Ellen Breite, durch einen Ring muß ge zogen werden können. Rundum ein Saum von weißem Sam met, mit Gold-Arabesken besät, darüber eine Franze von be sonderer Höhe aus Eachemirwolle, mit außerordentlich feinem Goldfaden untermischt. An den vier Zipfeln vier goldene Trod deln. Dieser Shawl war übrigens ein Hochzeitsgeschenk für die Herzogin von Leuchtenbcrg. Der Herzog selbst erhielt von hier eine Schärpe, aus sehr feiner braunblauer Cachemirgaze, die ganz nach allrussischer Mode gestickt sein soll. In der Mitte war in goldener Stickerei das Wort Souvenir, zu lesen. Die Livorner Strohhüte, mit zwei langen, weißen Federn, deren Spitzen leicht in das Rosen- und Azurfarbene spielen, werden sehr getragen. Was den Kopfputz betrifft, so braucht man nur an die Halbturbans zu erinnern, die noch immer sehr leicht und an- muthig sind. Dann gibt es auch sogenannte Orientalen aus einem Schleier von Brüsseler Spitzengrund und einer Guir- landc von Mohnblumen gebildet. Männcrmoden. Der Reitfrack ist aus Sammet oder Merinos-Eachcmir, von grüner oder granatähnlicher Farbe; einer Reihe von Knöpfen, oben sehr offen, Kragen immer sehr niedrig, Schöße sehr breit, zugcrundct, und Alles gefüttert mit Seide von Lyon. Sommer-Paletots aus Lasting oder dunklem Merinos, mit farbiger Seide gefüttert und von englischem Gewebe mit schwarzen und weißen Würfeln. Die hübschesten und bequemsten Uebcrröcke sind aus leich tem, melirtem Tuch, bis oben schließend, eine Reihe Knöpfe und ohne Besatz. Für Schlafröcke, Schlafmützrn und Hauspantalons sind die beliebtesten Farben schwarz und gelb. Der Nanquin zeigt sich nur am Abend. Ueberhaupt Kleiderstoffe sehr fein, aber Schuhe und Strüm pfe, so wie das Hemd, die Manchelten ausgenommen, etwas zerrissen. Ein unfehlbares Schönheitsmittel. Ein solches gibt es zwar nicht für lebende Herren und Damen, aber für ihre Kinder, die noch nicht geboren sind. Man umgebe eine Dame, die das Glück hat, guter Hoffnung zu sein, mit lauter colorirten Modckupfcrn, so wie die Eilpost, allgemeine Moden zeitung u. s. w., sie haben, bis die Einbildungskraft der ge segneten Dame sich wo möglich daran erhitzt, oder, wie man sagt, bis sie sich versieht. Ihr zu gebärendes Kind wird zwar ein sehr dummes, aber schönes Gesicht, und, was eben so viel werth ist, Geschmack für Putz und Kleidung haben. So kann man eine schöne Generation erzielen, grade so schön, wie die Gesichter der Modekupfer. Kleine Weltschau Die Stadt San Salvador de Guatemala, der Sitz der Regierung, ist im größten Schrecken, und steht auf dem Punkte, verschlungen zu werden. Seit dem 21. März lassen sich furchtbare Erdstöße verspüren; besonders furchtbar waren die Tage des 21. und 27. Ein Berg ist eingesunken und hat ein Dorf sammt seiner ganzen Bevölkerung mit hin abgerissen. Der Lauf eines Flusses ist aufgehaltcn. Auf dem Gebiete der Stadt hat sich der Boden allenthalben gespalten