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Der Salon. M 3Z. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1839. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den 2. August 18,39. Bei der Feier der Julitage sah man an öffentlichen Orten sehr viel schwarze Atlas-, Gaze- und Mousscline-Shawls von ebenfalls dunkler Farbe. Doch trugen patriotische Damen hie und da auch tricolorc Bänder an den Hüten. Höchst betrübend war es, bei einer Abendunlcrhaltung auf dem Landhause der Gräfin Schlamp zu sehen, daß nach und nach fremde Moden in Paris, der Hauptstadt aller Moden, zu gras- siren ansangen. Eine Modistin ist unlängst hier angekommen, die durch ihre bizarren, manchmal aber artigen Erfindungen, allen französischen Nationalgcist aus unfern Hauben, Unterrök- ken und Taschentüchern zu vertreiben droht. Sie heißt Kitz, und ist eine Verwandte des berühmten Schneiders Kitz von Langenschwarz, gebürtig aus Deutschland, einem unbekannten, unsinnigen Lande, das nach Einigen in Baiern, nach Anderen' bei Preußen liegt und wo man sogar die Kleider der Censur vorlegen muß. Fräulein von Kitz hat einigen Hang zur Sa- tpre, der sich aber bei Produktionen, die eine strenge Kunst-' form verlangen, wie bei Schnürleibern, Roben und Sammet hüten, nicht am rechten Orte geltend macht. Sie hatte die Toilette aller Damen, die bei jener Abcndunterhaltung waren, arrangirt; nun, man urtheile selbst: Die junge, schöne Eomtcsse von Mal apropos, von der die Kitz in ihrem Stolz behauptet, sie sei so prachtvoll geklei det, wie eine deutsche Prinzessin, trug eine Robe ohne Volans, aber mit drei Otuerstrüsen an den Aermcln, aus weißem Sci- Lenatlas. An dem Gürtel, der mit Valencienner Spitzen rund um besetzt war, war eine himmelblaue Schürze aus Mousse- line angenäht, an deren breiten Enden sich zwei Silbcrglöck- chcn befanden, wie die Schwcizcrhirten.sic ihren Licblingskühen anhängen. Diese Glöckchen brachten bei der geringsten Bewe gung der Gräfin ein liebliches Geläute hervor. . Die Handschuhe der Gräfin waren aus fleischfarbenem Tricot und ließen das Handgelenk bloß. Diese Handschuhe sind jetzt allgemein beliebt; auch Strumpfe dieser Art sieht man häufig. Der Kopfputz bestand aus einem Schleicrchen, aus rosafar benem Flor, der einen sanften Wiederschcin auf die Wange warf. Um die Haarlocken, die sich hinten in einen einzigen, kompakten, langen Aopf endeten, schlang sich ein Kranz von natürlichen Gänseblümchen. - , Die Frau Baronin von Bivouak hatte eine gleiche Robe. Sie zeichnete sich besonders durch den schönen, elfen beinernen Fächer aus, den sie in der Hand hielt. Der Fächer heißt K I'cpiciar, und hat wirklich die Form einer plattgc- drückten Gewürzdüte. Solche größere oder kleinere Gcwürzdü- ten aus Gold, Silber, Elfenbein u. s. w., sind jetzt allgemein beliebt. Man sieht sie statt der Ohrringe tragen, man sieht sie als Verzierung an Len schönsten Mcubles. Künftig soll die Nalionalgarde, wie es heißt, statt der Eocarde oder des Feld zeichens, solche Gewürzdüten aus Kartmpapier tragen. Männcrinoden. Die offenen, geraden Gilets halten jetzt den Shawlgilets so ziemlich die Wage. Die Eachcmirwestcn sind etwas zu heiß für die Jahreszeit/; man ersetzte daher den kostbaren Cachcmir sehr wohl durch Seide oder- Piqueestoffe. Die Muster sind sehr klein, sämereiartig oder siebförmig, oder aus ganz kleinen Punkten bestehend. Die beste Farbe für den geraden Frack ist die grüne. Dieser Frack hat weite, aber unten etwas zugcrundetc Schöße; die Knöpfe sind von Metall. Dieses Kleid läßt sich sehr gut tra gen, wenn man zu Fuße ist. Auf der Industrie-Ausstellung, die vor kurzer Zeit abgchal- tcn wurde, machte besonders ein Rock große Sensation, den ein ausländischer Schneider dem König Louis Philipp als Geschenk zugedacht hatte. Auf den ersten Anblick hatte der schlichte, braune Uebcrrock mit stehendem Kragen und einiger Scidenpo- samcntirung an den Vorärmcln nichts Ungewöhnliches. Wenn man ihn aber genauer prüfte, so erkannte man das Meister stück. Er war von oben bis unten mit einer Unzahl von Ta schen versehen, die sich nach innen öffneten, so daß sie von außen unsichtbar waren. Besonders groß und weit waren die Scitentaschcn; sie sahen aus, als ginge ganz Frankreich hinein. Die Knöpfe waren einige aus Glockenspeise, andere aus Kano nenmetall, und enthielten die Portraits der berühmtesten Fran zosen seit der Revolution in erhabener Arbeit. Unter denen der Kopf Talleyrands in der Bischofsmütze, dann Napoleon, Fouche, Karl X. und endlich oben der König der Franzosen selber. — Kleine Welt scharr Hafiz Pascha, der Generalissimus der türkischen Armee ist in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geboren, und ein Mann von Geist und großen kriegerischen Talenten. Als achtzehnjähriger Jüngling kam er aus Circassicn, seinem Vatcrlande, nach Constantinopel, und begann hier seine Lauf bahn bei der Leibwache des Serails. Den Namen Hafiz (sein Familienname ist Mahommcd) erhielt er, nachdem er vor einer Versammlung von Gelehrten den Koran vom Anfang