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demselben gekrönt wurden; sie thcilen sich in die sogenannten kleinen Reliquien, unter denen die Gebeine Karl^Z des Großen besonderes Interesse erregen, und die großen, welche eben nur alle sieben Jahre gezeigt werden. Sic bestehen aus einem weißen, baumwollenen Kleide der Mutter Gottes, ungefähr sechstehalb Fuß lang, worein der Heiland gewickelt war; dem Leintuch, auf welchem Johannes der Täufer enthauptet worden, und dem Tuche, welches Christus am Kreuze getragen, und worin noch die Blutflecken zu sehen sind. Diese vier Reliquien sind schenke, die Karl der Große von dem Patriarchen Johannes zu Jerusalem erhielt. Eine 809 unter Papst Leo gehaltene Kirchcnversammlung befahl eine jährliche Ausstellung derselben, als aber 882 die Normänncr über das Land hcrsielen, wurde beschlossen, daß die Feier nur alle sieben Jahre begangen wer den solle. Diese Reliquien werden in einem Schranke von ver goldetem Silber aufbewabrt, dessen Schlüssel bei jeder Hcilig- thumsfahrt in zwei gleiche Hälften zerbrochen, und die eine deMpDomcapitel, die andere dem Stadrathc zur Verwahrung übergeben wird. Gestern Nachmittag wurde im Beisein der Behörden der Schrank eröffnet, die Reliquien hcrausgenommen und zuerst im Dome selbst den Gläubigen gezeigt. Darauf wurden sic nach einer Kammer auf einem der Thürmc ge bracht, wo sie die Zeit der Heiligthumsfahrt über von zwei Geistlichen bewacht und. jeden Morgen lhcils oben auf den Galerien des Thurmes selbst, theils von da herab den unzäh ligen Andächtigen gezeigt werden, die sich täglich dort auf dem Münsterplatze versammeln. Bei der letzten Ausstellung hat man über vicrzigtausend Fremde gezählt, die an einem Tage in die Stadt strömten, um die Hciligthümer zu verehren, denen vom Wolke die größte Wuirderkraft beigelcgt wird. Auch in diesem Jahre wieder scheint der Zufluß beträchtlich zu werden. Die Stadt ist schon jetzt sehr belebt, und es fehlt dabei nicht an Spcculantcn, welche durch Schaustellung von allerlei Sehenswürdigkeiten auch ihrer Seils aus der Wolksmcngc ihren Vortheil zu ziehen suchen. Die Pariser PairSkammcr als Gerichtshof. 'Auf der Galerie sicht man ' -^e ou» ueeier stey in einer Nische aus amphithcakralisch gereihten Bänken die Ange klagten, ganz beherrscht von der Gendarmerie. Unscheinbar sitzt je zwischen zwei solchen breitschultrigen Gardisten der Ange klagte. Vor den Angeklagten sitzen nach dem Saale zu die Advokaten derselben. Sie sind gekleidet, wie unsere protestan tischen Geistlichen, in schwarze Reverenden und hohe Sammet mützen. Ein schmaler^ßng trennt diese Advokaten noch von der ersten HalbkreiSrcihc der Pairs. Da, wo die Mitte ist, und wo wegen der Halbkreisform der Platz sich ein wenig er weitert nach den Pairs zu, da wird der Zeuge hingcstellt, mit dem Angesichte nach der Pairsvcrsammluug zu, mit dem Rük- kcn nach den Advokaten und den Angeklagten, und eS ist dann immer ein dramatischer Moment, wenn der Zeuge ausgesagt hat und der Kanzler ruft: „Zeuge, wenden Sie sich um — An geklagte, stehen Sic auf, — Zeuge, erkennen Sic den R., oder erkennen Sic darunter Einen !" Der Zeuge stehl zwischen einem Grcfsicr und einem Huissicr. Jener, der ein kleines Tischchen mit Schreibzeug vor sich hat, nclirl das Wichtigste augenblick lich, was der Zeuge aussagt. Mancher Zeuge ist schüchtern, ist verlegen vor der vornehmen Versammlung; mancher hat wirklich eine schwache Stimme, am Ende ist denn doch auch nicht jeder Franzose ein Redner; kurz, der Grefsier muß die ganze Aussage auf der Stelle mit laulcr Stimme wiederholen, wenn der Zeuge nicht überall deutlich verstanden worden ist. Won der Nische aus, rechts auf dem Flügel der ersten Paire- bank, befindet sich auf einer Erhöhung der Präsident des Hofes, der Kanzler Pasquier, auf dem linken Flügel sitzen die drei Gerichtspersoncn, welche die Regierung vertreten, alle Drei in Scharlachmänteln. Pasquier ist ein bejahrter Mann, der obcncin ein so schwaches Gesicht hat, daß er zweierlei Augenwaffen, Brillen und Lorgnette, für die Anklagcacte und für die Ange klagten, braucht, der aber vidl Präsidenlcnrcuiinc und ein ge übtes Wort besitzt. Sein Organ ist durch die tägliche An strengung erschöpft und versagt ihm bereits den Dienst. Die PairS, unter denen allerdings manche Gichtbrüchige und schwer Ermattete sind, zeigen im Ganzen doch große Aufmerksamkeit, und bei schwierigen Umständen fragt bald hier, bald dort einer selbst nach. Daß mancher der Herren bei den oft langweiligen Zeugenaussagen entschlummert, und einmal im Schlummer auch Wichtiges verschläft, das läßt sich nicht leugnen; wer kann gegen die Natur ! Aber im Allgemeinen hat der Hof ein wür devolles Ansehen. Die Uniform der Pairs, blauer Leibrock mit Gold gestickt, ein Stern, ein Orden, mit dem fast Jeder dcco- rirt ist, geben eine gewisse Feierlichkeit. Aber die Franzosen nehmen im Grunde von keiner Feierlichkeit Notiz, sie sind davon genirt, und vernichten sie durch ihr freies, unbefangenes Wesen, — Theater. Anekdote.'Reddisch war zu seiner Zeit ein sehr schätzbarer Schauspieler und der zweite Gatte der Madame Canning, der Mutter des berühmten Staatsmannes. Kaum war er über die Blüthe seiner Jayrc ymeeus, >v wurde er verrückt und niemals konnte man ihn wieder Herstellen. Die Lcranlassung Lazu war folgende: Er spielte meist die Rolle des Hamlet; sein Mitspie ler stieß ihm die Perücke vom Kopse, das Publikum lachte darüber, was er sich so zu Gemüth zog, daß er den Verstand verlor. Er starb in dem Narrenhause zu Pork. M « s i k. Ein neuer Stern amGcsang Himmel ist Fräulein Jenny Lutze r, welche seit geraumer Zeit die Hamburger enthusiaSmirt, wozu etwas gehört. Ein Hanseatischer Rezen sent läßt sich über dieses Phänomen also vernehmen. „Was an dieser Meisterin vorzüglich zu bewundern ist, das ist die große Leichtigkeit, mit welcher sic auch die größten Schwierigkeiten überwindet. Man bemerkt niemals auch nur die kleinste An strengung. Ihre Stimme ist wundervoll, zumal in der Hohe,