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Der Salon. ävr 32. Unter Verantwortlichkeit der Redaction der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1839. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den L6. Juli ISNS. Ja, meine lieben tiefsinnigen, und spitzfindigen Klciderkünst- ler und Haubcncomponistinnen, der Fortschritt der Welt ist nicht aufzuhaltcn, nicht mit Nadel und mit Scheer', nicht mit Bügeleisen und mit Fingerhut, alle Modeform aber geht von Paris aus. Alles Vollkommne ist rund, darum läuft die Fashion auch im Kreise herum, eine treibt die andere, daß die urältcsten Moden wieder zum Vorschein kommen, ein Be weis, daß schon in dieser Welt die Tobten wieder aufcrstchn. So geht es fort, bis wir am Tage des jüngsten Gerichts wie der wie Adam und Eva gekleidet gehn. Alle Menschen wer den dann ihre Schürze von Feigenblättern anziehn, Ihr aber werdet triumphirend diesen keuschen prophetischen Modenbericht der Eilpost um Euere Hüsten schlagen! Neuerungen über Neuerungen! Die Volans werden jetzt hinten höher getragen, als vorn. Davon kann man sich im Casino, im Sn^>>° "'--ntadour, davon konnte man sich im Thra ker ersten Aufführung des „Sohns der ugcn. Dieses Drama hat gewiß viele verrückt gemacht, aber noch verrückter wurden die fashio- nablen Damen, als sie im Theater eine Menge neuer Roben sahen aus Hellem Mouffelincstoff mit einem Volant von mitt lerer Höhe, der mit einer Valencienner Spitze besetzt nnd hin ten höher war, als vorn, allein natürlich, nicht übertrie ben höher. Was übrigens die Roben betrifft, so ersetzen, wie es scheint, jetzt die Quersireifen den Volant. Statt d->n nrn„r-K-n „nk des Besatzes bringt man am Overtycit des Acrmels drei Q.ucr- streifcn an, was allerdings bei Weitem nicht so graziös ist. Die kurzen Aermel sind fast so ausschließlich bei der noblen Welt bevorzugt, wie cs die langen Finger bei den ministe riellen Schneidern sind. Ium Ncgligü und zur großen Toilette trägt man allgemein kurze Aermel. Die Bauschen stehen den lichten Stoffen gut-, zu jenen Aermeln aber gehören Klapp handschuhe aus schwarzem Garn. Noch eine Neuigkeit ist ein mechanischer Schnurlcib, den Herr Bienvenu (Rue Taitbout kio. ü.) erfunden hat, um Roben von allen möglichen Taillen zu probiren. Durch diesen Apparat, der nach Belieben größer oder kleiner wird, brauchen die Damen künftig nur den Leib ihrer Roben zur Nähterin zu schicken, und man nimmt dann das Maß, als ob sie selbst ge genwärtig wären. Außerordentlichen Erfolg haben Oudinot's Untcrröcke, die man übrigens sehr weit trägt. Richt zu vergessen ist, daß Vieser verdienstvolle Fabrikant den Stutzern Westen, Brusttü cher und Unterhosen aus Agnoline, jenem angenehmen Gewebe aus der feinsten Lammwolle liefert. Vorzüglich jetzt bei den plötzlichen politischen und unpoliti schen Wctkrrverändcrungcn kann man nicht genug die Heil samkeit eines so zarten, vligten Stoffes, wie die Agnoline, an preisen, die sich an die Hauk anlegt, ohne die Epidermis zu reizen, und" die man unter dem Hemde tragen kann, ohne daß cs gcnirt. Sie wirkt auch sehr beruhigend auf das Gcmülh, wie der Name Agnoline andeutet und ist sehr gut gegen rebel lisches Herzklopfen. Die Form der zeugencn Hüte hat etwas an Eleganz "ge wonnen, indem sie ziemlich gesenkt ist, um das Gesicht zu schüz- zen. Die Verzierungen der Hüte sind aus Crepp oder glattem Flor von der Farbe der Hüte selbst; die Blumen kommen aus den untern Theil des Schirmes und sehr nach rückwärts. Dcr unlere Theil des Hutes hat auch mehr Besatz, als der obere, was dem Haarputz nicht immer zum Vortheil gereicht. Am leichtesten und frischesten sind nach dem Strohhut die weißen und rosafarbenen und blauen Crcpps; auch die Spitzen hüte und die Caputzen aus schwarzem Tüll darf man noch tragen, obgleich sie schon anfaugen, ein wenig gemein zu werden. Die Straußfcdern stehen so ziemlich in gutem Renommüe; besonders gut stehen sie weißen Hüten. Schönheitsmittel. Eitelkeit aller Eitelkeiten! Alles ist eitel! Mode geh' in'S Kloster; dcnn Du bist grieSgrämiich ge worden. Da kündigt ein Turlupin <Rue du Vcrtige k>o. in allen Journalen seine optimistischen Schlafhauben, Nachtmüz- ren u. s. w. von allen Sorten an: Eine solche Schlafmütze, ganz einfach aus tüchee^.. ^-^en^ e tief über die Ohren gezogen, das Ausfallen der Haare, un'- sei somit ein Schönheitsmittel. Man solle ja nicht glauben, daß die Schlafmütze nur dem Alter gebührt, diese Sorte sei gerade für junge Leute von zwanzig bis dreißig Jahren berech net, und man habe kein Beispiel, daß je ein Wesen, welches sich dieser weichen, schützenden Hülle bedient, sich an etwas den Kopf zerbrochen hätte, oder daß »W-.dic Haare ausgefallen wären. Vorige Woche sollen aufEcstellung hunderttausend Stück solcher Mützen nach Deutschland' gegangen sein. Kleine Welt schau Aachen. Dieser Tage ist unsere Heitigthumsfahrt, die, da sie nur alle sieben Jahre wiedcrkchrt, immer großes Leben in die Stadt bringt, eröffnet worden. Unser Dom ist bekannt lich sehr reich an Reliquien, Geschenken der Kaiser, welche in