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nungen eines Buchs, auf Stein zu übertragen, und von diesem Steine wieder Abdrücke auf dem Wege der Lithographie zu gewinnen. Merkwürdig dabei ist, daß das Original auf keine Weise durch diese Operation beschädigt wird. M o d e. Noch ein Beitrag zur Geschichte der Perücken. Die Herrschaft der Perücken war kaum ein Menschenalter lang recht fest begründet und allgemein anerkannt, so erhielt sie einen "Stoß von einer Seite her, von der man es am wenig sten crwarter hätte. Es thut sehr wohl, wenn die Tracht, deren Geschichte sonst die deutsche Nation der schwachherzigsten Abhängigkeit von fremden Launen verklagt, einmal deutschen Gedanken und deutschem Einfluß begegnet. Friedrich Wil helm l. von Preußen war es, der die Perücken verwarf, wieder das eigne Haar aufnahm und dadurch den Anlaß zu einem ganz neuen System des Kopfputzes gab. Sein Zopf war ein Gedanke großartiger, militairischer Einfachheit, und er ahncte nicht, daß die Frisur, welche er einführte, die Köpfe noch mehr peinigen sollte, als der Lockcnwust, den er bekämpfte. Befangen im Haardogmaiismus seiner Zeit, konnte er sich so wenig zu der Idee des natürlichen, scsscllosen Haares erhe ben, als die Reformatoren des sechszchnten Jahrhunderts zu der Anschauung heutiger rationeller Bibelerklärcr. Aber wie ene, stiftete Friedrich Wilhelm ein Schisma in der bisher eili gen und allgemeinen Perückenwelt; und die barocke Form, in n er das natürliche Haar wieder zu Ehren brachte, war dazu sersehcn, die Menschen nach und nach wieder von dem Jau- .r der falschen Haare lv'szukcttcn. Friedrich Wilhelm, das Widcrspicl seines majestätischen Bakers, begann seine Regierung (l7lli) damit, daß er am Hofe allen Prunk und alle Cercmonic verwarf. Am Tage seines Regierungsantritts verabschiedete er achtundachkzig Kammer herren und eine Menge anderer Hofbeamtcn, die sämmtlich ma jestätische Perücken trugen. Wenig Monate darauf — er wüßte doch seine eigene Haare wachsen lassen — warf er auch seine Perücke weg und trug sein nach hinten gestrichenes Haar ganz einfach in einem mit schwarzem Bande umwundenen Zopf. Diese preußische Neuerung brachte ganz Europa in Aufre gung. Schriftsteller, über deren Horizont noch die Perücken in bedeutenden Wolkenmassen standen, sprachen es geradezu aus: das preußische Landrecht wäre nimmer ein so treffliches Werk geworden, wenn die Justiz in Prcußcn fortwährend die Luarröperückcn getragen hätte. AUmählig aber drang die preußische Revolution durch und verschaffte sich Einfluß und Eingang bei den übrigen gekrön ten und nicht gekrönten Häuptern. So ward die ehrwürdige Perücke nach langem Kampfe durch den „Haarzops" verdrängt. Der größte Luxus im Meublement findet sich bei dem reichen englischen Lord Pen brocke, der regelmäßig alle acht Monate ein neues sich anschafft und das ältere verkauft. Das kostbarste Stück, das unlängst zum Berkauf kam, war ein Zelt, das ihm zwanzigtausend Francs gekostet hattt. Das feinste baumwollene Garn befindet sich im Londoner Museum. Es ist in Indien gefertigt, mit der Hand gesponnen und die Länge eines Pfundes beträgt hundertundscchs- zehn englische Meilen. Man hat einen Mousseline daraus gewebt, den man, wenn man ihn auf Gras legt und Thau darauf fällt, gar nicht mehr sieht. Die Eingcborncn nennen ihn daher gewebte Lust. Man hat in England Baumwollengarn so fein gesponnen, daß ein Pfund die Länge von hundertundsechsund- sicbzig Meilen betrug; aber zu weben hat man dies Garn nicht verstanden. Sittenspiegel. Leben derJuden ehedem und heute. Wie hat sich, trotz der vielen Leute, die sich bemühen, die Zeit rückwärts zu drehen, doch Vieles gewendet. Ehedem erblickte der Jude das Licht der Welt in einer düstcrn Gaffe, um kein Bürger, kein Jude, kein Mensch zu sein. Gefangen als Kind, Jüngling, Mann und Greis, verbrachte, verträumte er seine lebensmüden Jahre in den Gängen der Finsterniß, reich an Geld, ohne es zu genießen, sondern um es zu vergraben; reich an Kenntnissen, ohne sie zu zeigen, sondern um sie sür sich zu behalten; reich an Geist, ohne ihn zu entwickeln, sondern um sich in ein Laby rinth zu verwickeln; reich an Ueberzeugung für den wahren israelitischen Glauben, ohne sie aussprcchcn zu dürfen, war er ärmer als der Aermste unserer Zeit. Sollte er Interesse haben für Anlagen, Bauten, Verschönerungen, Gewinn'! Er genoß ja nichts. Sollte ihm Deutschlands Glück und Unglück an's Hcrz gehen? Er war kein Deutscher. Sollte er für die Bür gerschaft streiten? Er war kein Bürger. Sollte er menschlich handeln, seiner Vervollkommnung sich nähern? Er ward nicht als Mensch betrachtet. Die Zeit ist nicht mehr. Die schwach glimmende Lampe der Erkenntniß brennt in lichten Flammen; das große Licht der Aufklärung leuchtet doch, ohne daß man cs löschen könnte. Der dunkle Schleier ist zerrissen, der Ju- dcngasse Thore sind erbrochen. Der Jude wohnt unter andern Religionsbckcnncrn, der Jude tritt als Schriftsteller auf. Er kämpft für seine Rechte und stellt die Gewaltthatcn gegen ihn dar. Er ist Künstler, Gelehrter, Staatsmann, Handwerker. Man fängt an, endlich einzusehen, daß es dem Gott der Liebe einerlei ist, ob in der Synagoge, Kirche oder Moschee zu ihm gebetet wird, so eö nur aus reinem Herzen geschieht. Literarische Notizen. Allgemeines Theater-Lexicon, herausgeben von Blum, Herloßsohn und Marggraf. Bon diesem mit großer Sachkenntniß und Umsicht ausgcarbeiteten Werk ist die dritte Lieferung erschienen, welche den ersten Band schließt. Wir