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Der Salon. M 20. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion.dcx^Eilpost. Druck von C. Pf Melzer in Leipzig. 1839. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, den I.Mai I8NS. Roben. Diese sind jetzt meist von folgender Art: Sehr rniach, aus Moira, aschgrau glacirt, die Acrmcl halb breit, der Leib mit Fischbein ausgesteift, herzförmig ausgeschnitten, ersetzt mit schönen Angleterrespitzen, die Worärmelchen niedrig, zwei Rollgewindc am Untertheile des Rockes, und zwei von einander entfernte unter dem Schulterstück. Eine solche Robe t. Manchelten aus Angleterrespitzen, eben so den Kragen mit Angleterrespitzen besetzt. Besonders im Schwünge sind die Cachcmirshawls. Die Erinnerungen, die sich an den lieblichen, weichen Namen Ca- ocmir knüpfen, die theuern Preise derselben und die unzähli- -rn Variationen, deren er fähig ist, diese machen es, daß der örchemir in Paris alle Moden, alle Systeme, alle Ministerien, olle Dynastien überleben wird. — Vorzüglich liebt man an diesen Shawls jetzt die türkisch gelbe (jannv lurc) und die Orangcnfarbe. Im Allgemeinen ist der Shawl vorn sehr groß; der Be satz, bestehe er nun in Spitzen oder in l luipurcn, muß bis auf die Füße fallen. Der Shawl wird im Ncgligö, wie im höch sten Staat getragen, und ist unentbehrlich bei jeder eleganten Toilette. Bei Madame Delaunay, auf dem Place de la Bourse, steht man Rcisstrohhüle mit Rosen und schattirten Pompadour- bändern geziert. Capoten aus wafsergrüncm Crepp, mir Spiz- zcn besetzt, und gleich ausgestutztcn Streifen; Capoten aus glacirtem Crepp, Punschflammenfarbe; vor Allem aber eine Capote, die eine echte pariser Damcnseele in mystische Verzük- kung bringpn kann, eine Capote, von einem einzelnen Anglc- terreschleier gebildet, der zu gleicher Zeit Schärpe oder Schleier chen bildet, mit vermischten Rosen von Chagot. Die genahten Strohhüte sind nur für das Land anwend bar; der Rcisstrohhur sigurirt blos bei der Stadt- und Pro- menadcntoilette. Nicht genug kann man die Handschuhe von Protte (Rue Neuve des Petits-Champs >o. 3.) anruhmen. Prolte hat aus dem Handschuh ein ganz eigenthümlichcs, fühlendes Wesen ge macht. Der Schnitt des Handschuhs ist von der Art, daß er selbst die Fehler einer zu breiten oder zu langen, einer zu kur zen oder zu dicken Hand verbergen kann. Auch die Grazie der Hand gewinnt, ja sie wird weicher, liebevoller, zärtlicher durch ihn. Wenn ein irrender Ritter von der Hand seiner Dame einen Backenstreich bekommt, vorausgesetzt, daß die Hand dieser Dame einen Handschuh von Protte trägt, so ist der Ritter gewiß gern so christlich, auch die andere Backe hin zuhalten. Ein Beweis, daß die Mode, in Paris wenigstens, keine blos eitle, frivole Wissenschaft ist, sondern lediglich darauf hinstrcbt, Frömmigkeit, Sanftmulh und andere christliche Tu genden zu verbreiten. Männcrmoden. Den Männern ist cs in Paris auch ziemlich schwer, recht zu dienen. - Denn ist das häßliche Ge schlecht auch hier in der Mode nicht so neuerungssüchtig, wie in der Politik, so muß man doch wissen, daß ein pariser Mann eitler ist, als ein englisches oder deutsches Weib. Indessen haben die Männcrmoden an Herrn Lacroir, den wir, wie ich glaube, schon einmal rühmend erwähnten, ihren Meister gefunden. Wir sahen in seinem Atelier einen herrlichen Jagd- oder Reirüberrock aus schwarzem Seiden sammel mit Seidcnpoult gefüttert. Dieser Ucberrock harte die Form der Paletot's, wie sie im letzten Winter waren, hinten ohne Knöpfe, aber auf den Hüften ausgeschweift und scharf markirend. Der Kragen ist niedrig, die Uebcrschläge breit, die Aermel oben etwas streit und anschließend am Vorärmelchcn. EinL einzelne Reihe von Knöpfen auf der Brust; diese Knöpfe waren in Kupfer ciselirt und vergoldet, und stellten in Relief Wolfoköpfe vor; die Taschen ein wenig über den Hüften. Es ist unmöglich, etwas Anmuthigcres, Bequemeres und zugleich Coquetteres zu sehen; denn es bildet einen nöthigen Contrast mit unserer jetzigen Mode: wir wollen frei sckn, wir wollen in unfern Kleidern uns frei bewegen, wir wollen fließende, wal lende Gewänder haben, während wir doch unsere Beine in eine Art von Futterral stecken. Lacroir zeigte uns eine herrliche Nuance für Pantalons, das Saint-Denis-blau; diese Farbe hat einen herrlichen Glanz und geht nie aus. Lacroir schneidet auch die Panta- lons, oder läßt durch seine Minister die Pantalons so geschickt zuschneidcn, daß sie zugleich elegant, modisch und doch sehr be quem sind. Für sehr junge Leute empfehlen wir Kleider, die an den Hüften ausgeschweift sind, kleine Krägen und Ucberschläge ha ben und von der Mitte des Magens an ungefähr bis zum Ende der Schöße eine sanfte Rundung bilden. Ein Kleid von diesem Genre, ein Paar Saint-Denis-blauer Pantalons und ein Gilet mit strohgelbem Vulancias-Shawl bildete zusammen eine ganz elegante Toilette. Die Form der Männerhütc hat sich wenig verändert. Sic sind hoch gebaut, cylindrisch rund, die Krämpcn an der Seite etwas erhoben, dann vorn und hinten fast viereckig zuge- schnittcn. Was unsere Fashionablcs und Amazonen noch sonst betrifft, so ralhen wir ihnen, in die unvergleichlichen Magazine von Herrn Verdier (Rue Richelieu klo. 102.) sich wegen Stök- ken Röhren u. s. w. zu bemühen. Man kann es nicht Stöcke oder Rohre nennen, es sind Wünschelruthen, Jauberstabchen,