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Der -§alon. 18. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1839. Lese - I i m m e r. Neuestes Bulletin der Moden. Paris, dm 17. April ISNS. Männermoden. Unser Männcrkleidermcistcr Lacroir sollte allen europäischen Schneidern zum Vorbilde dienen, dann stünde cs weit besser um das Heil der Welt, um den Fortschritt des Jahrhunderts. Lacroir weiß als aufgeklärter Schneider, daß das Genie sich zwar nicht dem Einfluß der Mode entzieht, trotz dem aber die Mode beherrscht, und indem er seine eigenen Kräfte wohl kennen lernte, hat er cs dahin gebracht, daß sein Name in Aller Munde ist. Sein größtes Verdienst ist, daß er specieller Schneider bleibt, und daß er jedem Kleidungs stücke die ihm cigcnthümliche Bedeutung abgclauscht hat. Nie mand hat.so wohl den schweren Schnitt der Pantalons be griffen, Niemand so früh eingcsehcn, daß der Nock sich der Taille, für die er bestimmt ist, anschmiegcn, daß er sie geltend machen und im Nolhfalle verschönern muß. Durch seine Röcke rcfor- mirt Lacroir seine Clienten und hebt ihren besonder» Charak- tc heraus. Dabei hat er die Gabe und den Scharfblick, die talentvollsten jungen Leute für sich zu gewinnen, denen er, je j^iach der Richtung ihres Geistes, ihre Aufgabe stellt; denn La croir würde es für einen Hochverrat!) an der Kunst ansehcn, von demselben seiner. Minister, der ein Gilet verfertigt, auch die Pantalons, oder umgekehrt, zuschneidcn zu lassen. Je des Kleidungsstück hat seinen bcsondcrn Mann; daher passen sie dann Alle auf einen mathematischen Punkt. Frau en modcn. Im Theater Franrais sah man un längst einige weiße und viele schwarze Roben. Ganz gewiß ist cs, daß die schwarze Farbe sich bei uns einbürgert, wie die Schnürlcibcr und die Rcifröcke. Man versichert, daß "'Mademoiselle Mars einen Schnürlcib- und einen Reif rock von Madame Clümcnoon hatte, um ihre schöne Rolle in ihrer schönen Tracht und mit ihrer schönen Taille noch schö ner zu spielen, und eben so gewiß ist cs, daß sie einen großen Theil ihres Beifalls, mittelbar wenigstens, jenem Schnürleib '.rch jenem Rcifröcke zu verdanken hatte. Beim Ausgebn tragt man häufig Palctot'S von Atlas, oder pelzgefüttertem Cachemir; auch hat die noch immer nicht wei chende Kälte eine kleine, bequeme, wenn auch nickt sehr co- quctte Erfindung veranlaßt; dies ist eine kleine Tricotcapote, hübsch rund um den Kopf sich anschließend, und mit einer kleinen, wollenen Krause umgeben, die zu jedem Gesichte voll kommen paßt. Diese Capote hat unzählige Vorthcile; gern trägt man sic Abends, wenn der kalte Thau fällt, auf der Promenade, vorzüglich auf der Reise, da man sich damit an die Wagcnkisscn anlchncn kann, ohne den Frost oder das Zer knittern und Abwctzen von Hauben und Hüten fürchten zu müssen. Diese Capotcn sind von allen Schaltirungcn; blau, für die Blondinen, rosafarben für die Brünetten, ganz weiß für junge Mädchen; cs gibt sogar Capotcn für. . . jene, die nicht blond, nicht braun und nicht jung sind. In der Pariser Strumpfwirker« s llliaustiers <Ie Paris), sind diese ehrbaren Capotcn zu haben. Daselbst findet man auch allerhand andere Frühlingsnovitätcn, als: schottische Strümpfe von allen Schattirungen, Klapphandschuhe, lang oder kurz, wie cs beliebt, und von allen möglichen Farben. Man sieht viele Roben mit zwei Volans, den Leib wie ein V geformt; ein großer Theil dieser Leiber sind garbcnförmig und heißen daher mit Recht ü la Ceres. Abends trägt man noch immer kurze Aermcl, die den obersten Theil der Schuller blos lassen und aus dichten, aufgesetzten Bauschen von gerin gem Umfang bestehen. In der Stadt trägt man halbbrcitc Aermcl, oben und am Vorderarme gefältelt, am Ellenbogen halbbrcit. Die Hausrobc hat ein geköpertes Leibchen, die Aermcl etwas breit, auf fünf Weiten oben und unten gefältelt, die Vorarmclchcn mit Mancheitcn besetzt, den Rücken in fächerar tigem Faltenwurf. Die Hüte sind heutzutage, wie die Köpfe, sehr klein, zug? rundctcr Schirm, und umrahmen, wo möglich, anmuthsvoll das Gesicht. Die Malve und das weiße Reisstroh sind in gro ßer Gunst; der Crcpp steht vortrefflich zu den Marabouts. Die jungen und obligat schönen Prinzessinnen von Spa nien trugen, wie man in Longchamps sah, charmante kleine Hüte aus rosafarbigem Crcpp, geziert mit einer Schärpe von gesticktem, spitzcnbcsetztcm und ebenfalls rosafarbenem Crcpp; diese Schärpe, von einer Garbe junger Aehrcn gehalten, bildete den Halbschlcier auf beiden Seiten des Schirmes; unter dem Schirme waren rosafarbene Stickleisten, welche diese entzückende Hukgattung vervollkommneten. Die Frau Gräfin von Larochc- foucauld har augenblicklich diese Mode angenommen, welche dadurch noch viele andere erlauchte Proselyten machte. Besonderer Luxus wird mit den Schnupftüchern getrieben, aus welche man das sogenannte orientalische Stickcrcisy- stem anwendct. Solche Schnupftücher scheinen gar nicht be stimmt, den Schweiß von einer menschlichen Stirne zu wischen, oder gar noch etwas Unedleres aufzunehmcn; man muß scharfe Augen haben, um sie nicht für feine Juwclcnnctze zu halten; so glanzvoll sind Muster und Rclicfarbeiten daran. Manches dieser Schnupftücher kostet zwölf- bis sechszchnhundcrt Francs» also ungefähr so viel, wie die Mitgift eines reichen Landmäd-