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Der Salon. 17. Unter Verantwortlichkeit der Redaktion der Eilpost. Druck von C. P. Melzer in Leipzig. 1839. Lese-Z Neuestes Bulletin der Moden. ParlS, den 10. April 1830. Wunder über Wunder! Die leichtsinnige Göttin der Mode ist weise, mäßig und sittsam geworden. Der Geschmack unse rer Künstler wird immer reiner und die wahre aufgeklärte, fashionable Welt verlangt keinen überflüssigen Putz mehr. Die einfachste Robe, das unscheinbarste Männerklcid finden Gnade in den Augen unserer Dandy's und Stutzerinncn, wenn Schnitt und Form jener Kleidungsstücke nur tadellos, kunstgerecht und zugleich komfortable, und dem Acußern des Körpers vortheilhaft sind. Die aufgeblasenen Moden, die thurmhohcn Fedcrbüschc, die hcuschoberähnlichcn Blumenhaufen, die sich auf massiven Hü ten und überlastigen Capotcn spreizten, die überlangen Röcke mit engen Schößen, die seiden-plüschenen, spitzigen Filzhüte mit kalabrischcn Krampen, die Roben mit ganz platten, oder mit scgelähnlich aufgeschwollencn Aermeln, überladen mit Vo- lans und Falben von tausenderlei Art, all' diesen schwülstigen Kram, den wir noch unlängst in den Himmel erhoben, ver dammen wir jetzt, und wir erklären die sonntäglichen, also aufgcputztcn Spaziergänger von Longchamps für bedaucrnswer- khe Leute, für traurige Karrikaturen. Doch stehen wir nicht dafür, daß sich'bis Morgen der Wind dreht, und daß wir vielleicht schon auf der andern Spalte dieses Blattes, von irgend einer zauberhaften Robe verblendet, in ganz anderem Tone sprechen. In der Mode kann man jeden Augenblick die Farbe wechseln; da muß man nicht konsequent sein. Betrachten Sie diese Robe von gestepptem Sammet; der Leib ist hübsch anschließend, die Schulterstücke gefältelt, am Oberarm sind zwei Vorärmclchen; unter dem zweiten umfaßt ein kranzähnlicher Lucrstrcifen den Arm; der Aermcl wird hierauf breiter, schwillt an und verliert sich endlich unter einem anschließenden Armband. Die Trägerin dieser Robe trägt übrigens einen Hut von Reisstroh, an dessen Seite eine leichte Blumcngarbe nicdcrweht. Noch eine Robe von einfachem, aber eleganten Schnitt, wollen wir ansehen; sie hat nur drei von einem muschelförmi gen Besatz überzogenen Luerstrcifen; die Aermel sind dem Ganzen der Robe gemäß, der Leib mit Fischbein, aber nicht übertrieben, ausgesteift; frischer Capole von glattem Crepp, die Coiffüre klein, Crcppstreifen unter dem Kinn gebunden, die Verzierung ist ebenfalls aus Creppschleifcn. Wie gesagt, wir sehen uns schon hier gezwungen, eine Robe anzuprcifen, die nichts weniger, als einfach ist. Bckannt- i m m e r. lieh ist die luxuriöseste Posamentirarbcit auf den Kleidern die sen Sommer im Schwünge. Man sieht schon jetzt viele ver zierte Knopflöcher (Brandenbourgs) auf seidenen Ueberröcken, halsbandartige Schnüre statt der Gürtel, und köstliche Knöpfe, um die Ucberröckc zu schließen. In diesem Genre ist die oben erwähnte, pomphafte Robe ausgeführt. Da bildet ein Netz von Rundschnürchen eine Schürze auf dem Röckchen, die sich gegen den Gürtel zu verengert. An beiden Seiten befindet sich eine Reihe von hübschen Knöpfen. Dieselbe Verzierung war am Leibchen zu sehen, gegen die Schultern zu immer breiter werdend. Dieser Putz aus perlgrauer Seide auf einer Robe von ebenfalls perlgrauem Seidcnzcug war von ungewöhnlichem Luxus. Die Hüte von Madame Vautout — eine für den Au genblick unschätzbare Neuigkeit — haben eine ganz kleine, fri sche, coquette Form. Die Strohhüte sind ebenfalls köstlich zu geschnitten und ausgcputzt, aber diese Hüte werden jetzt noch nicht am meisten gesucht. Die Sonne ist noch nicht lebendig genug. Man fürchtet, eine so gebrechliche Eoiffüre leicht zu gefährden; darum zieht man die Hüte aus Seidenpoult, von sanften Schattirungen und weiß glacirt, vor. Der spanische Flieder, das parmesanische Veilchen und einige andere, zeitge mäße Blümchen bilden die passende Verzierung dieser Hüte. Man bemerkt viele Schlcicrchcn auf entzückenden Hüten. Dies erinnert uns, daran zu mahnen, daß man diese kleinen Schleier tragen muß, so wie Madame Berthier sie geschickt anzuordnen weiß. Nach Madame Berthier müssen diese Schlcier- chcn von beiden Seiten die Coiffüre zieren, deren Blumen sie thcilwcise streifen, aber so, daß der Obertyeil des Gesichtes hin länglich frei bleibt, um nicht das Sehen zu gcnircn. Eben so gibt cs bei schönem Wetter nichts Entzückenderes, als eine Guimpe :e la Madonna, Brustschleier, wie ihn die Nonnen tragen, besetzt mit drei oder vier Reihen kleiner Spitzen. Besonders im Schwünge sind auch die Shawls aus glacir- tcr Seide, besetzt mit Guipuren, Spitzen und hohen Fransen. Madame Pollet hat verschiedene Formen von Mousselin- Shawls, in Cachemirwolle von verschiedenen Farben gestickt; cs sind dies türkische Muster, oder gotyische und maurische Arabesken. Einige haben eine Saat von kleinen, zweifarbigen Mustern, andere Einsatzroscn, wie die indischen Cachemirc. Einen Shawl müssen wir besonders erwähnen. Er war aus indischem Mousselin mit einer sehr hohen Gallerie mit Renais sance-Mustern auf Cachemirwolle von den lebhaftesten Farbcn- schattirungcn gestickt, untermischt mit Gold; eine Franse von