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WM 8S 90 In meinem Anfangs vorigen Jahres erschienene» Schriftchen: „Zunftwesen und Gewcrbefreiheit" habe ich schon in kurzen Worten die ursächlichen Uebelstände und die traurigen Resultate unserer seit 30 Jahren bestehenden Gewcrbefreiheit zu entwickeln gesucht. Ich habe, wie mir zahlreiche Beifallsworte von fern und nah eS bestätigten, aus dem Herzen aller denkenden Gewerbetreibenden gesprochen und aufmunternde, ein sichtige Urtheile vieler Gcwerbsgenossen waren mir ein Beweis, daß das Nebel nicht allein gefühlt, sondern auch lange ernstlich bedacht war und man die eiirdring- Jst Gewerbefreiheit nützlich oder schäd lich? Staat vielleicht schon deswegen seine Erthcilnug ver sagt hat. Preßfreiheit, Lehrfreiheit, Glaubensfreiheit, Redefreiheit w., alle diese materiellen Abschnitzel von unserm höchsten geistigen Gute, sind mehr oder minder ungestüm verlangt, und nicht, oder nur bedingungs weise gegeben. Nur eine einzige Freiheit, aber keine von allen gewünschten, gehofften, erflehten Freiheiten ist ohne Bedingung, aber auch ganz ohne Bedingung gegeben, es ist die Gewerbefreihcit. Als Bürger eines nach freier Entwickelung stre benden Staates erlaube ich mir, der ich zu dem Stande der Gewerbetreibenden gehöre, hierauf eine beleuch tende Antwort zu gellen. Ich gehe hierbei von dem Grundsatz aus, daß cs heilige Pflicht ist, seine Rechte zu wahren und nötigenfalls diese Rechte mit Hint ansetzung aller ängstlichen Rücksichten öffentlich auszu sprechen. Das eigene Wort unseres erhabenen Lan desvaters: „Ich liebe eine gesinnungsvolle Opposi tion," das als Motto bei jeder gerechten Anklage ge gen drückende Gesetze voranstehen und auch den Nie drigsten einschließen muß, wenn er in seinem Rechte gekränkt wird, ermuthigen auch mich, frei zu sprechen, und offen, wie es die Dringlichkeit und Wichtigkeit des Gegenstandes verlangt. Es ist wahrlich Noth, ein Uebel allgemein aufztl- deckcn und das Kind bci'm rechten Namen zu nennen, und so sage ich, die Gewcrbefreiheit ist ein Uebel für den Staat, ein Uebel für das Publi kum, sie ist als ein Bedürfniß frühererZeit entstanden, allmälig überflüssiger, endlich drückend geworden, und jetzt nur eine Frei heit dem Namen nach, in der Tbat aber Knechtschaft. Wir haben in unsrer vorigen Nummer den ver ehrten Lesern auch diese Brochüre von dem wackern Meister Herrn C. H. Friedrich in Danzig vcr-' sprechen und können nun um so eher Wort halten, da unser hiesiger Meister mit seinen Unterhaltungen über die Zeit noch hinter dem Berge hält. Ohne Zweifel wartet er auch diese zweite Brochüre erst ab, um dann seine freie Ansicht über das Ganze von sich zu geben. Die Brochüre von Meister Friedrich sagt: Es sind in unserer Zeit für unser höchstes Gut: „Freiheit" so viele Kämpfer in die Schranken getre ten und besonders von der oppositionellen Presse so entschieden und oft genug stürmisch gefochten, daß der wo eigentlich der Kern alles Seyns und aller Philo sophie auf der Frage beruht: sich barbircn lassen oder barbircn? Gegen diese Frage schützen uns sogar nicht alle jene Ungeheuer von Bärten, welche jetzt auf allen Straßen mit den Fäusten in der Tasche umher zier- bcngeln und wohlgefällig jede Pfütze als willkommenen Spiegel benutzen, um ihre Schönheit darin zu bewun dern und mit sich selbst zu liebäugeln. Komme mir noch Einer mit dem abgedroschenen Witze: „Der Bart mache den Mann!" Erleben wir nicht im Gegentheile, daß in demselben Verhältnisse der Zunahme und Vermehrung der Bärte, die Man ner täglich seltener werden? Also herunter mit den Bärten. Wie man dazu am sichersten, schnellsten, bequemsten, gefahrlosesten ge langen könne, lehrt in der That dieses allerliebste Büchlein, ich möchte beinahe sagen, sehr anmuthig. Und da nun auch Sie, meine verehrten Leser, an Bär ten leiden und vvmBarbirtwcrden keine absonderlichen Freunde sind, sondern lieber in aller Stille sich selbst barbircn, um allerliebst glatt bei allerlei Kunden zu erscheinen, so weiß ich Ihnen wahrlich keinen bessern Rath zu ertheilcn, als — recht bald dieses Büchlein , in Ihr Haus zu schaffen und seine Bilder recht eifrig ! zu studiren, die Paar Groschen dafür werden Ihnen gewiß nicht leid thun.