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des folgenden Tages geordnet ist, kommt ost der Mei ster auf den guten Gedanken, daß er seiner Frau und den erwachsenen Töchtern einen frohen Abend machen, d. h. zu Hause bleiben wolle, um sein Gläslein Bier in Gesellschaft der Lieben zu trinken und die letzten Stunden froher Unterhaltung zu widmen. In vielen Meisterhäusern herrscht die gar löbliche Sitte, einen Theil solcher traulichen Abendstunden in der Familie durch Lesen bestens zu verkürzen, wobei das Vorlesen gewöhnlich an die liebe Jugend kommt. Die Leihbibliotheken muffen dazu wacker herhaltcn mit allerlei Büchern, deren Wahl in der Regel dem Herrn Leihbibliothekar überlassen bleibt. Das ist nicht immer gut und zweckmäßig, was uns jedoch hier nichts an geht, denn besonders für die Hausjugend ist die Wahl der Lectüre nichts weniger als gleichgültig, da solche ost wesentlich auf Leib und Seele und Herz einwirkt. Ohngeachtet der ungeheuren Menge von alljähr lich erscheinenden Werken, fehlt es eigentlich an Bü chern für solche Zwecke noch gar sehr, und daher fällt die Wahl gewöhnlich auf die modernsten Ungeheuer von Romanen, welche, abgesehen von ihrem sonstigen oft sehr hohen Werthe, für einen solchen Kreis nur Gift enthalten. Verfasser und Verleger bieten hier eine schöne Aushülfe für solche Noch: eine wahre Hauspostille für die fruchtbarste Unterhaltung, eine nie versiegende Quelle der Genüsse, der Geisteserheiterung und Erhe bung , der HcrzenSerwärmung; ein Buch, welches zu Ende gelesen, wieder von vorn angefangen werden kann und bei jeder Wiederholung neuen und höher» Genuß gewährt, weil Verständniß und Reife unmittelbar mit solcher Lectüre heranwachsen. Jeden Abend ein wenig daraus, nicht stundenlange Vorlesungen, ein Werk, das in homöopathischen Portionen zu sich genommen werden muß, wenn es wahrhaft wohlthätig wir ken soll. Wenn auch alles Uebrige zu der ersehnten deut schen Einheit fehlt, dieses Buch umfaßt die schönste, die herrlichste, die von keinem Napoleon und keiner Dummheit zu zerstörende deutsche Einheit, die der Sprache, des Geistes, des Gemüthes. Eine Einheit, welche alle verstehen und liebqewonnen haben und auch der schönste Polizeimann und Diplomat nicht für einen Ausfluß von DemagogiömuS und Socialismus erklä ren kann. Es enthält das Beste der Besten der Nation eines Jahrhunderts, eine treffliche Ue- bersicht der schönsten und merkwürdigsten Leistungen deutschen Geistes aus allen Gauen deutscher Zunge, aus einem Gebiete, worin Deutschland keiner andern Nation der Erde nachsteht. Es sind die Perlen und Juwelen der goldnen deutschen Dichterzcit hier sinnig zu einem köstlichen Kranze geflochten, ein Kranz, der in keines deutschen Bürgers Hause fehlen sollte; ein Kranz, der in jedem Hause durch seinen unverwüstli chen Zauber Erholung und Erquickung, Trost und Er heiterung bereiten muß, an Glanz und Werth durch alle Jahrhunderte unveränderlich bleibt. Als ein schlimmes Zeichen der Zeit müßte man es betrachten, griffe nicht auch ein großer Theil unsrer verehrten Leser nach diesem vortrefflichen Hausmittel, welches auch für den Schneidermeister wahrlich bedeu tenderen Werth hat, als manches Lehrbuch der Zuschnci- dekunst und für den Hausvater ein wahrer Haus schatz ist. Rasirspiegel oder die Kunst, fich selbst zu rafiren re.; faß lich dargcstellt vom Hrn. Prof. Legrand zu Paris re. Ueberfetzt und mit Interes santem vermehrt von Leopold. Reinig. Weimar, 18L6 Verlag, Druck und Lithographie von B. Fr. Voigt. 4 Rthl. oder 36 kr. Wir sehen, daß die Franzosen bei Weitem nicht so schlimm sind, wie sie zuweilen aussehen: nachdem sie uns seit der Reformationszeit fortwährend recht hübsch barbirt haben, schreiben sie selbst unS eine recht anschaulich illustrirte Anweisung, wie wir uns fortan selbst barbircn können. Das ist in der That des Dan kes und aller Ehre werth, obgleich wir Deutsche in der Kunst, uns selbst zu barbiren und besonders ein- znseifen, das Unsre stets allerfeinstens und allereifrigst geleistet haben und noch täglich leisten. Aber wir schneiden uns auch nicht selten, und das soll fortan unterbleiben, dazu ist eigentlich dieses nette Büchlein vorhanden. Wie gesagt, wir sind den Herren Franzosen freund lichsten Dank dafür schuldig, vorzüglich in jetziger Zeit,