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hcirathen, um hernach ein kummervolles und klägliches Dascyn kaum fristen zu können. — Das konnte beim Zunftwesen nicht geschehen. Langsamer und mühsamer gelaugte damals der junge Bürger zur ersehnten Selbst ständigkeit; aber wenn er sie erreicht, hatte er auch die Gewißheit, bei hinreichender Thätigkeit, einer gesicherten Eristenz zu genießen. Das würde ein Gegenstand seyu, auf welchen bei Einrichtung einer neuen Gewerbe ordnung ein Hauptaugenmerk gerichtet werden müßte. Aber ein anderer und größerer Nachtyeil ist aus der Gewerbefreiheit entstanden. Ein Jeder kann, auch ohne ein Gewerbe erlernt zu haben, ein solches durch gedungene Arbeiter be treiben. Die Folgen davon sind die Magazine, welche den Ruin deö Handwerkerstandes nothwendigcr- wcise hervorbringen müssen. So weit die Magazine Resultat der Handelsfrei heit sind, habe ich nichts dagegen einzuwenden, sie sind außerdem zur Bequemlichkeit des Publikums; aber so bald sic Resultat der G ew erb efreih ei t, — prote- stire ich dagegen, so lauge und so sehr ich kann. Es sind nicht alle Elasten Gewerbtreibender gleich dadurch gedrückt; cs gicbt Gewerbe, wie z. B. das der Büchsenmacher, die fast nur im Großen mit Ge winn betrieben werden können, aber ich will bei zweien bleiben — bei zweien, die am meisten dadurch zurück gesetzt werden: Schneider und Tischler. Das Schneidergewcrk zählt vielleicht die meisten Mitglieder, denn Kleider braucht jeder Mensch. — So lange daS Zunftwesen bestand, war diese große Innung, wenn nicht wohlhabend, doch im Stande, ein ausrei chendes Brod zu verdienen. — Seitdem die Gewerbe freiheit die Innungen aufhob, oder doch Jedem ge stattete, sich außer ihnen zu etablircn, ist dicß anders, aber nicht besser geworden. Die Leichtigkeit, mit der gerade dieser Stand ein Etablissement bewerkstelligen läßt, verleitete eine Menge junger und unreifer Indi viduen, sich eine trügerische Selbstständigkeit zu ver schaffen, der bald nothwendigerweise Noth und Elend folgen mußten. Diesen Zustand benutzte die Spekulation. Kaufleute und besonders Juden benutzten die Noth dieser Handwerker und nahmen ihre Kräfte gegen die möglichst geringe Löhnung zur Errichtung von Maga zinen in Anspruch. Das Publicum, gelockt von Bil ligkeit und Bequemlichkeit, fängt an, sich daran zu ge wöhnen, und jetzt leidet ein ganzes Gewerk zum Vorthcil einiger spekulativen und begüterten Einzelner darunter. Die Folgen aber gehen noch weiter und tiefer; der ganze Stand tritt von der Stufe einer freien und ehrbaren bürgerlichen Corporation herab und wird zu einem Stande von Knechten herabgewürdigt. Wenn Noth und Armuth immer die Urquellen der sittlichen Verschlechterung sind, so fängt sich dieß deut lich au, in den Gewerken zu zeigen, welche durch die Errichtung von Magazinen zurückgeseht sind. Die Gesellen und Lehrlinge, sonst durch die Aufsicht der Innung in einer nothwendigcn Ordnung erhalten, haben jetzt nicht mehr nöthig, sich dieser Ordnung zu fügen. Wenn es ihnen nicht mehr gefällt, einem Mei ster „gut zu thuu," so fangen sie an, für dieJnhaber der Magazine zu arbeiten, thuu nicht mehr, als sie gerade Lust und Belieben haben, und vergeuden die übrige Zeit in Kneipen, mit einem Worte: sie werden liederlich. — Was ist die Folge davon? — Die Mei ster, welche trotz der Magazine »och bestehen, werden jetzt außerdem durch die Nachlässigkeit und Liederlich keit der Gesellen gepeinigt, — die Arbeit geht nicht schnell von Statten, denn die Leute, auch wenn sie stückweise arbeiten, thun nicht mehr, als sie gerade höchstens zur Erhaltung bedürfen, und faulenzen lieber, statt einen Nothpfennig zu ersparen. — Hiervon ist die Folge, daß manche Meister mehr Arbeiter halten müs sen, als nöthig sind, und diejenigen Meister, welche nur einen, aber fleißigen, Gesellen brauchen, bekommen gar keinen mehr. Werden die Gesellen wegen ihres tadelhaften Lebenswandels, oder wegen ihrer Trägheit vom Mei ster hart angelasteu, so gehen sie ihrer Wege, in der Gewißheit, doch Arbeit zu finden, die sie des verhaßten und drückenden Zwanges enthebt. Im Tischlergewerk ist cS ganz dasselbe. — Was die jüdischen Magazininhaber für das Schneider gewerk sind, das sind die Zimmcrmeister für die Tisch ler, sie ruiniren die Letzter» dadurch, daß sie ihnen durch Tischlergesellen bei ihren Bauten den bedeutendsten und wichtigsten Theil ihrer Arbeit entziehen. Jetzt stellt sich nun die Frage der Art und Weise, so wie der Möglichkeit einer Abhülfe heraus. Wir können die Gewerbefreiheit als ein zeitgemäßes und in vieler Beziehung wohlthätiges Institut nicht gänz lich verwerfen; weil außerdem dadurch noch Viele in Rechten gekränkt werden würden, in deren Besitz sie